Stolpersteine:
Hamburger Richter gedenken ermordeter jüdischer Kollegen
Am 2. August 2006 um
16.30 Uhr
werden vor dem Ziviljustizgebäude, Sievekingplatz 1, im Rahmen einer
gemeinsam vom Hamburgischen Richterverein und dem Projekt
Stolpersteine geplanten Veranstaltung zehn Stolpersteine enthüllt zum
Gedenken an jüdische Richter und Staatsanwälte, die durch das Nazi-Regime
aus ihrem Beruf vertrieben und ermordet oder in den Tod getrieben wurden.
Die Enthüllung der von dem Kölner Künstler Gunter Demnig, Initiator des
inzwischen bundesweit unterstützten Projekts, entworfenen Steine wird in
Anwesenheit von Michael Knight, Enkel des ermordeten
Richters
Lambert Leopold, sowie von Bischöfin Maria Jepsen,
Schirmherrin des Hamburger Projekts, und von Justizsenator Carsten
Lüdemann erfolgen.
Hamburgische Richter und Richterinnen sowie Staatsanwälte und
Staatsanwältinnen haben einem Aufruf des Hamburgischen Richtervereins
folgend in einer bislang einmaligen Aktion einen Betrag von fast €
4000.- für diese Gedenksteine und die weitere Unterstützung des
Projekts gesammelt. Sie haben damit ein deutliches Zeichen der Würdigung für
das Schicksal jüdischer Kollegen, ihrer Familien und aller
jüdischen Mitbürger gesetzt, die in dieser Stadt Opfer des verbrecherischen
Unrechtsregimes wurden.
Die Stolpersteine vor dem Ziviljustizgebäude erinnern an:
Dr. Paul Blumenthal,
Franz Daus,
Dr. Hermann Feiner, Dr. Richard
Hoffmann, Dr. Kurt Ledien,
Lambert Leopold,
Dr. Wilhelm Prochwnick,
Dr. Alfred Rinteln,
Dr. Walter Rudolphi,
Dr. Leonhard Stein.
"4
Jahre nach Start des Projektes Stolpersteine in Hamburg sind heute bereits
ca. 1450 Steine verlegt - ca. 1000 weitere Patenschaften liegen vor. Es gibt
aus allen Kreisen der Bevölkerung fast nur positive Reaktionen."
Peter Hess,
Koordinator für das Projekt Stolpersteine
Ebenfalls am 2. August 2006 - um 17.30 Uhr - wird im
Hanseatischen Oberlandesgericht, Sievekingplatz 2, eine Ausstellung
mit Skizzen eines russischen Soldaten aus der Zeit der Befreiung der
Lager Majdanek und Auschwitz eröffnet, eine Initiative des Freundeskreises
von Yad Vashem und des Ebenezer Hilfsfonds Deutschland.
Die Stolpersteine
erinnern an:
Geboren am
13.2.1880 in Hannover. Er war seit 1910 – unterbrochen durch seine
Teilnahme am Ersten Weltkrieg – als Amtsrichter in Bottrop tätig. 1925
wurde er als Amtsgerichtsrat nach Altona versetzt. Er war einer der
bekanntesten Jugendrichter in der Zeit der Weimarer Republik. Im April
1933 wurde er zunächst beurlaubt, dann in ein anderes richterliches Amt
umgesetzt. Zum 31.12.1935 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft
zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Am 8.11.1941 wurde er nach Minsk
deportiert, wo er bald darauf an einer Lungenentzündung starb.
Geboren am
16.11.1896 in Hamburg. Im Juni 1927 zum Richter beim Landgericht Hamburg
ernannt, war er seit 1930 in einer Zivilkammer tätig. Zum 1.12.1933
wurde er zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Im November 1939
flüchtete er zu Freunden nach Norwegen. Dort wurde er im Rahmen der so
genannten Judenaktion im Oktober 1942 von der Gestapo verhaftet und kurz
darauf in das KZ Sachsenhausen deportiert, wo er vermutlich – wie die
meisten aus Norwegen deportierten Juden – in den Gaskammern ermordet
wurde.
Geboren am
17.3.1894 in Hamburg. Er wurde im Oktober 1921 zum Richter beim
Landgericht in Hamburg ernannt. Nach der nationalsozialistischen
Machtübernahme wurde er von der Straf- in die Zivilgerichtsbarkeit
versetzt. Als Folge seiner Zwangspensionierung zum 30.6.1934 und der
zunehmenden sozialen Ausgrenzung der Juden nahm er sich am 5.7.1935 in
Königstein im Taunus das Leben.
Geboren am
4.3.1882 in Hamburg. Er wurde im Oktober 1907 zum Amtsrichter am
Amtsgericht Hamburg ernannt. Im Januar 1926 zum Landgerichtsdirektor
befördert, hatte er seitdem den Vorsitz in einer Zivilkammer beim
Landgericht Hamburg. Zum 31.12.1935 erhielt er als Jude Berufsverbot. Am
25.10.1941 wurde er mit seiner Ehefrau Elisabeth, geb. Danziger, nach
Lodz deportiert. Dort sind sie am 14.3.1943 bzw. am 26.4.1944
umgekommen.
