Bremen:
Neonazis verlassen ihr Versteck
Die Rechtsextremisten-Szene
in Bremen ändert ihre Strategie: Raus aus den Hinterzimmern, rein in
die Öffentlichkeit. Die NPD verteilt CDs und kündigt Demonstrationen
und Kundgebungen an.
Von Andreas Speit
Die Bremer Neonazi-Szene ändert ihre Strategie.
Wirkte sie in der Vergangenheit eher im Verborgenen oder war "fast
nur jenseits der Landesgrenze aktiv", wie es der Chef des Bremer
Verfassungsschutzes, Walter Wilhelm, jüngst behauptet hat, treten
Neonazis jetzt verstärkt auch öffentlich in Erscheinung. Statt in
Hinterzimmern treffen sie sich auf einem Platz vor der Kneipe
"Bell's" an der Discomeile, nach Aussage eines Augenzeugen "schon
lange".
Außerdem glaubt die NPD, bei der nächsten
Bundestagswahl ihren Stimmenanteil in der Hansestadt verdreifachen
zu können und kündigte deshalb auf ihrem Landesparteitag vor zwei
Wochen eine "verstärkte Öffentlichkeitsarbeit an. So beschloss der
Vorstand, gemeinsam mit nicht in Parteien organisierten Neonazis in
"Bremerhaven eine Kundgebung" und in "Bremen eine Demonstration"
durchzuführen. Bei der Bürgerschaftswahl im nächsten Jahr will die
NPD allerdings nicht antreten, sondern die DVU erneut unterstützen.
Einen Vorgeschmack auf den NPD-Wahlkampf bekamen in den letzten
Tagen Anwohner in Schwachhausen, die in ihrer Post eine CD der
rechtsextremen Partei fanden, betitelt "Hier kommt der Schrecken
aller linken Spießer und Pauker!"
Die Strategie scheint aufzugehen: Die Strukturen wachsen und die
Aktivisten werden selbstsicherer. Der NPD-Verband vermeldet, weiter
neue Mitglieder zu gewinnen, am 29. März gründete die Partei in
Bremen ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten". Bei
Veranstaltungen mit bekannten Neonazis wie Manfred Börm kämen über
60 Besucher, brüstet sich die Partei.
Zu den NPD-Events geht auch die "Kameradschaft Bremen". Der Kern der
Gruppe soll zehn Personen umfassen. Marie Pitsch vom Bremer
"Antifa-Net" erklärt, dass in der Region weitere so genannte "Freie
Kameradschaften" in Bremen-Nord/Schwanewede, Bremerhaven, Weyhe und
Archim agieren. Beim in Bremen ansässigen Versand "Heimdall-Shop"
von NPDler Lutz Henze kann die Szene ihre Rechtsrock-CDs und
Szenebekleidung beziehen. Im Angebot selbstverständlich "Kategorie C
- Hungrige Wölfe". Der Sänger der Band, Hannes Ostendorf, kommt wie
sein Bruder Henrik, der bei der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme"
arbeitet, aus der rechten Hooligan-Szene. "Mancher Neonazinachwuchs
kommt aus dieser Fanszene", sagt Pitsch.
"Diese Zusammenarbeit haben wir beobachtet", bestätigt Markus Beyer,
Pressesprecher des Innensenators. Auch das die NPD und Freien
Kameradschaften Zulauf haben. Beyer betont aber: "Bei diesen
Kameradschaften muss die politische Intention vorsichtig bewertet
werden". Sprich: Nur weil ein paar Männer sich einen wohlklingenden
Namen geben, ist noch nicht gesagt, dass sie mehr unternehmen als
gemeinsam Musik zu hören.
Einen Widerspruch zu der Aussage von Innensenator Thomas Röwekamp,
die rechtsextremen Gruppierungen verlören an Mitgliedern, sieht
Beyer nicht. Der Rückgang ergebe sich beispielsweise durch den
Mitgliederschwund bei der DVU. Trends ließen sich in der Hansestadt
nur schwer festmachen. Dafür sei die Szene dann insgesamt doch zu
klein. Abdruck mit
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05-07-2006 |