Bitterer Vorgeschmack:
Die Allmacht von Terroristen
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem Die jüngsten
Tage im Gazastreifen haben wieder einmal gezeigt, wer im
israelisch-palästinensischen Konflikt der Stärkere ist. Drei unkontrollierte
Extremistengruppen, darunter der "militärische Arm" der Hamas, haben
eigenwillig Israel angegriffen und einen Soldaten entführt. Jetzt erpressen
sie Israel zwecks Freilassung von verurteilten Massenmördern.
Die Entführer wissen aus Erfahrung, dass Israel aus ethischen, religiösen
und politischen Gründen alles tut, um eine lebende Geisel zu retten. Israel
zahlt erfahrungsgemäß fast jeden Preis, sogar um Leichen ausgehändigt zu
bekommen. Wieder erweist sich, wie leicht Terroristen sogar Supermächten das
Handeln vorschreiben können. Allerdings tun sie das unter schnöder
Gefährdung und Missachtung ihrer eigenen Bevölkerung.
Die israelische Armee kann in den Gazastreifen einmarschieren, wann und wie
sie will, die Lufthoheit hat sie ohnehin. Doch Muskeln zu haben, verspricht
nicht allein schon Erfolg. Die israelische Armee hat in Gaza allein
Infrastruktur zerstört: Brücken und Kraftwerke. Dahinter steckte die
Absicht, die Entführer zu hindern, die Geisel woanders hinzubringen und den
Kasambeschuss einzustellen.
Die jüngsten Ereignisse zeigen, dass der einseitige Rückzug aus Gaza ohne
Koordination mit den Palästinensern ebenso gescheitert ist wie die
einvernehmliche Übergabe von Land und Städten an die Palästinenser im Rahmen
der Osloer Verträge. Weder schriftliche Verpflichtungen Arafats, die Osloer
Verträge, die Roadmap, feierlich verkündete Waffenstillstände, noch heilige
Versprechen von Mahmoud Abbas haben den Terror beenden können.
Dennoch soll das Konzept des einseitigen Rückzugs auch auf das
Westjordanland übertragen werden, wie schon nördlich von Nablus geschehen.
Israel will nicht auf palästinensische Einsicht warten und zieht ohne ihr
Einvernehmen seine Grenze. Die Palästinenser werden ohne Israels Zutun ihren
Staat gründen können, oder auch nicht. Sollten sie, wie jetzt im
Gazastreifen, weiter auf Krieg setzen, dürfen sie mit echter militärischer
Antwort rechnen, wie der Zerstörung von Kraftwerken. Im Libanon haben
Rückzug und Angriffe auf Kraftwerke bei Beirut dazu geführt, dass entlang
der Grenze Ruhe herrscht. Libanon entwaffnete Milizen und bändigt die
Hisbollah. Palästinensische Regierungen jedoch waren unfähig oder unwillig,
die Milizen auszuschalten. Die Hamas-Regierung schloss sich gar der
Erpressung der Entführer an. Im März feierte sie gar einen Terroranschlag in
Tel Aviv als "legitime Selbstverteidigung".
Das Chaos in Gaza ist für die Palästinenser ein bitterer Vorgeschmack
dessen, was sie erwartet, wenn sie nicht endlich eine Zivilgesellschaft
errichten und die Regierung ihr Gewaltmonopol erkämpft. |