Miriam Magall:
Ein Rundgang durch das jüdische Heidelberg
Mit einem Vorwort von Michael Hesse
Universitätsverlag Winter Heidelberg 2006, Euro 18,00
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Abschiedsgeschenke mit Beigeschmack:
Ein Rundgang durch das jüdische Heidelberg
Rezensiert von Ramona Ambs
"Ein Rundgang durch das jüdische Heidelberg" heißt das
neueste Buch von Miriam Magall, das ein Abschiedsgeschenk an die Stadt sein
soll, in der sie fünfzehn Jahre ihres Lebens verbracht hatte. An vierzehn
Stationen erfährt man etwas über die Orte, an denen in den vergangenen 700
Jahren jüdisches Leben stattfand oder noch immer stattfindet.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil ist
der tatsächliche Rundgang durch die Stadt, der zweite Teil des Buches
reichert die Stationen an mit Episoden aus der Geschichte der Juden in
Heidelberg. Im Dritten befinden sich diverse Anhänge.
Spaziert man nun mit dem Buch in der Hand los man startet in der
Heidelberger Altstadt- so erfährt man , wo von wann bis wann welche
Synagoge, welches Wohnhaus, welcher Friedhof stand, wie sie genutzt wurden
und unter welchen Umständen die Juden damals gelebt hatten. Lebendig wird
das Ganze durch eindringlich erzählte Einzelschicksale, wie beispielsweise
das des Kleiderhändlers Leopold Ehrmann oder das der Familien Oppenheimer.
Auch zahlreiche Photographien und Skizzen ergänzen und bereichern die
Beschreibungen.
Das insgesamt gut lesbare, wenn auch zeitweise etwas
larmoyant verfasste Buch ist jedoch für den Kenner der Heidelberger
Geschichte zu einseitig verfasst. Magall beschreibt ausführlichst wieviele
Heidelberger Bürger, Honoren und Professoren sich an der Verfolgung und
Verunglimpfung der Heidelberger Juden während der Nazizeit beteiligt hatten
oder zumindest nichts dagegen unternommen hatten. Sie schreibt dazu (S.58):
".Und auch die Kirchen haben ihre Stimmen nicht im Protest erhoben". Diese
Aussage ist zwar weitgehend richtig, aber eben nicht vollständig, weil hier
jemand vergessen (?) wurde, der für Heidelbergs Juden von großer Bedeutung
war: Hermann Maas, der Pfarrer der Heiliggeistkirche, der "stadtbekannte
Judenfreund", der bereits 1932 dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus
beigetreten war und der zahlreichen Juden geholfen hat bis er 1944 selbst
schließlich deportiert wurde. Es wäre redlich gewesen, ihn wenigstens zu
erwähnen, zumal es von ihm zahlreiche Anekdoten zu erzählen gegeben hätte
und er in der Allee der Gerechten in Jad Vaschem einen Baum gepflanzt bekam.
Mangelnde Redlichkeit findet sich auch im zweiten Teil des Buches wieder.
Während Magall einerseits die Entwicklungen innerhalb der jüdischen Gemeinde
treffend beschreibt, ist sie sich andererseits nicht zu schade, aus dem
Protest eines einzelnen Anwohners gegen den Neubau der Synagoge ein
Massenphänomen zu konstruieren (S. 150): "Ein Anwohner (...) hisst eine
schwarze Fahne, und man ist sich einig: Hier will man keine Juden."
Am unerfreulichsten an dem Buch ist (für jeden jüdischen Leser jedenfalls)
jedoch die überflüssige Beschreibung des Streits innerhalb der jüdischen
Gemeinde im Jahr 1994. Mal davon abgesehen, daß dies kein Thema für einen
literarisch-historischen Rundgang ist, hätte Magall, die gewissermaßen als
Beteiligte ja zwangsläufig nur eine subjektive Darstellung abgeben kann,
besser komplett darauf verzichtet. Sätze wie z. Bsp. (S.154): " Daneben gibt
es in jeder Gemeinde Unzufriedene wie linke Antizionisten, Intellektuelle
auf der Suche nach ihren Wurzeln, Konvertierte ohne Erinnerungen, dafür aber
mit vielen utopischen Zukunftsvorstellungen, frustrierte nichtjüdische
Nachkommen aus Mischehen, kurz Randgruppen aller Art. Heute suchen diese
Menschen in "liberalen" Gemeinden nach Alternativen..."sind nicht nur
inhaltlich fragwürdig, sondern eben einfach auch unnötig verletzend für all
jene, die sich in liberalen Gemeinden engagieren.
So bleibt festzuhalten, daß man mit diesem Buch zwar tatsächlich einen
lehrreichen und literarisch unterhaltsamen Rundgang durch das jüdische
Heidelberg machen kann, - daß aber dieses Abschiedsgeschenk der Autorin an
die Stadt einen einseitigen Beigeschmack hat, der weder der Stadt, noch den
hier lebenden Juden wirklich uneingeschränkt gefallen dürfte. Dennoch sind
dem Buch zahlreiche Leser zu wünschen, denn es ist bisher das einzige dieser
Art, das den Leser an die Hand nimmt und gemeinsam mit ihm all jene Orte
erwandert, die für Juden in dieser Stadt relevant sind und waren.
hagalil.com 01-06-2006 |