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Haifa unter Beschuss:
Eine Großstadt im Raketenhagel

Von Ulrich W. Sahm, Haifa, 16. Juli 2006

Die Stadt Haifa mit ihrem Hafen, dem traumhaften Bahai-Tempel und dem Carmelberg mit Blick bis zum Land der Zedern erwachte zu einem neuen Tag der Ungewissheit. Die Behörden hatten zu "erhöhter Aufmerksamkeit" aufgerufen. Aber anders als in nördlichen Städten in Reichweite der 122mm Katjuscharaketen war "normales Leben" angesagt: Zwar kein Flanieren in der Fußgängerzone, aber jeder sollte zur Arbeit erscheinen.

Der Verkehr war dünn, während sonst am Sonntag, in Israel der erste Arbeitstag in der Woche, am "Checkpost" kilometerlange Staus entstehen. Arbeiter fuhren zu den Raffinerien und chemischen Fabriken in der Bucht von Akko. Auch Rafi Chasan, 30, und Shlomi Mansura, 32, aus Naharija erschienen pünktlich zur Arbeit in der Eisenbahn-Reparaturwerkstatt. Die aus Deutschland importierten roten Doppeldecker-Vorortzüge und blauweiß gestrichene Waggons aus Aluminium werden hier instand gesetzt. Gelegentlich schauen hier auch deutsche Ingenieure vorbei.

Es war genau 9:45 Uhr. Der arabische Fernsehsender Al Dschesira hatte rein zufällig seinen Reporter auf ein Dach bei Haifa aufgestellt. Plötzlich überschlugen sich die Ereignisse. Sirenen heulten auf. Hinter dem Reporter stiegen Rauchwolken auf. Sekunden später waren Explosionen zu hören. Eine Rad-3 Rakete durchschlug das Asbestdach über dem Hangar und krachte auf die Bahnsteige in der Werkstadt. Acht Männer, darunter Chasan und Mansura waren auf der Stelle tot. Der Reporter wurde von der Polizei festgenommen und verhört, weil er im Verdacht stand, der Hisbollah per live-Fernsehen "Schützenhilfe" geleistet haben. Wenig später war er wieder frei. In Israel gab es große Aufregung wegen der "Unverantwortlichkeit" der Zensur, solche live-Bilder von Zielgebieten zuzulassen.

Chaos brach aus, weil die Ambulanzen nicht durchkamen. Denn Autofahrer hatten nach dem Einschlag von Raketen auf den Schnellstraßen fluchtartig ihre Autos verlassen und sich in Sicherheit gebracht. Die herrenlose Fahrzeuge versperrten nun die Durchfahrt. Per Radio und Fernsehen wurden die geflohenen Fahrzeugbesitzer aufgerufen, dringend ihre Autos zu räumen.

"Erst dachte ich, dass Kampfflugzeuge die Schallmauer durchbrochen hätten. Dann schaute ich aus dem Fenster und sah 500 Meter von meinem Haus entfernt eine Rauchwolke aufsteigen. Ich habe genug davon. Mir ist das hier zu gefährlich mit meinen zwei kleinen Kindern", sagt Michael Schwennen von der "Bildungsstätte Dialog". Der deutsche Doktorand will nach Jerusalem kommen, bis der Sturm vorüber ist. "Heute Mittag hatten wir in unserem Haus den Bunker geöffnet und uns hineingesetzt, als die Sirenen heulten. Aber nach fünf Minuten, nachdem wir keine Explosionen gehört hatten, sind wir wieder hinauf in die Wohnung." Schwennen erzählt: "Die Straßen sind so leer wie beim Versöhnungsfest (Jom Kippur): Keine Menschenseele und kaum Autos."

Orna M. ruft besorgt aus Deutschland an. "Meine Tochter lernt Hebräisch an der Universität in Haifa. Was soll ich machen. Die Universität verbietet den Studenten, ihre Wohnheime zu verlassen. Sie nicht einmal raus aus Haifa." Die Flucht aus Haifa ist nur noch mit dem eigenen Wagen möglich. Aus "Sicherheitsgründen" wurde der Bahnverkehr nach Haifa, Akko und Naharija eingestellt. Bei Benjamina, südlich von Haifa ist jetzt Endstation.

In dem Hangar mit einem großen Loch im Dach und verbogenen Stahlträgern bot sich das übliche Bild nach Terroranschlägen, wie sie die gemischt arabisch-jüdische Hafenstadt während der Intifada zur Genüge durchgemacht hat. Palästinenser sprengten sich in Restaurants und in Bussen, um das feine Gefüge von friedlich nebeneinander lebenden Juden und Arabern zu zerstören. "Zum Glück ist Haifa für keine Religion eine heilige Stadt. Vielleicht deshalb können in meiner Stadt die Menschen ohne Vorbehalte aufeinander zugehen und als Nachbarn zurecht kommen", hatte der linksgerichtete Bürgermeister Jona Jahav vor dem Weihnachtsfest gesagt, gemeinsam auf der Straße Ramadan, Weihnachten und Hanukka mit einem große Basar gefeiert wurde.

