Aphorismen:
Der Krieg aus verschiedenen Perspektiven
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Land für Frieden: Seit einigen Jahren kursiert die Zauberformel "Land für
Frieden" als ultima ratio für die Lösung des Nahostkonflikts. In den
vergangenen 6 Jahren hat Israel zwei dramatische Rückzüge vorgenommen, 2000
aus dem Libanon bis zur internationalen Grenze und 2005 aus dem Gazastreifen
bis zu anerkannten Grenzlinie. Eine Karikatur fragt: Krieg im Libanon? Ja.
Krieg in Gaza? Ja. Krieg im Westjordanland? Nein, wir haben uns da noch
nicht zurückgezogen.
Demokratie: Ein Journalist fragte Außenminister Steinmeier während einem
Hintergrundgespräch: "Es heißt immer, dass Demokratie Kriege verhindere. In
zwei arabischen Territorien, Libanon und in der palästinensischen Autonomie,
ist die Demokratie besser entwickelt als in jedem andern arabischen Land.
Bedeutet das nun, dass die Demokratie abgeschafft werden sollte?" Der
Minister antwortete, man sollte nicht nur auf Demokratie allein achten,
sondern auch auf Rechtsstaatlichkeit.
Israels "willkürliche" Bombardements von zivilen Gebieten im Libanon:
Aussage einer Frau aus Libanon: "Manchmal fallen auch Bomben, wo man sie
nicht erwartet."
Aussage einer Frau aus Nordisrael: "Wir können uns nicht aus dem
Schutzkeller herauswagen, denn die Raketen der Hisbollah sind willkürlich
auf jeden Ort im Norden Israels gezielt, auf Haifa wie Nazareth, auf
jüdische wie arabische Wohngebiete. Wir müssen jederzeit an jedem Ort damit
rechnen, getroffen zu werden."
Die israelische Frau ist offensichtlich im Vorteil. Sie kann gewiss sein,
überall getroffen zu werden. Die Libanesin lebt aber in der Ungewissheit,
"nur manchmal" getroffen zu werden.
Beobachtung: In Beirut, hinter der ARD Korrespondentin, ist dichter Verkehr
zu sehen, während die Menschen unbekümmert auf der Straße flanieren.
Bei Korrespondentenberichten aus Naharia, Haifa und anderen Orten im Norden
Israel sind die Straßen menschenleer. Man sieht nur vereinzelte Autos, meist
Krankenwagen und Polizeiautos.
Die ARD Korrespondentin berichtet von ihrem Team, das fluchtartig die
südlichen Viertel von Beirut verließ, als es Kampfflugzeuge am Himmel
sichtete. Könnte es sein, dass die Reporter genau wissen, wo (und sogar
warum) die Israelis bombardieren, und andererseits, in welche (sichere)
Viertel von Beirut sie flüchten können?
Korrespondenten im Norden Israels können nicht von einem Viertel zum anderen
in Haifa oder Naharia flüchten, weil sie an jedem Punkt im Norden Israels
jederzeit getroffen werden könnten. Sie müssen den nächstbesten Schutzkeller
aufsuchen.
Fernsehanstalten berichten täglich über "ganze zerstörte Straßenzeilen in
Beirut". Wieso werden aber immer nur die gleichen Bilder aus dem einen
Viertel im Süden von Beirut gezeigt, wo übrigens die gesamte
Zivilbevölkerung schon zu Beginn des Krieges komplett geräumt worden ist und
es deshalb dort keine zivilen Verluste gab (gemäß Angaben aus Libanon)? Es
handelt sich um die Hochburg der Hisbollah, einst ein geschlossenes Viertel,
das man nur mit Sondergenehmigung betreten durfte.
Es irrt, wer glaubt, dass die Hisbollah nur Propaganda betreibe. Ein
Hisbollahchef, Al-Malli, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, liefert
eine zuverlässige Bilanz der Schäden auf beiden Seiten:
Al-Malli: "Die nachhaltige Zerstörung auf der israelischen Seite ist weit
schlimmer als auf unserer Seite. Zum einen zeigen wir mit der Gefangennahme
und mit dem Dauerfeuer unserer Raketen auf Israel, dass die angeblich
unbesiegbare israelische Armee doch getroffen werden kann. Das ist ein
moralischer Sieg. Zweitens leidet Israel wirtschaftlich viel stärker: Im
Norden und der Mitte des Landes schlagen Raketen ein. Dort konzentriert sich
Israels Wirtschaft, dort lebt die Bevölkerungsmehrheit, dorthin kommen die
Touristen. Wer zahlt da am Ende den höheren Preis?"
Professor Gunnar Heinson aus Bremen:
Der Israel-PalästinaKonflikt seit 1987: 7.000 (0,007 Millionen) Tote.
Unter den 50 blutigsten Konflikten weltweit seit 1960 liegt der
Israel-Palästina-Konflikt auf Rang 46, in der Berichterstattung aber auf
Rang 1 und gilt als "gefährlichster Konflikt weltweit".
Zum Vergleich nun auch noch der neueste Libanon Krieg 2006: etwa 400 Tote
(0,0004 Millionen)
In Äthiopien, Kongo, Nigeria, Sudan und anderen Ländern Afrikas gab es
Kriege mit jeweils bis zu 4 Millionen Toten. In Jugoslawien, Tschetschenien,
Irak, Algerien und Marokko gab es in der gleichen Periode Kriege mit
hunderttausenden Toten. |