
Civitas, Entimon und Xenos:
Umverteilen nach rechts
Die Bundesregierung überlegt, die Mittel
für den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu kürzen, und hat eine neue
Gefahr im Blick: den Linksextremismus.
Von Jörg Kronauer
Jungle World
21 v. 24.05.2006
"Wird ständig erweitert", heißt es neben dem Link. Die
"Chronik rechtsextremer Aktivitäten in Thüringen 2006", die das Mobile
Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Thüringen (Mobit) auf seiner
Website führt, muss alle paar Tage aktualisiert werden. Die Liste reicht
bisher von der Gründung des thüringischen Landesverbandes der Jungen
Nationaldemokraten am 14. Januar in Ammelstädt bis zu einer Kundgebung von
Neonazis am 13. Mai in Suhl.
Auch gewalttätige Übergriffe dokumentiert sie. "Er wurde zunächst wegen
seiner Hautfarbe beschimpft, danach prügelten die Angreifer auf ihn ein",
wird von einem Angriff auf einen jungen Mann aus Südafrika am 11. März in
Arnstadt berichtet. Wer immer noch die absurde These von den verwirrten
Einzeltätern aufrechterhalten will, der wird von der akribisch geführten
Chronik widerlegt.
Wie lange sie noch fortgeschrieben werden kann, ist nicht sicher. An
rechtsextremen Umtrieben, die festgehalten zu werden verdienen, mangelt es
in Thüringen nicht. Mangeln wird es aber womöglich am Geld, mit dem das
Beratungsteam seine Arbeit finanziert. Das liegt am Koalitionsvertrag der
neuen Bundesregierung. Dort steht zwar klar und deutlich: "Wir wollen den
Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit (…) fortführen und
auf Dauer verstetigen." Es heißt aber auch, es sei "erklärtes Ziel, (…) jede
Form von Extremismus, auch von links, zu bekämpfen". Sollte sich der Kampf
gegen links auch in Haushaltsposten niederschlagen und finanziell mit dem
Vorgehen gegen den Rechtsextremismus konkurrieren, dann wäre das Mobile
Beratungsteam in Gefahr.
Denn dieses gäbe es nicht ohne Civitas. Civitas wiederum ist Teil des
Regierungsprogramms mit dem prägnanten, wohlklingenden Namen "Jugend für
Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und
Antisemitismus". Das Programm ist ein Ergebnis des "Aufstands der
Anständigen", zu dem der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr
2000 aufgerufen hat.
Die Anständigen scheiterten kläglich, der Aufstand jedoch materialisierte
sich in trockenen Zahlen im Haushalt der Bundesregierung. Civitas, Entimon
und Xenos heißen die Teilprogramme, die seitdem mit staatlicher Förderung
zur Durchsetzung zivilisatorischer Standards in Deutschland beitragen
sollen.
Von Civitas geförderte Projekte wie das Beratungsteam sind zweifach bedroht.
"Die Arbeiten zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2007 befinden sich im
Anfangsstadium", wiegelte die Bundesregierung kürzlich ab, als ihr die
Linksfraktion den Haushaltstitel 686 02 in der Finanzplanung des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorhielt. Daraus
ging unmissverständlich hervor, dass die jährlich neun Millionen Euro, die
bislang für Civitas-Projekte vorgesehen sind, bis 2007 auf zunächst sieben
und ab 2008 auf sechs Millionen gesenkt werden sollten. Die Bundesregierung
stellte außerdem eine grundsätzliche Neuverteilung sämtlicher Mittel gegen
Rechtsextremismus in Aussicht. Es sei "erforderlich, sich Herausforderungen
in anderen Bereichen zu stellen, so etwa in den Bereichen Islamismus und
Linksextremismus", kündigte sie an.
Heftig reagierten einige in der SPD auf die Kürzungs- und
Umverteilungspläne. "Wo zum Teufel sind die denn?", schimpfte Uwe-Karsten
Heye, als ihn Spiegel Online mit der Ansicht konfrontierte, man müsse in den
neuen Bundesländern auch "Linksextremisten" bekämpfen. Eine Kürzung der
Geldsumme für die Programme gegen Rechtsextremismus "würde unsere Arbeit
zunichte machen, die wir mühsam in Gang gesetzt haben", warnte der ehemalige
Regierungssprecher.
Vorläufig scheint die Angelegenheit tatsächlich erledigt zu sein. "Im
Koalitionsausschuss ist festgelegt worden, dass für Entimon und Civitas auch
weiterhin 19 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung gestellt werden",
bestätigt ein Sprecher des Familienministeriums der Jungle World. Von Plänen
zur Neuverteilung des Geldes auf Projekte gegen Islamismus und
Linksextremismus weiß er angeblich nichts.
Eine Entwarnung für die geförderten Projekte käme freilich zu früh. "Im Zuge
der parlamentarischen Beratungen zum Bundeshaushalt 2007 werden dazu
Entscheidungen zu treffen sein", teilte die Bundesregierung kürzlich der
Linksfraktion mit. Dabei geht es um eine ganze Menge Geld. 45 Millionen Euro
wurden bislang über Entimon vergeben, 33 Millionen über Civitas. Den größten
Batzen von bislang 75 Millionen Euro, die über Xenos verteilt wurden,
dürften die parlamentarischen Haushaltsberatungen im Herbst allerdings kaum
in Frage stellen. Xenos wird über den Europäischen Sozialfonds (ESF) aus
Mitteln der EU finanziert. Der ESF unterstützt "Bemühungen der
Mitgliedstaaten zur Entwicklung der Humanressourcen" in der Arbeitswelt und
finanziert u.a. Projekte, die Störungen des Betriebsklimas durch
rassistische Angriffe verhindern sollen.
Die Unionsparteien werden wohl weiter an der Neuverteilung des Geldes
arbeiten, um das sie sich schon seit Jahren bemühen. Schließlich können CDU
und CSU mit dem gegenwärtigen Zustand nicht zufrieden sein: Dreistellige
Millionenbeträge fließen wegen ihrer inhaltlichen Festlegung so gut wie
ausschließlich in sozialdemokratische und grüne Milieus und helfen zudem der
SPD und den Grünen bei der Integration ihres linken Randes. Bereits im Jahr
2003 wollte daher der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer im Bundestag wissen, ob
Civitas-Mitarbeiter "auf linksextremistische Tätigkeiten in der
Vergangenheit überprüft" würden. Umgekehrt böte eine Umwidmung der Mittel
der Union die Gelegenheit, ihren rechten Rand wieder besser einzubinden.
Wie das praktisch gehen könnte, hat im universitären Milieu schon vor Jahren
die der CSU nahe stehende Hanns-Seidel-Stiftung vorgemacht. Sie setzte im
April 2003 den Chemnitzer Politikprofessor Eckhard Jesse als Leiter eines
von ihr geförderten Promotionskollegs ein.
Das Thema des Kollegs lautete: "Politischer Extremismus und Parteien". Es
umfasste entsprechend der von Jesse vertretenen Extremismus-Theorie Arbeiten
über die NPD, aber auch über die PDS. Mindestens zwei der 18 Doktoranden,
die die Stiftung förderte, hatten zuvor Kontakte zur extrem rechten Zeitung
Junge Freiheit oder deren Umfeld und waren zeitweise als Mitarbeiter in der
Unionsfraktion im Bundestag angestellt.
Um Personen wie sie besser in die Unionsparteien zu integrieren, wären
finanziell geförderte Projekte "gegen links" sehr nützlich.
hagalil.com 31-05-2006 |