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Bayerntag:
Papa, Mama, Nazibub

Rechtsextremisten feiern fröhliche Familienfeste. Sie wollen nicht mehr nur um jugendliche Schläger werben.

Von Jan Langehein
Jungle World 27 v. 05.07.2006

Die Sonne schien, aus dem Regensburger Parkgelände "Rockzipfel" ertönte Musik. Liedermacher klampften und sangen, Kinder tobten auf einer Hüpfburg, die Erwachsenen vergnügten sich bei Bratwurst und Bier, bei Kaffee und Kuchen.

Was nach einem beliebigen Sommerfest klingt, wie es überall im Land und von allen möglichen Organisationen hätte ausgerichtet werden können, war eine hoch politische und höchst umstrittene Veranstaltung: der "Bayerntag" der NPD Mitte Juni, organisiert vom dortigen Landesverband und besucht von gut 600 Parteimitgliedern und Sympathisanten aus dem ganzen Bundesgebiet. Bei den Musi­­kanten handelte es sich ausschließlich um rechts­extreme Propagandacombos, an den Infoständen brachte die NPD ihre Programmatik unters interessierte Volk.

Auf der Rednerliste fanden sich prominente Parteifunktionäre wie der Vorsitzende Udo Voigt und ein Mitglied des Bundesvorstands, Sascha Roßmüller. Zu später Stunde, als die Kinder bereits im Bett waren, taten Bands wie "Hauptkampflinie" und "Bur­ning Hate" ihre Weltanschauung kund. In ihren Lie­dern riefen sie zur Hatz auf Migranten und zum Mord an Juden auf.

Ein großes Polizeiaufgebot schirmte das Festgelände von den rund 1 000 linken und bürgerlichen Gegendemonstranten ab, die sich zuvor für ein Ver­bot der Veranstaltung eingesetzt hatten. Dazu war Regensburgs Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) aber nicht zu bewegen, obwohl sich unter an­derem die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, und Münchens Oberbürgermeister, Christian Ude (SPD), für eine Absage eingesetzt hatten. Unter Berufung auf die Meinungsfreiheit ließ Schaidinger die NPD feiern.

Der "Bayerntag" ist wie auch das alljährliche Pressefest der NPD-Zeitung "Deutsche Stimme" eine Institution, die Schule gemacht hat. Längst haben zumindest die gut organisierten Parteiverbände das "Familienfest" für sich entdeckt. Es stellt eine Form von Anhängerwerbung dar, die sich deut­lich von der unterscheidet, welche die Neo­nazis bisher überwiegend praktizierten. Denn obwohl auf solchen Festen häufig die gleichen Bands spielen und die gleichen Parolen verbreitet werden wie auf den so genannten Rechtsrockkonzerten, sprechen sie eine völlig andere Klientel an.

Zudem wird ein völlig anderes Image verbreitet. Während die Konzerte in der Öffentlichkeit für das hässliche Bild vom betrunkenen, Parolen grölenden Stiefelnazi stehen, der sich fürs Pogrom heiß macht, kann sich die NPD auf Familienfesten von ihrer biederen Seite präsentieren. Rechtsextreme Ideologie wird hier nicht vorrangig in Form von rassistischen und antisemitischen Parolen transportiert, sondern in Form der Liebesbekundung zum deutschen Nachwuchs, zur deutschen Familie. Nicht Jugendliche mit einem latenten Hass auf Migranten sollen angesprochen werden, sondern die klassische Kleinfamilie.

Diese Wertschätzung der Familie ist alles andere als ein geschickter Propagandatrick, sondern tatsächlich Grundbestandteil nazistischer Ideologie. Im Parteiprogramm der NPD heißt es zu dem Thema unter anderem: "Die Familie ist lebendes Bindeglied überlieferter Traditionen. In ihr werden die Muttersprache gelehrt und Kultur und Gebräuche vermittelt. Die Familie ist Träger des biologischen Erbes. Ein Volk, das tatenlos zusieht, wie die Familie zerstört wird oder ihre Kraft verliert, wird untergehen, weil es ohne gesunde Familien kein gesundes Volk gibt." Mit dieser Ideologie will die NPD an die Familien herantreten, sich als Bewahrerin von deren Interessen präsentieren und sich eine viel größere Basis schaffen, als es allein mit adoleszenten Schlägertrupps möglich wäre.

Was das Konzept vergleichsweise Erfolg versprechend macht, ist seine Anschlussfähigkeit an bürgerliche Meinungen: In kaum einem anderen Punkt sind sich konservatives und nazistisches Denken so nah wie in der Familienpolitik. Streicht man den Bezug auf das "biologische Erbe" aus den Einlassungen der NPD und nimmt ein wenig das Pathos aus den Formulierungen, dann könnte es sich auch um die Präambel für einen Gesetzesentwurf aus dem Hause von der Leyen oder um familienpolitische Grundsätze der CDU handeln.

Einen substanziellen Unterschied zu den bürgerlichen Ansichten findet man allenfalls noch in der Betonung der völkischen Gemeinschaft, die in der Vorstellung konservativer Demokraten mitt­lerweile einer, zumindest oberflächlich betrachtet, liberaleren Auffassung von Gesellschaft gewichen ist. In den tagespolitischen Forderungen schlägt sich diese Differenz jedoch nicht nieder. Die im Aktionsprogramm der NPD angeführten Maßnahmen zur Förderung der Familie könnten wiederum aus einem Papier der Großen Koalition stammen: finanzielle Unterstützung der Eltern, Ganztagsbetreuung in den Schulen, Erziehungshilfen für Berufstätige und Garantie auf einen Kindergartenplatz – allerdings nur für deutsche Kinder.

Alles in allem sind die pathetisch vorgetragenen familienpolitischen Überzeugungen der NPD zum großen Teil bereits verwirklicht. Der Partei bieten sie dennoch die Möglichkeit, sich von einer Seite zu präsentieren, die unbedarfte Zeitgenossen mit dem Klischee des prügelnden, saufenden Neonazis nicht in Übereinstimmung bringen können. "Seht ihr? Wir sind ganz anders als die Systempresse im­mer behauptet", heißt die Botschaft. Das ist der politische Mehrwert, den die NPD aus ihrer familienpolitischen Charmeoffensive zu schöpfen hofft.

Jedoch folgt aus der für solche Manöver notwen­digen Anschlussfähigkeit an etablierte Diskurse auch ein Problem, das den Erfolg der Werbeversuche erschweren dürfte: Spätestens seit alle Welt vom "demografischen Wandel" redet und die Deut­schen angeblich vom Aussterben bedroht sind, seit Politiker aller Parteien die deutschen Frauen zum fleißigen Kinderkriegen auffordern und vom vorgeblichen Glück der Kleinfamilie schwadronieren, seitdem sind die Ansichten der NPD vom rechten Rand ins Zentrum der Gesellschaft gerückt. Das erhoffte Potenzial an Protestwählern erreicht sie deshalb mit diesem Thema nicht mehr so leicht.

hagalil.com 06-07-2006

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