Deutsche werden ausgeflogen:
Der Exodus aus Libanon
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 17. Juli 2006
"Die deutsche Botschaft hat für uns alles schön ausgerichtet", sagt die
junge Frau libanesischer Herkunft, aber mit deutschem Pass. "Wir werden
jetzt erst nach Syrien fahren und von dort nach Deutschland", sagte sie.
Busse mit großen aufgeklebten deutschen Flaggen stehen schon in Beirut
bereit, die beschwerliche Reise durch die Berge nach Damaskus zu nehmen.
Denn die wunderbar ausgebaute direkte Autobahn über Sahle und Baalbeck
zur syrischen Grenze gibt es nicht mehr. Alle Talbrücken und Teile der
Straße sind von israelischen Bomben gründlich zerstört worden. "Der
Hisbollah soll der Nachschub aus Syrien abgeschnitten werden", sagte der
israelische Verteidigungsminister schon zu Beginn dieses sechstägigen
Krieges. Zunächst verlautet, dass der Hisbollah der Weg abgeschnitten werden
sollte, die beiden entführten israelischen Soldaten ins Ausland zubringen.
Das war die erste offizielle Begründung für die Blockade des Libanon, zur
See, zur Luft und zu Lande.
Tatsache aber ist, dass selbst nach der Zerstörung der Landebahnen de
Flughafens von Beirut mit tiefen Kratern einige Maschinen der libanesischen
Fluggesellschaft MEA nach Amman entkommen konnten. Nach Absprache mit den
israelischen Militärs konnten zwei britische Kriegsschiffe und von
Frankreich gecharterte griechische Fähren im Hafen von Beirut anlegen, um
Ausländer nach Zypern zu schippern. Und ohnehin lassen sich nicht mehrere
hundert Kilometer Grenze zu Syrien hermetisch absperren. Neben der Autobahn
gibt es noch genügend Schleich- und Feldwege. "Von Damaskus nach Beirut
kostet die Taxifahrt 50 Euro, in die umgekehrte Richtung allerdings 250
Euro", berichtet eine nach Beirut gereiste Reporterin.
"Wir wissen nichts von den Absprachen. Das machen die ausländischen
Militärattachés auf dem kurzen Dienstweg per Telefon", sagte ein Sprecher
des Außenministeriums in Jerusalem. Der israelische Militärsprecher
bestätigt nur, dass es mit den Amerikanern Absprachen gebe. "Alles weitere
ist geheim." Die Amerikaner landeten mit zwei Hubschraubern in ihrem
Botschaftsgelände in Beirut, um die Evakuierung von 25.000 Menschen mit
amerikanischen Pässen zu organisieren. Frankreich, Schweden, Russland, aber
auch China und Thailand organisieren die Ausreise ihrer Landsleute, während
israelische Kampfflugzeuge weiterhin in Beirut, neuerdings sogar im
christlichen Ostbeirut nahe dem Präsidentenpalast in Baabde bombardieren.
Etwa 200 Deutsche haben sich angeblich auf eigene Faust nach Syrien
durchgeschlagen. "Die Straßen sind alle passierbar, auch wenn es
stellenweise etwas holprig ist", sagte ein Deutscher, der sich innerhalb von
drei Stunden von Tyros nach Beirut "durchgekämpft" hat. In Friedenszeiten
ist die Fahrt in weniger als einer Stunde zu schaffen. Ein Problem: alle
Tankstellen auf der Strecke sind ausgebrannt.
Bei der deutschen Botschaft stehen 450 Deutsche bereit, mit wenig Gepäck und
Babys in der Kindertrage, um die Busse zu besteigen. "Uns ist das hier etwas
zu unsicher geworden. Wir fahren lieber heim und warten ab, wie sich das
hier entwickelt", sagt eine schüchterne junge Frau. "Wir sind als Touristen
in dieses wunderschöne Land gekommen. Es war wohl die falsche Zeit, um hier
zu sein", ruft eine Frau aus dem Busfenster hinaus. Und ein junger Mann
bedauert, nicht einmal die Zeit gehabt zu haben, sich bei seinen
libanesischen Freunden verabschiedet zu haben.
Israel hat zwar beim Dorf Marwachen zwei Fahrzeuge mit libanesischen
Flüchtlingen angegriffen und zwölf Menschen getötet, aber die Konvois der
westlichen Botschaften wurden bisher nicht angegriffen. "Die Israelis sind
informiert", sagte ein Diplomat zur Beruhigung.
Doch der fremde Pass bietet keinen Schutz, wenn man sich zum falschen
Zeitpunkt am falschen Ort befindet. Das gilt insbesondere für die sieben
Millionen Brasilianer oder 250.000 Kanadier libanesischen Ursprungs. Im
Sommer fahren sie gern heim zu ihren Verwandten. So kamen drei Angehörige
einer Familie aus Mönchengladbach im südlibanesischen Dorf Schechour ums
Leben. Mehrere Brasilianer starben bei einem anderen israelischen
Luftangriff und sieben Kanadier.
Froh, wieder in Sicherheit zu sein, waren Franzosen bei ihrer Ankunft in
Damaskus aber auch traurig: "Die Israelis zerstören das ganze Land. Es ist
schrecklich."
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