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Ungarn:
Bist Du ein Zigeuner? - Dann sei bloß vorsichtig!

Von Papó (Gábor Csabai)

Die Gerichtspraxis in Ungarn produziert beinahe wöchentlich Haar sträubende Fälle, über die der einfache Bürger schwer glaubt, dass es sich bei ihnen nicht um die Erfindung eines pfiffigen und fantasiereichen Schriftstellers handelt.

Das Recht und die Gerichtsbarkeit sind zwar sehr wichtige Angelegenheiten, sind aber ihrem Wesen nach sozusagen 'Folge'-Systeme, das heißt, dass sie der technischen und kognitiven Entwicklung der Gesellschaft eigentlich immer 'hinterherhinken', weil sie erst mit einem Zeitverzug die 'Bühne' betreten.

Schon allein die Berichterstattung ihrer Arbeit erfordert spezielles Fachwissen, dennoch genügt für uns jetzt so viel festzuhalten, dass sie meistens dann zur vollen Zufriedenheit der Gesellschaft arbeiten, wenn sie dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden im Großen und Ganzen entsprechen. Es ist weniger schlimm, wenn das eine oder andere Urteil allgemein schwer verstanden wird – es wäre auch viel verlangt, sich in die verzweigte Sachlage eines Falles einarbeiten zu müssen. Sorgen machen müssen wir uns aber dann, wenn in den Augen der Bürger die Nachrichten aus den Gerichtssälen auf das Niveau der skandalösen Nachrichten der katastrophalen und auf einer moralischen Tiefe dahin vegetierenden heimischen Fußball sinken und mit diesen konkurrieren. Man schaut nur dumm und versteht nichts. Eine zu spät bezahlte Rechnung über einige hundert Tausend Forint oder ein kleiner Steuertrick im Interesse des Erhaltes eines kleinen Unternehmens wird manchmal mit einem unfassbar strengen Urteil geahndet, während auf der anderen Seite ein selbst das Parlament beeinträchtigender Bankskandal in Milliardenhöhe für den Verdächtigen weniger schlimm ausgeht, als wenn er nur die Parkgebühr vergessen hätte zu bezahlen... Ich kann mich aber auch einfacher ausdrücken: Unser Glaube an die Rechtssicherheit wankt.

Und dann haben wir es hier mit dem neuesten und gänzlich unverständlichen Fall zu tun.

mp3 anhören:
"My Trousers Are Buttoned All Along"
Kalyi-Jag

Website:
http://www.amrita-it.com/kalyi_jag/

Die Kalyi-Jag-Band ist eine legendäre Formation der heimischen Zigeunerkultur. Kaly Jag heißt ins Deutsche übersetzt "Dunkles Feuer". Mit diesem Namen treten ihre Mitglieder seit 1978 mit ungebrochenem Eifer auf, und so taten sie es auch am 05. August letzten Jahres in einem kleinen Ort in Ostungarn, namens Demecser. Das Konzert endete gegen 23 Uhr. Die für unsere Geschichte wichtige Person, der junge Gitarist und Tänzer, Ernö Setét, spielt nicht nur in der Band. Nachdem er die gleichnamige Fachschule Kalyi Jag für Roma-Nationalitäten absolviert hatte, blieb er weiterhin als Administrator in der Schule angestellt (die Schule wurde 1992 von einem der Mitglieder der Band, Gusztáv Varga gegründet und wird seitdem von ihm geleitet).

Nach dem Konzert saßen sie noch bis 1 Uhr in der Nacht in einem Restaurant, dann fuhren sie zu viert mit einem Auto in Richtung Budapest. Unterwegs hielten sie in Nyiregyháza an, um einmal zu tanken und einen Kaffee zu trinken. Unter den Fahrgästen befanden sich zwei ältere Damen, Familienmitglieder des Leiters der Band, die von Setét in Budapest bis vor die Haustür gefahren wurden.

Beim Morgengrauen derselben Nacht wurde in der Unterführung vor dem Ostbahnhof eine kleine Menschengruppe beim Bier trinken von drei Erwachsenen angegriffen, die auch zwei Kinder dabei hatten. Nach einer brutalen Schlägerei rissen sie einem ihrer Opfer die Halskette und die Armbanduhr vom Leib und flüchteten. Kurz darauf wurde in der Nähe des ersten Tatortes eine Frau ebenfalls von einer Gruppe 'ähnlicher Zusammensetzung' angegriffen.

