Clusterbombs:
Streubomben im Süd-Libanon und in Haifa
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
"Streubomben sind gemäß dem internationalen Recht erlaubt. Die
israelische Armee setzt sie entsprechend dem internationalen Standard ein."
So lautete die offizielle Reaktion des Militärsprechers auf unsere Anfrage,
nachdem die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch
Israel vorgeworfen hatte, die "völkerrechtlich geächteten Waffen" im Libanon
eingesetzt zu haben.
Die Streubomben, auf Englisch "Clusterbombs" genannt, fallen bei den
Amerikanern in die Kategorie "dumme" Bombe. Sie werden aus der Luft
abgeworfen, mit Raketen oder sogar mit Artillerie verschossen. In einer
vorgegebenen Höhe öffnet sich der bis zu 3 Meter lange Bombenkanister und
verstreut einen Inhalt: Bömbchen, Minen oder Granaten. Sie sind mit
Sprengstoff oder Chemikalien gefüllt und sollen ein möglichst großes Gelände
"sättigen" - wie das in der Militärsprache genannt wird. Die Munition, knapp
1 Zentimeter große Kugeln oder größere Granaten nennen sich APERS, wenn sie
gegen Menschen gerichtet sind oder AMAT, gegen Material. Ein Kanister kann
bis zu 650 Einheiten solcher "Sub-Munition" enthalten. Nach Angaben der
amerikanischen Armee explodieren nur etwa 93 Prozent der Minigranaten nach
dem Aufschlag, sodass diese Waffe auch noch lange nach dem Ende eines
Krieges Gefahr für Menschen bedeutet.
Eingesetzt werden die Streubomben auf dem Schlachtfeld, um vorrückende
feindliche Soldaten zu treffen. Wegen der Unzuverlässigkeit dieser Munition,
wird das getroffene Geländer zu einem tödlichen Minenfeld, das kaum oder gar
nicht mit herkömmlichen Methoden geräumt werden kann. Diese Waffen wurden
von der NATO in Jugoslawien und von den Amerikanern in Laos, Afghanistan und
anderswo eingesetzt. Die Türkei benutzte sie gegen kurdische Dörfer und auch
die Russen haben sie verschiedentlich gebraucht.
Eine eher primitive Form von Streubomben setzt die Hisbollah zur Zeit bei
Angriffen auf israelische Städte und Ortschaften ein. Vor Allem aus Syrien
gelieferten Sprengköpfe der Raed 2 und Raed 3 Raketen sind mit bis zu 4000
winzigen Metallkugeln bestückt. Bei Aufprall und Explosion der Gefechtsköpfe
schießen diese Kugeln durch die Gegend. Menschen sterben, als wären sie
erschossen worden. An Häuserwänden entstehen Pockennarben im Putz. Die
Bevölkerung im Norden Israels, etwa eine Million Menschen, hat nur deshalb
relativ geringe Verluste erlitten, etwa 20 Tote und hunderte Verletzte, weil
die Menschen "sehr diszipliniert" in ihren Häusern bleiben, und in
Treppenhäusern oder Bunkern Schutz suchen.
Der israelische Militärsprecher konnte auf Anhieb nicht erklären, gemäß
welchem internationalen Recht diese Bomben erlaubt seien und welches die von
ihm zitierten "Standards" seien, an die sich die israelische Armee halte,
wenn sie in den ländlichen Gegenden des Südlibanon diese Bomben einsetzt.
Eine Prüfung der Rechtsabteilung des Militärsprechers könnte "mehrere Tage
dauern".
Umgekehrt konnte eine Sprecherin von Human Right Watch auf Anfrage nicht das
Internationale Recht angeben, wonach diese Waffen "verboten" seien, so wie
Giftgas seit dem Ersten Weltkrieg international "verboten" ist.
Human Rights Watch hat am 18. Juli schon öffentlich erklärt. "Zivile Gebiete
willkürlich anzugreifen ist ein ernster Verstoß gegen Menschenrechte und
kann ein Kriegsverbrechen sein. Von der Hisbollah verwendete Gefechtsköpfe
(mit hunderten Metallkugeln) haben nur einen geringen militärischen Wert,
verursachen bei den Opfern schweres Leiden und machen das Verbrechen umso
schlimmer." Wohl weil die Metallkugeln nicht explodieren, wie die Munition
in den "Cluster Bombs", verzichtete die Menschenrechtsorganisation darauf,
die Hisbollah der Verwendung von "Streubomben" zu bezichtigen, obgleich die
syrischen Raketen lediglich eine primitivere Version einer tödlichen, allein
gegen Menschen gerichteten Waffe ist. |