Schlüssel zur Lösung der Gazakrise liegt in Damaskus:
Der syrische Stachel
Auszüge aus einem Kommentar von Shmuel Rosner, Ha’aretz,
05.07.2006
Übersetzung Daniela Marcus
"Wenn ein Stachel über längere Zeit hinweg im Körper
steckt, entsteht manchmal eine Infektion um die Stelle herum, selbst wenn
der Stachel nur klein ist", sagte ein Offizieller der US-amerikanischen
Regierung letzte Woche. Mit dem Körper ist Amerika oder Israel gemeint, mit
dem Stachel der syrische Präsident Bashar Assad und das syrische Regime. Und
die Infektion ist inzwischen sichtbar.
Der Schlüssel zur Lösung der Gazakrise liegt in Damaskus, sagte der
israelische Verteidigungsminister Amir Peretz Anfang der Woche zur
Außenministerin der Vereinigten Staaten, Condoleeza Rice, und es ist
fraglich, ob seine Worte für eine Überraschung bei ihr sorgten. Denn Rice
und die amerikanische Regierung wissen, dass Syrien zu einer Plage geworden
ist, die fortfährt, sich in jeden Prozess einzumischen, der dazu gedacht
ist, der Region Stabilität zu bringen.
Die Frage ist natürlich, wie man damit umgehen soll. Doch bisher wurde noch
keine adäquate Lösung gefunden. Assad versteht anscheinend die
Schwierigkeit, mit ihm umzugehen. Der Präsident (…) macht keine Anstalten,
nachzugeben. In einem Interview, das er der in London sitzenden Zeitung
Al-Hayat vor ein paar Tagen gab, sprach er lang und breit über seine
Beziehung zur Hamas. "Wir wurden (von den Amerikanern) gebeten, die Hamas zu
belagern, die Hamas anzugreifen", sagte er. "Das war die Verhaltensänderung,
die von Syrien gefordert wurde." Ob Syrien bereit sei, sein Verhalten zu
ändern, wurde er gefragt. "Wenn wir es wären, hätten wir es schon längst
getan", erwiderte er überzeugend und ließ keinen Raum für Zweifel.
Während des Briefings im amerikanischen Außenministerium vergangenen Freitag
sagte der stellvertretende Sprecher Adam Ereli höflich, dass Syriens
Unterstützung für die Hamas falsch sei und beendet werden müsse. Hinter
verschlossenen Türen hören sich die Amerikaner weitaus schärfer an, doch sie
sind auch bereit, Schwierigkeiten zuzugeben. (…) Vor drei Jahren gaben die
Syrer dem damaligen amerikanischen Außenminister Colin Powell eine Art
Versprechen, die Büros der Hamas in Damaskus zu schließen. Doch nichts
geschah. Vor etwa drei Monaten sagten ranghohe Offizielle des
Verteidigungsministeriums und des Außenministeriums gegenüber Ha’aretz: "Das
Konto Syriens ist noch nicht aufgelöst." und: "Sie sollten nicht denken,
dass wir sie vergessen haben."
Und nun sind schon wieder Wochen ohne irgendwelche Anzeichen eines
Fortschritts vergangen. Die Syrer wurden natürlich nicht vergessen und Assad
stellt sicher, dass sie nicht vergessen werden. Nichtsdestotrotz schreiten
die amerikanisch-französischen Bemühungen –die mit der dramatischen
Untersuchung des Mordes an dem früheren libanesischen Premierminister Rafik
Hariri begannen und die die Syrer mit Hilfe des UNO-Sicherheitsrates zum
Nachgeben bewegen sollen- nur träge voran. (…) Ein ranghoher Offizieller des
amerikanischen Außenministeriums sagte: "Die Vereinigten Staaten haben nicht
mehr so viele Druckmittel übrig, um Syrien zu beeinflussen. Wir haben den
Syrern bereits fast alle möglichen Sanktionen auferlegt." Angesichts des
Mangels an internationaler Zustimmung und an entschiedenen Aktionen bzw.
–alternativ- an einer abschreckenden Militäraktion seitens Israels, nicht
der USA, ist es schwer festzustellen, wie man Syrien umstimmen kann.
Sami Moubayed, ein politischer Analyst aus Syrien, veröffentlichte vor etwa
einem Monat einen Artikel in der Asia Times, in dem er vorbehaltlos die
syrische Position aufzeigte: "Die Hamas verwandelte sich durch die Wahl im
Januar 2006 von einer politischen Last in einen politischen Gewinn." Somit
wurde für Assad eine Spielkarte gefunden, die seine Wichtigkeit und seine
Macht in der Arena des Mittleren Ostens beweisen kann. Khaled Meshal, der
Führer der ausländischen Hamas, ist eine Schachfigur in Assads Händen. Wenn
Assad entscheidet, die Unterstützung für ihn zu beenden, sagte eine ranghohe
israelische Quelle diese Woche, gibt es kaum andere Länder, die ihn
aufnehmen werden. Vielleicht noch der Iran, doch das ist nicht sicher.
"Assad wacht über Meshal weil Meshal ihm Macht gibt", sagte die israelische
Quelle. Wenn Assad möchte, lässt er Meshal an der langen Leine gehen, und
wenn er das nicht möchte, hält er ihn an der kurzen Leine. Natürlich ist
dies für alle Betroffenen eine nervenaufreibende Situation. Die Amerikaner,
die Franzosen und die Israelis sind verärgert. Auch die Ägypter sind
aufgebracht, vor allem deshalb, weil sie in das Ärgernis involviert sind.
Während Assad ihnen erzählt, er habe seine Hand nicht im Spiel, verhandelt
Meshal mit ihnen über den Vorfall, in den er angeblich nicht involviert ist.
Nichtsdestotrotz bleibt unklar, wie das Problem, das Syrien darstellt,
gelöst werden soll.
Syrien stellt für Israel ein schwieriges Dilemma dar: Wie lang kann es die
Leine lassen, ohne auf eine Weise reagieren zu müssen, die die Region in
einen Krieg ziehen würde, dessen Beginn klar, dessen Ende jedoch offen ist?
(…) Für die Vereinigten Staaten ist diese Situation besonders
nervenaufreibend. (…) Ja, das ist ein Problem, sagte ein frustrierter
amerikanischer Offizieller freimütig gegenüber einem israelischen
Journalisten. "Die Situation im Irak ist nicht einfach. Und nun versuchen
wir, die internationale Gemeinschaft dazu zu bewegen, sich des Irans
anzunehmen. Es ist unmöglich, alles auf einmal zu tun." (…)
hagalil.com 05-07-2006 |