Die neue Bücherverbrennung:
Das Tagebuch der Anne Frank
Von
Heide Kramer, Hannover, Juli 2006
Am 2. Juli 2006 berichtete die
"Magdeburger Volksstimme" in einem
Artikel, dass der Verein "Heimatbund Ostelbien" in Pretzien (Landkreis
Schönebeck in Sachsen-Anhalt) am 24. Juni ein Sommersonnwendfest
veranstaltet hat. Während dieser öffentlichen Tanzveranstaltung im
Gemeindezentrum des Ortes verbrannten offensichtlich rechtsgerichtete junge
Männer während einer Feuerzeremonie vor ca. 80 Besuchern eine USA-Fahne und
ein Exemplar des Tagebuches von Anne Frank. Nach Zeugenaussagen wurde das
Tagebuch zuvor als "Fußball" missbraucht. Das Ordnungsamt Schönebeck brach
daraufhin die Feier ab.
Thomas Heppener, der Direktor des Anne-Frank-Zentrums in Berlin schaltete
die Staatsanwaltschaft Magdeburg ein. Ferner nahm er Kontakte mit der
Verwaltungsgemeinschaft Schönebeck auf, um gemeinsame Schritte für die
Arbeit gegen Rechtsextremismus zu überlegen.
Die Polizei und die Magdeburger Staatsanwaltschaft ermittelten mehrere
Tatverdächtige in Pretzien, die an der Verbrennung des Tagebuches beteiligt
gewesen sein sollen. Wie die Staatsanwaltschaft bekannt gab, werde bereits
gegen die Männer im jugendlichen Erwachsenenalter wegen Volksverhetzung
vorgegangen. Zwei der Täter gehören dem Verein "Heimat Bund Ostelbien" an.
Sie alle seien strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Der
Verein "Heimatbund Ostelbien" hat sich sofort aufgelöst.
Hierzu sei auszugsweise ein Wortlaut aus "'antifa'-Beilage, Magazin für
antifaschistische Politik und Kultur der VVN-BdA" vom Juli/August 2006
zitiert:
"Die NPD hat keinen Anspruch auf
Legalität. Das Grundgesetz ist nach Geist und Buchstaben eine
antifaschistische Verfassung. Es wurde als ein Gegenentwurf zum nazistischen
Verbrecherstaat geschaffen. Politisch, historisch und moralisch ist
Faschismus keine Meinung unter vielen, sondern ein politisches Verbrechen.
Die NPD ist die gefährlichste neofaschistische Organisation. Ihre Führung
hat ein Bündnis mit gewaltbereiten Gruppen, den sogenannten Kameradschaften,
geschlossen. Die soziale und wirtschaftliche Gesellschaft wirkt dabei
fördernd."
Ein zusätzliches Vergehen ist die
Vereinnahmung bzw. Gewinnung junger (anfälliger) Menschen für diese
Organisation, die nachweislich mit entsprechendem kriminellen Handlungsdruck
von Seiten der Führenden verbunden ist. Anne Frank ist durch ihr Tagebuch
zum Symbol für alle Opfer der faschistischen Gräueltaten geworden. Die
Verbrennung ihres Tagebuches während der Sonnwendfeier in Pretzien ist daher
uneingeschränkt als eine kriminelle (antisemitische) Aktivität zu bezeichnen
und sollte endlich ein konkreter Anlauf für ein Verbotsverfahren der NPD
sein.
Die Gemeinde Pretzien äußerte sich zu
den Vorgängen auf ihrer Internetseite:
"Pretzien ist nicht braun, sondern bunt.
Wir distanzieren uns von den menschenverachtenden Vorgängen am Abend des
24.06.2006 und verurteilen sie auf das Schärfste.
An dieser Stelle entschuldigen wir uns beim jüdischen und beim
amerikanischen Volk für diese schrecklichen Taten.
Wir erachten es als zwingend notwendig, gegen die Ursachen für dieses
Verhalten vorzugehen.
Die Menschen unseres Dorfes werden sich dafür sensibilisieren, die
Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in unserem Ort zu suchen."
hagalil.com 10-07-2006 |