Tote und Verletzte:
Raketen auf Haifa Von Ulrich
W. Sahm, Jerusalem, 23. Juli 2006 Der Abriss
einer baufälligen Straßenbrücke ist in normalen Zeiten kein Thema für einen
Zeitungsbericht. Doch der Beschluss der Stadtverwaltung von Haifa,
ausgerechnet jetzt die Paz-Brücke über einer der Hauptverkehrsadern der
Hafenstadt zu demontieren, löst helle Aufregung aus.
Ein Busfahrer, Nissim, erzählt aufgeregt im Rundfunk: "Unglaublich,
geradeaus können wir nicht fahren, weil die Polizei die Straße gesperrt hat,
wegen der Brücke. Nach rechts stehen die Ampeln auf rot und wir sitzen im
Stau fest." Helle Angst klingt aus seiner Stimme heraus. Denn Haifa war
genau zu der Zeit wieder Ziel von Raketensalven. 13 Raketen trafen allein
die Hafenstadt Haifa, in der fast 300.000 Menschen leben.
Die Katjuschas aus Libanon trafen eine Fabrik: ein Toter. Sie trafen eine
"strategische Stelle": nur Sachschaden. Und eine Rakete krachte tatsächlich
in einen Stau mitten in Haifa: ein Autofahrer wurde in seinem Fahrzeug
tödlich getroffen. Es werden zahlreiche Verletzte gemeldet, darunter einige
schwer. Die Windschutzscheibe des getroffenen Autos sieht aus, als habe
jemand mit einem Maschinengewehr hineingeschossen. Es sind die Metallkugeln
aus dem Gefechtskopf einer Raed Rakete, wie sie Syrien der Hisbollah
bereitstellt.
Verteidigungsminister Amir Peretz erklärte während der wöchentlichen
Kabinettssitzung, dass die Hisbollah bisher 2200 Raketen auf den Norden
Israels und auf das Grenzgebiet zum Libanon abgeschossen habe. "Die
Hisbollah ist die einzige Terrororganisation der Welt, die über
Boden-Boden-Raketen verfügt, mit 100 Millionen Dollar von Iran finanziert
und mit Ausbildern aus Iran aufgestellt", wurde Peretz zitiert. Es wird
geschätzt, dass die Hisbollah über 12.000 Raketen mit unterschiedlicher
Reichweite verfüge. Niemand weiß genau, wie viele Raketen und Abschussrampen
der Hisbollah durch israelische Luftangriffe zerstört werden konnten. Die
Israelis nennen keine Zahlen mehr, sondern reden nur noch von "empfindlichen
Schlägen", während die Hisbollah nicht einmal ihre eigenen Verluste bekannt
gibt. Nach israelischen Angaben seien über hundert Hisbollahkämpfer und
Befehlshaber allein in den letzten Tagen bei sehr schweren Kämpfen um das
Dorf Maroun el Ras ums Leben gekommen, was aber die Hisbollah nicht
eingesteht.
Im Rundfunk wurden nach dem Treffer auf Autofahrer im Stau genaue
Anweisungen gegeben, wie man sich als Autofahrer in Haifa verhalten sollte.
Es sollte der kürzeste Weg ausgewählt werden. Man sollte mit offenem Fenster
und ohne lautes Radio fahren, um die Alarmsirenen zu hören. Es ist
angeraten, langsam zu fahren, um im Fall eines Raketenangriffs sofort
anhalten zu können, herausspringen und Schutz in einem Hauseingang zu
suchen. Während der Fahrt sollte man ständig die nächsten Häuser im Blick
haben, bei denen man im Notfall Unterschlupf finden könnte. Die Erfahrung
lehrt, dass zwischen der Sirene und dem Einschlag der Rakete etwa eine
Minute Zeit ist, sich in Sicherheit zu bringen. |