Sever Plotzkers Kommentar in Jedioth achronoth
Papst Benedikt XVI versagte bei seinem Besuch in Auschwitz historisch,
menschlich und moralisch. Er kam in einem gepanzerten, schwarzen, deutschen
Auto, hielt eine Rede voller glatter Worte wie "Versöhnung" und
"Verständnis", betete zu Jesus, bat nicht um Verzeihung für die Verbrechen
seines Volkes , und stieg dann wieder in sein gepanzertes, schwarzes,
deutsches Auto und machte sich auf den Weg zurück nach Rom.
Ein überflüssiger, enttäuschender und ärgerlicher Besuch. Die einfachste
Sache, die sich in Auschwitz angeboten hätte, hat der deutsche Papst
unterlassen: Er kniete nicht vor einem der zerstörten Krematorien nieder, er
richtete seine Augen nicht gen Himmel und bat nicht um Verzeihung für die
sechs Millionen jüdischen Opfer- weder im Namen Deutschlands noch im Namen
der katholischen Kirche Deutschlands.
Benedikt wiederholte zwar mehrmals in seiner Predigt, er hätte gar nichts
anderes tun können, als nach Auschwitz zu kommen, aber wofür genau? Um uns,
den Juden, und auch ihnen, den Polen zu sagen, dass das gute deutsche Volk
eigentlich der Nazibande zum Opfer gefallen ist? Das ist eine historisch und
moralisch falsche Botschaft. Auch seine Worte über das jüdische Volk
beinhalteten problematische Botschaften. Wollte Hitler das jüdische Volk
tatsächlich vernichten, um die Grundlagen des christlichen Glaubens zu
entwurzeln? Und nicht, weil er Juden ganz einfach hasste?
A 6-5
Erich Hartmann
Vernichtungslager Birkenau, Stacheldraht
Um die Lager Auschwitz I und Auschwitz II (Birkenau) waren
jeweils vier Meter hohe elektrisch geladene Stacheldrahtzäune gezogen.
Bewaffnete SS-Leute standen auf den zahlreichen Wachttürmen. Birkenau war
zusätzlich von einem Netz von Kanälen von insgesamt 13 Kilometer Länge
umgeben.
Der Papst fragte dramatisch: Wo war Gott an diesem schrecklichen Ort? Und
damit entzog er sich der wirklich wichtigen Frage: Wo waren die Menschen an
diesem Ort? Wie konnte die deutsche Nation der jüdischen und anderen
Nationen derartige Gräueltaten antun? Gott mag geschwiegen haben, aber die
Deutschen haben gemordet.
A 8/9-6
Erich Hartmann
Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, Stacheldraht
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Wir, die Juden, die Nachkommen der Überlebenden, haben es nicht mehr
nötig, dass uns die Deutschen um Verzeihung bitten. Das hat 1953 der Kanzler
des "neuen Deutschlands", Konrad Adenauer, bereits bei Ben-Gurion erledigt.
Das Motiv des sich Entschuldigens tauchte dann in vielen Reden deutscher
Persönlichkeiten wieder auf, wie auch in Entscheidungen staatlicher
deutscher Institutionen. Aus dieser Sicht sind wir zufrieden gestellt.
Aber die Bitte um Verzeihung eines deutschen Papstes auf dem mit Blut und
Asche der Millionen Juden getränkten Boden von Auschwitz hätte ein anderes
Ziel verfolgen sollen: vor dem neuen Antisemitismus zu warnen und für die
Sünden der deutschen katholischen Kirche zu sühnen, die im besten Falle zu
den Naziverbrechen geschwiegen hat, und im schlechtesten Fall mit ihnen
zusammenarbeitete. Nicht umsonst sagten zwei Drittel der Deutschen in einer
Meinungsumfrage vorgestern, sie erwarteten vom "ihrem" Papst, dass er sich
in Auschwitz für den Holocaust entschuldigt. Sie begriffen die Bedeutung
dieses Akts besser als er, der Heilige Stuhl.
Der ganze Besuch hat bei mir einen schlechten Geschmack hinterlassen. Der
Papst achtete auf die verlogene Bilanz zwischen den Opfern verschiedener
Religionen und verschiedener Nationen. Das geht nicht. Die Juden in
Auschwitz können nicht mit den Häftlingen anderen Nationen gleichgesetzt
werden. Und der deutsche Papst müsste dies eigentlich wissen.
In seiner Predigt in Auschwitz-Birkenau erinnerte Benedikt XVI an einen
anderen Besuch, den historischen Besuch seines Vorgängers Johannes Paul II
in Auschwitz im Jahre 1979. Aberwelch ein Unterschied zwischen diesen beiden
Besuchen! Der polnische Papst kam als "demütiger Pilger" in das Lager
Auschwitz-Birkenau, das seinerzeit an kommunistischem Gedächtnisschwund
litt. Er betete still und bescheiden und eröffnete eine Versöhnungskampagne
zwischen Christen und Juden, die mit seinem Israelbesuch im Frühling 2000
ihren Höhepunkt erreichte.
Es ist richtig, die Zeiten haben sich gerändert. Es ist richtig, Papst
Benedikt kam nicht nach Auschwitz, um am Marsch der Lebenden teilzunehmen
und er ist auch kein jüdischer Hauptrabbiner. Er ist der Führer der
katholischen Kirche und Jesus ist sein Gott. Aber gerade deshalb zeigt er
Milliarden Katholiken in aller Welt den Weg. Und was hat ihnen Benedikt XVI
mit seinem Besuch in Auschwitz gezeigt? Dass er den Antisemitismus vergessen
hat, den Judenhass, die Sünden seiner Kirche und seines Volkes, und dass er
sich damit begnügt, den Hass im Allgemeinen zu verurteilen? Gerade dort, in
Auschwitz-Birkenau, wollte sich der deutsche Papst, Benedikt XVI., politisch
korrekt geben.
A 24/25-18
Erich Hartmann
Vernichtungslager Birkenau, Blick vom höchsten Wachtturm
Als größtes unter den Vernichtungslagern erstreckte sich
Birkenau über ein Areal von etwa 175 Hektar. Von ursprünglich über 300
Gebäuden sind heute noch 67 erhalten: 45 davon aus Ziegelsteinen und 22 aus
Holz.