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Führungskrise im Schweizer Judentum:
Autoemanzipation

Editorial von Yves Kugelmann, Tachles, 16. Juni 2006

Historische Erfahrung. Es ist aufgrund der historischen Erfahrung, den vielen Traumas und Ängsten durchaus verständlich, dass das jüdische Selbstbild stark geprägt ist von äusseren Umständen. Es war lange Zeit unausweichlich, dass Jüdinnen und Juden ihre Identität nicht hauptsächlich über Tradition, Kultur oder Religion definieren und leben konnten. Verfolgung und Antisemitismus prägten das individuelle jüdische Selbstverständnis und jenes ihrer Gemeinschaft über Jahrhunderte derart wesentlich, dass Überleben zum Lebenselixir wurde und ein positives jüdisches Selbstverständnis für viele naiver Luxus gewesen wäre, wenngleich es letztlich mit zum Überleben gehörte. Doch die historische Erfahrung darf dann nicht zum Fetisch der Gegenwart werden, wenn Entwicklungen ausserhalb und innerhalb der jüdischen Gemeinschaft in einem neuen Kontext stattfinden. Mit der historischen Erfahrung in die Zukunft zu schreiten kann nicht bedeuten, dass diese Erfahrung selbst zum Credo jeden Handelns und der Selbstdefinition wird. Denn somit würden Jüdinnen und Juden verfolgt bleiben, indem sie sich nach der Verfolgung weiterhin vor allem über die negative Erfahrung mit der nicht jüdischen Gemeinschaft und das Judentum von einstigen äusseren Umständen vereinnahmen lassen.

Erfahrung der Gegenwart. Zum Glück ändern sich die Zeiten, auch wenn der Wandel nicht die Garantie für die sichere Zukunft ist. Und zugleich muss in Zeiten des Wandels erkannt und debattiert werden können, wie eine stark über die Gemeinschaft definierte jüdische Gesellschaft innerhalb ihrer Institutionen vorwärts schreitet. Denn wer letztlich kein Eigenbild, sondern ein primär von äusseren Faktoren abhängiges Selbstverständnis generiert und geradezu bewirtschaftet beziehungsweise von Philosemiten bewirtschaften lässt, der verliert sich selbst an die anderen, ohne dass er sich effektiv emanzipiert hätte. Es gab einst die Emanzipation, die nichts anderes war als jene Assimilation, die nötig war, um sich selber eine Emanzipation vorzugaukeln. Heute aber wäre – um einen Begriff Leon Pinskers aus dem 19. Jahrhundert neu zu adaptieren – die Autoemanzipation im doppelten Sinne existentiell wichtig: Sich zu befreien von einst verständlichen Fesseln, und das Judentum nicht zu verlieren, indem es wieder ins Zentrum jeglichen Selbstverständnisses rückt, auf dass gerade in Führungsgremien endlich eine jüdische Kernkompetenz Einlass findet, wie sie unabdinglich ist. Denn: Wer nicht weiss, woher er kommt, weiss nicht, wohin er geht. Wenn sich die jüdische Gemeinschaft in solchen Gremien im Jahre 2006 vor allem mit dem Kampf gegen Antisemitismus, Terrorismus und Antizionismus beschäftigt, dann ist da etwas grundlegend falsch gelaufen. Nicht dass alle drei keine Berechtigung hätten, aber sie sind zur Kür anstatt zur Pflicht verkommen. Doch als Kür müsste doch eigentlich die Förderung jüdischen Lebens, jüdischer Bildung und Kultur geradezu zelebriert werden.

Erfahrung und Erkenntnis. Die Tatsache, dass nun vier Persönlichkeiten des Schweizer Judentums in einem offenen Brief inmitten der Führungskrise beim organisierten Gemeindejudentum der Schweiz an Gemeindeverantwortliche und Schweizer Juden gelangen, alarmiert, ist ungewöhnlich und ein Quantensprung. Während innerhalb des Gemeindejudentums in den letzten Monaten manifest wurde, dass dringend neue Antworten und Führungsansätze gefragt sind, etabliert sich ausserhalb der Gemeinden ein äusserst erfolgreiches und vitales Judentum in Nichtgemeindeorganisationen. Letzteres stellt die Gemeinden vor zusätzliche inhaltliche, strukturelle und finanzielle Herausforderungen, die von den klassischen Organisationen aber schlicht ignoriert und nicht diskutiert werden. Und das wird fatale Auswirkungen haben, wenn Gemeinden sich nicht im Sinne einer jüdischen Kontinuität dem Wandel unterziehen. Meinungen anstatt Fakten, Emotionen anstatt Sachlichkeit, Führungsmacht anstatt Dialog mit der Basis, Sturheit anstatt Erkennen sind schlechte Präambeln für die Zukunft des Schweizer Judentums.

http://www.tachles.ch

hagalil.com 19-06-2006

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