Am gleichen Abend wurden der eingangs erwähnte Ernö Setét und einer seiner Freunde, László Adu auf einem Parkplatz von einem Polizisten ermahnt, die Lautstärke ihres Autoradios zurückzudrehen, was sie auch taten. Setét nutzte die Gelegenheit, und übergab dem Polizisten seine Visitenkarte mit der Bitte, ihn und die Band anzusprechen, wenn irgendwo gute Musik fehle.

Etwa vierzig Tage später meinte einer der Polizisten, die Personenbeschreibung des vermeintlichen Täters am Ostbahnhof würde zum Musiker passen, weshalb dieser vorgeführt wurde. Bis zu diesem Punkt kann an der Geschichte nichts ausgesetzt werden: Zu den Aufgaben eines Polizisten gehört, Verdacht zu schöpfen, zu kombinieren und Dingen nachzugehen.

Nur: Nach diesen Vorkommnissen wurden Setét und sein Freund festgenommen und nach einer Untersuchungshaft von beinahe zehn Monaten vom Budapester Strafgericht zu vier Jahren Haft verurteilt. Als Hauptbeweis für ihre Schuld galt ihre Gegenüberstellung mit den Opfern, obwohl die Beweisführung Medienberichten zufolge unglaublich dilettantisch und manipulativ durchgeführt wurde. So interviewte ein Fernsehsender später die Opfer des Verbrechens, die sich ziemlich widersprüchlich und verwirrt an die Einzelheiten des Geschehens erinnerten. Sie konnten sich nicht einmal darin einigen, wer sich unter ihnen am Tatort aufgehalten haben soll, und als sie den Zeitpunkt des Verbrechens bestimmen sollten, kamen sie vollkommen durcheinander. Hinzugefügt werden muss noch, dass ein weiteres Opfer die beiden Verdächtigen nicht als seine Angreifer identifizieren konnte.

Das Gericht zeigte dennoch kein Interesse, diejenigen in den Zeugenstand zu laden, die das Alibi der Kalyi-Jag-Band hätten nachweisen können. Es hatte kein Interesse, die vielen hundert Fans in Demecser anzuhören, oder über das Konzert gedrehte Videoaufnahme anzuschauen, und war auch an der Aussage des Gastgebers nicht interessiert, der die Band nach dem Auftritt zum Abendessen einlud. Es wurden weder die drei weiteren Mitreisenden angehört, noch war das Gericht bereit, den Tankwart der Tatnacht als Zeugen zu befragen oder die mit einer Zeituhr versehenen Archivaufnahmen des Videosystems der Tankstelle anzuschauen. Die Verteidigung bestellte zwar die ausgewerteten Chipinformationen des Mobiltelefons Setéts, die seinen Aufenthaltsort in jener Nacht belegten, doch das Gericht ließ sich dadurch nicht erweichen. Auch die Tatsache wirkte in seinen Augen nicht mildernd, dass die Verdächtigung eines existenziell abgesicherten, an einem lukrativen Arbeitsplatz angestellten und sogar als aktiver Künstler arbeitenden jungen Mannes gelinde gesagt nicht nachzuvollziehen ist.

Das heißt: leider doch. Es ist sogar sehr nachzuvollziehen. Denn es geht hier um einen Zigeunerjungen. Und es ist mehr als bekannt, wie eigenartig ein Großteil der Vertreter der Ordnungs- und Rechtskräfte in der Praxis das Prinzip der gleichen Behandlung anwendet.

Vom Mitangeklagten Setéts war bis jetzt wenig die Rede. Er konnte ein noch "durchsichtigeres" Alibi liefern als die obigen. Er schlief zu Hause, mit seiner Familie.

Die Verteidigung legte gegen das Urteil in erster Instanz Widerspruch ein, doch die Angeklagten blieben weiterhin in Haft.

Sie sind nun seit zehn Monaten eingesperrt.

Aus dem Ungarischen: Magdalena Marsovszky

hagalil.com 23-07-2006

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