Mit dem Wortspiel
"Schalom (Frieden) - Scharon" leitet Sever Plotzker einen Artikel in Jedioth
achronoth ein
Wir dachten, glaubten und hofften, dass wir von dort raus sind. Dass
wir raus sind und das Schlimmste hinter uns gelassen haben. Vor unserem
geistigen Auge sahen wir bereits, wie sich Israel hinter endgültigen Grenzen
zurückzieht, konvergiert.
Ein stärkeres Israel als jemals zuvor, blühend und umschwärmt wie noch
nie. Wir schauten ohne Trauer zurück. 60 Jahre Kriege, große und kleine,
hatten uns genügt.
Wir dachten, dass wir diesmal wirklich das Schild "Der Krieg ist vorbei"
an die Türe hängen können. Dass der letzte Krieg zu Ende ist. Wir hatten
vergessen, dass in unserer Region der "letzte Krieg" immer ein
vorübergehender Name ist. Der letzte ist vorbei, und der danach geht los.
Am Tag der Kämpfe, der Beerdigungen, war es aus mit den Illusionen. Die
Vergangenheit kehrte zurück. Wir kehrten in einen alten Kriegsfilm zurück,
der noch einmal gesendet wird. Sein Ende kennen wir alle. Nur, es ist kein
Film, es ist die Realität. Tote und noch mehr Tote. Verletzte und noch mehr
Verletzte.
Wie oft im Leben des Staates Israel haben wir schon den Flughafen von
Beirut bombardiert? Den Flughafen von Gaza, andere "Infrastrukturen" im
Libanon und Gaza.
Hundert mal? Tausend Mal?
Unzählige Mal zogen unsere Flugzeuge aus, um dem Libanon eine Lektion zu
erteilen, damit er "die Verantwortung für Südlibanon" übernimmt, "die
Hisbollah beseitigt". Aber er tat es nicht. Und er wird es wahrscheinlich
auch heute nicht tun.
Und auch der Frieden kommt nicht, obwohl wir ihm oft schon so nahe waren.
Zum Greifen nahe. Aber dann entfernt er sich wieder, lässt Tote, Verletzte,
Trümmer und vernichtete Hoffnungen zurück.
Verzweiflung. Und jedes Mal mehr Verzweiflung.
Und auf der Straße wird die Frage laut: Wo ist Sharon? Wo ist Sharon,
wenn man ihn braucht? Sharon, der die Routine hasste, das
Selbstverständliche, die instinktiven Reflexe. Die Büchse mit den fertigen
Reaktionen. Sharon, wie Ben-Gurion, Begin und Rabin vor ihm, durchbrach
Konventionen, durchbrach Gewohnheiten. Sie suchten kreative Lösungen, an die
zuvor niemand gedacht hatte.
Es kann sein, dass Scharon sich nicht damit abgefunden hätte zu sehen, wie
die PA sich in einen Hamas-Staat verwandelt, oder vielleicht hätte er gerade
mit der Hamas verhandelt und ein Abkommen erzielt. Vielleicht hätte er die
IDF in den Südlibanon geschickt, um die Arsenale der Hisbollah völlig zu
vernichten, oder vielleicht wäre er nach St. Petersburg gefahren, zum G-8
Gipfel, hätte auf den Tisch geklopft und eine internationale Intervention
gegen die Hisbollah gefordert.
Aus israelischer Sicht ist das ein Gipfel der Schwächlinge. Bush befindet
sich auf einem Tiefpunkt seiner Popularität, Blair ist in Skandale
verwickelt, Chirac ist aus der Führung seiner Partei verstoßen. Nur Putin
hat die Zügel fest in der Hand. Vielleicht hätte Sharon gerade bei ihm Hilfe
gesucht.
Wir wissen nicht, was Sharon getan hätte, aber bei ihm wären alle
Optionen offen. Er hätte nicht seine Macht und seine Glaubwürdigkeit unter
Beweis stellen müssen. Er war "Mister Macht", "Mister Glaubwürdigkeit".
In diesen schweren Tagen denke ich oft darüber nach, was in dem gequälten
Kopf Sharons wohl vorgehen mag. Wir dachten, glaubten und hofften, dass wir
von dort raus sind. Dass wir raus sind und das Schlimmste hinter uns
gelassen haben. Es zeigt sich nun, dass das nicht der Fall ist. Wir sind
nicht raus, und es kann sein, dass wir so lange nicht rauskommen, bis auch
unsere Kinder graue Haare haben. Hoffentlich irre ich mich.