Die Bundesregierung plant in Zusammenarbeit mit den jüdischen
Gemeinden, die Zahl der jüdischen Immigranten aus der ehemaligen UdSSR nach
Deutschland einzuschränken, dies mit Hilfe eines besonderen Punktesystems.
Der "Spiegel" meldete gestern, dieses System werde schon diesen Monat für
eine einjährige Probezeit in Kraft treten.
Die jüdische Gemeinde in Deutschland entwickelte sich nach dem 2.
Weltkrieg nur langsam, und bis zum Fall der Berliner Mauer vor 17 Jahren
zählte sie ca. 30.000 Mitglieder. Der Großteil der Juden waren
Holocaustüberlebende, die nach dem Krieg in Deutschland geblieben oder nach
Deutschland gekommen sind, und mit den Jahren schlossen sich ihnen auch noch
"Jeckes" an, die nach Deutschland zurückkehrten, wie auch andere Abwanderer
aus Israel.
Die große Veränderung in der Struktur der Gemeinde trat seit 1990 ein, nach
der deutschen Einigung. Die Regierung von Bundeskanzler Kohl beschloss, die
Tore Deutschlands für Einwanderer aus dem Ostblock zu öffnen, die ihre
deutsche Abstammung beweisen konnten, wie auch für Juden aus diesen Ländern.
Die israelische Regierung machte aus ihren Vorbehalten gegen die deutsche
Politik keinen Hehl, in deren Rahmen die jüdischen Einwanderer großzügige
Zuwendungen erhielten, die oftmals der Grund waren, dass die Juden aus der
GUS es vorzogen, nach Deutschland auszuwandern, anstatt nach Israel.
Dank dieser Politik wurde die Gemeinde schnell größer, und heute zählt
sie ca. 218.000 Mitglieder, was sie zur drittgrößten Gemeinde Europas
machte. Die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinden sagen jedoch schon seit
einigen Jahren, dass sich unter den Immigranten auch sehr viele Nicht-Juden
befinden, die sich als Juden ausgaben, um in den Genuss der großzügigen
Zuwendungen der deutschen Regierung zu kommen.
"Der Spiegel" meldete, die Innenminister der 16 Bundesländer hätten am
vergangenen Wochenende ein neues Punktesystem übernommen, das eine
Mindestzahl von 50 von insgesamt 105 möglichen Punkten festlegt. Die
Beherrschung der deutschen Sprache verleiht z.B. 25 Punkte, Kandidaten bis
zum Alter von 45 Jahren erhalten 15 Punkte, ein akademischer Titel ist 20
Punkte wert und Erfahrung in einem gefragten Berufszweig ebenfalls 20
Punkte. Auch die Fähigkeit der Immigranten, sich in die jüdische Gemeinde
einzugliedern, wird in Betracht gezogen.
Ein Sprecher des deutschen Innenministeriums betonte, Holocaustüberlebende
seien von dem neuen Punktesystem nicht betroffen. "Das ist ein sehr
empfindliches Thema", sagt der Innenminister. "Die Einwanderung stärkt die
jüdischen Gemeinden, und angesichts der deutschen Geschichte ist das ein
Geschenk des Schicksals." Auch die Führung des Zentralrats der Juden in
Deutschland betonte die Problematik einer Selektion der Einwanderung,
unterstützte das neue System jedoch. Übrigens sind im Vorjahr zum ersten Mal
seit drei Jahren mehr Juden nach Israel als nach Deutschland ausgewandert,
unter anderem wegen bereits vorgenommener Verschärfungen der Kriterien.
"Die Einwanderungsgesetze für Juden aus der GUS wurden nach Tätigkeiten
verändert, die die Jewish Agency in Zusammenarbeit mit der jüdischen
Gemeinde in Deutschland anführte, und das Ergebnis ist, dass weitaus Weniger
juden nach Deutschland kommen", sagt der Leiter der Jewish Agency in
Westeuropa, Tomer Orni, der hinzufügte, er hoffe, die Kandidaten, die
abgewiesen werden, nach Israel bringen zu können.
Wohin sind die Juden aus der GUS emigriert?