Doch am Sonntag Morgen machten wieder die frommen Volontäre von Zaka (Hebräisches Akronym für "Identifizierung von Katastrophenopfern") ihre grausame gottesfürchtige Arbeit. Mit Gummihandschuhen und Spachteln bewaffnet, sammelten sie die umhergeflogenen Leichenreste ein. Zwei Männer mit Bart, Seitenlöckchen und gelben Jacken trugen einen weißen Sack fort, aus dem zwei Beine mit Arbeitsstiefeln hervorlugten. Feuerwerker und Experten in weißen Plastiküberzügen sammelten Metallstückchen ein, die zur explodierten Raketen gehörten. "Diese Kugeln beweisen mir, dass es sich um syrische Waffen handelt", sagte Verkehrsminister Schaul Mofaz. Er sollte sich auskennen, denn er war Generalstabschef und unter Ariel Scharon der Verteidigungsminister. Doch seine Entdeckung war jetzt auch eine bewusste politische Aussage.

"Warum schlagen die eigentlich nur auf die Hisbollah ein. Alle Welt weiß doch, dass die nur der verlängerte Arm des Iran ist und ohne syrische Hilfe weder Waffen noch Geld hätte", sagte am Samstag Miriam aus Naharija. Sie war Zeugin, wie ihre aus Argentinien stammende Nachbarin auf der Terrasse sitzend ihren Kaffee getrunken hatte und dabei von einer Katjuscharakete getroffen und auf der Stelle getötet worden war. "Lasst die Armee endlich siegen. Wir stehen voll hinter der Regierung und unseren Jungs, die da brav kämpfen", stimmt ihr Mann zu. Auch Jossi Beilin, Erfinder der "Genfer Friedensinitative", wohl die gemäßigteste Taube unter Israels Linken und Chef der Meretz Partei sagte: "Was nützt es, Libanon zu zerstören, solange wir den Syrern nicht den Arm abschlagen?" Die Menschen im Norden Israels sind verzweifelt und hoffnungsvoll zugleich. Auf Weisung der Armee wurden alle Urlaubsbetriebe, Touristenattraktionen und Fabriken geschlossen. "Jetzt erleben wir Mitgefühl. Aber wenn alles vorbei ist, werden wir auf unseren Millionenverlusten sitzen bleiben", klagt aus Erfahrung der Betreiber der Seilbahn bei Nakura.

Kirjat Schmone gleicht einer Geisterstadt. Mit ihren Kindern reisten die Familien in den sicheren Süden. Sogar Tiberias, im Jahr 17 von Herodes Antipas gegründet und benannt nach dem römischen Kaiser Tiberius, leerte sich am Samstag, als sogar dort Katjuschas explodiert waren. Niemand bleibt verschont in der toskanischen Landschaft des biblischen Galiläa. "Ich schaue aus dem Fenster und sehe Rauch auf dem Berg Meron aufsteigen", erzählt der 80 Jahre alte Christ und ehemaliger Bürgermeister Zaka Joubran aus Jisch (Gusch Halav). Wenig später explodierten auch in diesem arabisch-christlichen Dorf Katjuschas. Am Samstag beschoss die Hisbollah den Norden Israels ohne jedes erkenntliche Konzept. Kibbuzim wurden ebenso getroffen wie muslimische und christliche Dörfer. Sogar Kinia, ein drusisches Dorf auf den besetzten Golanhöhen erlebte die Explosion einer Rakete aus Libanon. Die Drusen auf den Golanhöhen sind syrische Bürger! Und die Katjuscharakete auf Merom Hagolan hätte, schlecht gezielt, genauso gut in Syrien landen können. Die Waffenstillstandslinie liegt nur wenige Hundert Meter entfernt von dem Kibbuz.

Nachdem Haifa nun schon mehrere Raketenangriffe erlitten hatte, wurden Notstandspläne aus den Schubladen geholt. Giftige Stoffe wurden aus dem Industriegebiet abgeholt und gen Süden transportiert, um eine Umweltkatastrophe unermesslichen Ausmaßes zu verhindern. Alle Schiffe im größten Hafen Israels legten ab und fuhren hinaus aufs Meer. Fabriken und Geschäfte schlossen eilig ihre Tore. "Wären die Arbeiter nicht zur Reparaturwerkstatt der Bahn gekommen, hätte es heute nicht auf einen Schlag acht Tote gegeben", sagte vorwurfsvoll ein Militärreporter.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

hagalil.com 17-07-2006

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