Liberales Judentum in Deutschland:
12. Jahrestreffen der Union progressiver Juden
Von Gudrun Wilhelmy
Zum 12. Mal trafen sich Mitglieder aus den Gemeinden
liberaler Juden in Berlin-Spandau und machten deutlich, was liberales
Judentum neben Pressezeilen für Jüdinnen und Juden in diesem Lande wirklich
zu bieten hat.
Die Tradition der jährlichen Treffen ist für die
Delegierten doppelte Arbeit. Während die Teilnehmer/-innen aus den
inzwischen über 20 Gemeinden und den Jugendgruppen "Jung und jüdisch" und
"Jung und jüdisch junior" sowie ausländische Besucher/-innen wieder unter
zahlreichen Workshopangeboten wählen konnten, saßen die Delegierten in
zahlreichen Gruppensitzungen zusammen. Die Köpfe rauchten in allen Räumen,
doch Lachen und Staunen kamen nicht zu kurz.
"Wohin gehst du?" War eine der häufigsten Fragen und "wie
war es?" die sich daran anschließende. Die einen lockte Rabbiner Jacobs aus
Maryland, der über die Haggadah und Pessach-Bräuche sprach, andere besetzten
den Raum von Heinz Peter Katlewski, der über Pressearbeit und Websites
referierte. Fundraising war ein gut besuchter und notwendiger Workshop und
mit Rabbiner Ben Chorin übten ganz eifrige die Tora-Lesung (Leinen).
Rabbiner Brandt bot Foren zur Diskussion über Themen wie
beispielsweise "Das interreligiöse Gespräch als Kampfmittel gegen
Antisemitismus", Kantor Dmytro Karpenko referierte für Musik im Gottesdienst
in russischer Sprache und Adina Ben-Chorin sprach über "Tum’a (impurity)
Kedusha and the Internet" in englischer Sprache.
Sehr überzeugend verlief der workshop von Debbi
Tal-Rüttgers aus der Gemeinde Gudensberg für diejenigen, die in ihren
Gemeinden Sh’liach Zibbur-Funktionen übernehmen wollen oder ausüben. Das die
Lernunterstützung auch im Fernlehrgang über CD und Internet erfolgen kann,
insbesondere die notwendigen Ivritkenntnisse macht Sinn (siehe HaGalil
http://www.hagalil.com/hebrew/hebraeisch.htm) Und dies umfasst
längst nicht alle Angebote. Wie immer blieb die Qual der Wahl.
Das sich das Abraham-Geiger-Kolleg mit Informationen über
die Rabbinerausbildung vorstellte und Rabbiner Dr. Walter Homolka, Direktor
des Kollegs, "Gedanken zu Leo Baeck" zum Thema machte, bot vielen die
Chance, die so wichtige Arbeit des Kollegs für die liberalen Gemeinden
besser kennen zu lernen.
Dabei ist besonders die praktische Demonstration zu
erwähnen, die am Samstag Morgen erfolgte. Drei der am Kolleg Studierenden,
gestalteten den Schacharit-Gottesdienst mit. Tomáš Kucera, als einer der
Ordinationskandidaten, beeindruckte die Beter/-innen mit seiner Drascha zur
Haftara außerordentlich. Aber nicht nur er. Die Generalprobe vor der
Ordination verlief ausgezeichnet. Diese wird am 13. und 14. September in
Dresden stattfinden.
Die Liberalen gewinnen zunehmend an Gemeinden und
Gemeindemitgliedern, eine wachsende Gemeinschaft, in der die Integration
russischsprachiger Jüdinnen und Juden vielfach von diesen selbst geleistet
wird. Die "Sprachzirkel" auf den Tagungen lösen sich allmählich auf und man
kommt sich in Einzelgesprächen näher. Der Austausch von Informationen
beschränkt sich dabei nicht allein auf Workshops wie: Familienprojekt –
Integration oder Erfahrungen mit Selbsthilfegruppen.
Der traditionelle Hawdala-Ausklang mit den drei Wünschen,
die ausgesuchte Teilnehmer/-innen und Veranstalter/-innen äußern dürfen, war
sehr bewegend und unter der Leitung des künftigen Rabbiners Tom Kuçera
fröhlich und mitreißend.
Und die vielen Wünsche? Die Nachrichten aus Israel hatten
längst alle erreicht und so stand Frieden an erster Stelle. Erfolge für die
weitere Arbeit, ein weiteres Wachsen der Gemeinden in Quantität und Qualität
und nicht zuletzt auch für die Union selbst. Doch auch Harmonie und die
Kraft, Konflikte zum Guten gemeinsam anzugehen und zu lösen, wurden
geäußert.
In Berlin haben die Sommerferien längst begonnen und so
fehlten leider Besucher/-innen aus den hiesigen Gemeinden, was mit großem
Bedauern festgestellt wurde. Nicht nur, weil damit ein Desinteresse an
anderen jüdischen Gemeinden und Menschen signalisiert wird, sondern
eigentlich eher, weil sie dieses einmalige Erlebnis ganz lebendigen
Judentums und eines wirklichen Miteinanders versäumen. Aber das wird im
nächsten Jahr anders werden.
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