Längst fälligen Militäroperation:
Tief durchatmen
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 18.07.2006
Übersetzung Daniela Marcus
Als der Angriff auf die Hisbollah begann, hatte man den
leisen Verdacht, es handle sich dabei um einen Egotrip von Olmert und
Peretz, organisiert von Dan Halutz. Zwei dieser drei Männer haben niemals in
ihrem Leben einen militärischen Feldzug geleitet. Und der dritte ist der
Generalstabschef, der darauf aus ist, der größte General in der Geschichte
des Staates Israel zu werden und in angemessener Zeit auch Premierminister.
Unser Verdacht stammt von unserer bitteren Erfahrung im Libanonkrieg mit
seinem 18 Jahre andauernden Blutvergießen und den Irreführungen. Doch auch
die aggressive Sprache dieser Staatsführer war ein Faktor –wenn nicht sogar
der Hauptfaktor-, der zu unserem Verdacht beitrug.
Basierend auf Äußerungen, die Olmert "hinter verschlossenen Türen" von sich
gab, berichtete die israelische Tageszeitung "Yedioth Ahronoth", Olmert habe
die Absicht, "die Hisbollah zu vernichten". Und die Bitten von Condoleezza
Rice, sich zurückzuhalten, trafen auf taube Ohren. "Wir werden sie
niedermachen", erklärte er, "und nichts wird uns zurückhalten."
Nach ihm war Peretz mit seinem "persönlichen Versprechen" an der Reihe.
Gemäß diesem würde "Nasrallah den Namen ‚Amir Peretz’ für den Rest seines
Lebens in Erinnerung behalten", nachdem er erledigt sei. Als Peretz von
einem Regierungstreffen kam, in dem der Plan genehmigt wurde, fügte er
sicherheitshalber eine weitere Prahlerei hinzu: "Lassen Sie mich Ihnen
sagen, dass sich hinter allem, was Sie über morgen früh zu hören bekommen,
mein Handeln verbirgt."
Mit drei Napoleons ist es kein Wunder, dass die Operation mit solch großen
Überschriften begann wie: "Nasrallah beginnt zu schwitzen", "Beirut brennt"
und "Hisbollahführer weiß, dass er darum bittet".
Der Bluff und das Theater des ersten Tages taten dieser längst fälligen
Militäroperation unrecht. Kein israelisches Staatsoberhaupt und keine
israelische Regierung wagte sie zu beginnen, entweder aus Angst, ständigen
Raketenbeschuss auf die Städte Israels im Norden auszulösen oder auf Grund
des alten Mythos, dass sich diejenigen, die eine Hand in den Libanon
strecken, die Finger verbrennen.
Diejenigen, die nostalgisch sagen, es sei zu schade, dass Ariel Scharon
nicht hier ist um die Regierung anzuführen, mögen mir erlauben, sie daran zu
erinnern, dass auch Scharon die Kassam-Raketen nach der Abkopplung vom
Gazastreifen nicht stoppen konnte. Und die Tatsache, dass er die Hisbollah
nicht mal mit einem 100 Meter langen Stock angerührt hätte, muss gar nicht
erst erwähnt werden.
Wir sollten der Hisbollah dankbar sein, dass sie uns dieses "Fenster der
Gelegenheit" geöffnet hat, um eine Offensive zu beginnen, die die Regeln des
Spiels ändern wird und die "Ausgewogenheit der Angst", die von der
bedrohlichen Präsenz der Hisbollah entlang der nördlichen Grenze geschaffen
wurde, zerbrechen wird. Alle israelischen Regierungen hatten sich mit dem
extra-territorialen Stand der Hisbollah abgefunden. Diese war beinahe ein
Staat innerhalb eines Staates, unterstützt und inszeniert vom Iran, der
fortfuhr, sie mit Waffen und militärischen Unterweisern zu beliefern.
Trotz Israels Rückzug zur internationalen Grenze in voller Kooperation mit
den Vereinten Nationen, hat die Hisbollah ihre Angriffe auf Israel
fortgeführt. Tag für Tag war Israel Ziel von Überfällen, Hinterhalten und
Entführungen. Die Hisbollah, die kaum einen Meter von uns entfernt war,
beobachtete uns mit dem Finger am Abzug.
Wir müssen auch von der Menge der Waffen, die von der Hisbollah herbei
geschafft wurden, alarmiert sein. Der Vorrat beinhaltet Langstreckenraketen,
Lenkflugkörper, Drohnen und andere Waffenarten, von denen wir nichts wissen
bis zu dem Tag, da sie eingesetzt werden. Es kommt nicht überraschend, dass
das Heimatfrontkommando sich darauf vorbereitet, Warnungen an die Bürger Tel
Avivs und selbst an Bürger in Distrikten, die südlich davon liegen,
auszusprechen. In Haifa wurden die Raketenabwehrsysteme "Patriot" aufgebaut,
um alle syrischen und iranischen Langstreckenraketen, die die Hisbollah
besitzen mag, abwehren zu können. Die Hisbollah hat mehr Fähigkeiten
–inklusive Geheimdienstfähigkeiten- als irgendjemand dachte. Sie hat
gezeigt, dass sie Durchhaltevermögen besitzt und dass sie fähig ist,
Spielchen mit Israel zu spielen und mehrere Schritte voraus zu schauen.
Wenn wir einen Begriff benutzen wollen, der Scharon gefiel, könnten wir
sagen, dass wir hier einen der gerechtesten Kriege Israels vor uns haben.
Mit dem ganzen Vorrat, den die Hisbollah angesammelt hat, ist es klar, dass
sie sich auf einen umfangreichen Angriff auf Nordisrael irgendwann in der
Zukunft vorbereitete. Obwohl die israelische Armee mit einem großen Angriff
gegen die Raketenabschussrampen der Hisbollah begann und einige von ihnen
und außerdem Befehlsposten zerstörte, werden weiterhin täglich Hunderte von
Raketen auf Israel gefeuert. Angesichts dessen sind wir außerdem nicht
sicher, welche Waffen die Hisbollah noch haben mag und welcher Schaden für
unsere strategischen Stellen entstehen kann.
Man kann nur hoffen, dass Israel nicht versucht wird, an irgendeinem Punkt
Bodentruppen in den Libanon zu senden, um sich in einem Gebiet, in dem die
Hisbollah mit allen Ecken und Winkeln vertraut ist, in einen Kampf
verwickeln zu lassen. Wir befanden uns schon einmal in diesem Durcheinander,
und es endete schrecklich.
Die Zeitbombe, die auch als Hisbollah bekannt ist und an unserer Grenze
sitzt, zu neutralisieren, kann nicht ohne internationale Beteiligung oder
Vermittlung getan werden. Damit dies geschehen kann, muss die ramponierte
Heimatfront tief durchatmen, und Israel muss seinen militärischen Druck
aufrechterhalten bis die Bedingungen reif sind, um die tickende Bombe für
immer zu entschärfen.
hagalil.com 19-07-2006 |