Geboren am
5.6.1893 in Berlin-Charlottenburg. Er war seit 1927 als Amtsgerichtsrat
am Arbeitsgericht Altona tätig. Aus „rassischen“ Gründen wurde er im
April 1933 zunächst beurlaubt, einige Monate später an das Landgericht
Dortmund versetzt und zum Juni 1934 aus dem Dienst entlassen. Danach
kehrte er mit seiner Familie nach Altona zurück. Wegen seiner Verbindung
zu der Gruppe „Weiße Rose Hamburg“ wurde er Ende 1943 verhaftet. Im KZ
Neuengamme wurde er am 23.4.1945 mit den letzten im Lager befindlichen
Häftlingen erhängt.
Geboren am
30.8.1890 in Hamburg. Er wurde im Februar 1921 zum Landrichter am
Landgericht Hamburg ernannt. Zuletzt gehörte er einer Zivilkammer an.
Zum 30.9.1933 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft
zwangspensioniert. Nach der Reichspogromnacht (9.11.1938) wurde er
verhaftet und bis Dezember 1938 im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert. Am
25.10.1941 wurde er mit seiner Ehefrau Else, geb. Perutz, nach Lodz
deportiert. Von dort sind sie am 15.5.1942 in das Vernichtungslager
Chelmo gebracht und ermordet worden.
Geboren am
19.9.1878 in Hamburg. Er wurde zum 1.1.1900 in Hamburg zum Landrichter
ernannt. Am 1.4.1923 zum Oberlandesgerichtsrat befördert, gehörte er dem
2. Zivilsenat an, der insbesondere für den gewerblichen Rechtsschutz
zuständig war. Zum 31.10.1933 wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft
vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Auf Grund einer Anzeige aus dem
Bekanntenkreis, dass er einen Pelzfuttermantel nicht abgeliefert habe,
wurde er am 9.2.1943 verhaftet und in das KZ Fuhlsbüttel verbracht. Hier
wurde er so schwer misshandelt, dass er am 27.3.1943 starb.
Geboren am
27.7.1891 in Essen. Er war seit November 1922 Landgerichtsrat in Altona.
Zum 30.6.1933 wurde er als Jude zwangsweise in den Ruhestand versetzt.
Anlässlich des Novemberpogroms am 9./10.11.1938 wurde er im KZ
Fuhlsbüttel inhaftiert. Am 25.10.1941 wurde er zusammen mit seiner
Ehefrau Rahel, geb. Cohn, nach Lodz deportiert. Dort sind sie am
20.6.1942 bzw. am 21.5.1944 umgekommen.
Geboren am
27.5.1880 in Hamburg. Am 1.4.1910 zum Amtsrichter ernannt, war er
zunächst am Amtsgericht Hamburg, seit November 1917 am Amtsgericht
Bergedorf tätig. Am 1.4.1925 wurde er zum Oberamtsrichter befördert. Zum
1.1.1926 wurde er zum Oberlandesgerichtsrat ernannt und dem Strafsenat
zugewiesen. Seit September 1927 war er außerdem stellvertretender
Vorsitzender des Landesarbeitsgerichts Hamburg. Zum 30.11.1933 erhielt
er Berufsverbot. Seit Dezember 1938 gehörte er dem Vorstand des
Jüdischen Religionsverbandes Hamburg an. Am 1.7.1942 wurde er im KZ
Fuhlsbüttel inhaftiert, weil die Gestapo ihn als Vorsitzenden der
jüdischen Krankenhausverwaltung dafür verantwortlich machte, dass das
Jüdische Krankenhaus von einem Gemüsehändler eine Kiste Blumenkohl
gekauft hatte. Zwei Wochen später wurde er in das KZ Theresienstadt
deportiert. Von dort wurde er am 23.10.1943 weiter nach Auschwitz
deportiert und hier ermordet.
Geboren am
8.7.1894 in Hamburg. Er wurde am 1.2.1922 zum Staatsanwalt ernannt. Der
Berufsverlust nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Hamburg
vollzog sich für ihn schrittweise: Mit Wirkung vom 27.3.1933 wurde er
bis auf weiteres beurlaubt, am 19.4.1933 in den einstweiligen Ruhestand
und mit Ablauf des 30.9.1933 in den endgültigen Ruhestand versetzt. Im
April 1934 ging er nach Italien, erlernte dort die italienische Sprache
und absolvierte ein Rechtsstudium an der Universität in Rom. 1935
bestand er dort das Doktorexamen und arbeitete danach als
wissenschaftlicher Mitarbeiter. Als er wegen der nun auch in Italien
einsetzenden Maßnahmen gegen Juden nicht mehr dort bleiben konnte,
kehrte er im Herbst 1938 nach Hamburg zurück. Am 25.10.1941 wurde er
nach Lodz deportiert, wo er am 29.8.1942 umkam.
Verfasser: Heiko Morisse |
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