Wirtschaftlich ist das Regime gescheitert:
Das iranische Paradox
Wenn der zweitgrößte
Erdölförderer selbst Treibstoff importieren muss, andererseits aber an der
Schwelle zur Nuklearära steht und gleichzeitig unter hohen Schutzzöllen,
einem hinkenden Bankensystem und einer durchschnittlichen Inflation von 15%
leidet, dann könnte die Wirtschaftskrise Ahmadinedschad dazu zwingen, dem
Westen nachzugeben.
Lior Greenbaum, Globes, 14.5.06
Das iranische Nuklearproblem wird in den kommenden
Wochen im Mittelpunkt der Gespräche des UN-Sicherheitsrats stehen. Thema ist
die Möglichkeit, dem Iran Wirtschaftssanktionen aufzuerlegen, um es an der
Umsetzung seines Atomprogramms zu hindern.
In seinen öffentlichen Erklärungen scheint sich der iranische Präsident
Mahmoud Ahmadinedschad seiner selbst und seiner Politik sehr sicher. Er
erklärt, dass der Westen den Iran benötigt, und zwar weitaus mehr, als der
Iran den Westen und iranische Quellen sind darauf bedacht, widersprüchliche
Botschaften über die Möglichkeit des Gebrauchs von Erdöl als Waffe in Form
eines umfassenden bzw. eines teilweisen Boykotts zu streuen. Der Anstieg der
Erdölpreise, der zu einem Anstieg von Devisen-Einnahmen geführt hat, die in
Mengen fließen, sowie die wirtschaftlichen Interessen von Staaten wie China
und Russland spielen den Ayatollahs den Ball zu und jede Erklärung oder neue
Drohung erhöhen sowohl die Preise, als auch die Erdöleinnahmen.
Gleichzeitig ist die wirtschaftliche Situation des Iran bei weitem nicht gut
und internationale Sanktionen – unter der Bedingung, dass sie mit
Entschiedenheit auferlegt werden – werden der Wirtschaft des Iran schwerste
Schäden beifügen, ja sogar diese zerstören, bis hin zur Einstellung der
Produktion und dem Stopp der Strategiepläne zur Entwicklung von Erdöl- und
Gasreserven, die der Staat so nötig hat, wie die Luft zum Atmen. Die
Bedrohung der Wirtschaft könnte letztendlich in die entgegengesetzte
Richtung führen, als von Ahmadinedschad geplant und ihn zwingen, dem Westen
nachzugeben oder aber die Stabilität des Mullah-Regimes in Teheran zu
gefährden. Denn der Iran braucht den Westen mehr, als er bereit ist,
zuzugeben.
Eigentlich kann Ahmadinedschad zufrieden sein. Der Iran ist der zweitgrößte
Erdölförderer unter den OPEC-Staaten (mit einem Ertrag von 4 Millionen
Tonnen täglich, davon 2,5 Millionen für den Export, und er verfügt über ca.
10% der weltweiten Erdölreserven.) Zusätzlich besitzt er nach Russland die
zweitgrößten Naturgasreserven, sodass nach Energie dürstende
Wirtschaftssysteme, wie die chinesische oder indische, ihm beständig
hinterher laufen.
Nach einigen schweren Jahren während des letzten Jahrzehnts, haben die
Erdölpreise in den letzten Jahren sensationelle Spitzenwerte erreicht, was
in den letzten zwei Jahren nach einem relativen Stillstand am Ende der 90er
Jahre zu einem durchschnittlichen Anstieg von 6% geführt hat.
Der Aufschwung der Erdölpreise kann wirtschaftliche Engpässe für kurze Zeit
erleichtern, doch auf lange Frist wird die iranische Wirtschaft unter
beachtlichen strukturellen Schwierigkeiten leiden, wie schwere
Arbeitslosigkeit und tiefe Armut. Der Sieg des iranischen Präsidenten bei
den Wahlen, der versprochen hatte, die Korruption zu bekämpfen und "den Iran
den Iranern zurückzugeben“ geht größtenteils auf die Frustration der
iranischen Bevölkerung zurück. Im Iran leben etwa 70 Millionen Menschen,
davon leben 40% unter der Armutsgrenze.
Diese empfanden, dass sich die großen Hoffnungen auf Reformen und
Verbesserung der Lebensbedingungen, die sie in den ehemaligen Präsidenten
Mahmoud Hatami gesteckt hatten, als unwahr erwiesen haben. Die vollkommene
Abhängigkeit vom Energiemarkt blieb bestehen und andere Zweige blieben
rückständig und wurden vernachlässigt.
Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei 14%, nach Einschätzungen liegt
die Zahl tatsächlich wesentlich höher. Als Ergebnis des großen natürlichen
Bevölkerungszuwachses ist die Hälfte der Bevölkerung jünger als 25 Jahre und
ein Drittel jünger als 14. Es gibt 24 Millionen Menschen im erwerbsfähigen
Alter. Diese Angaben machen deutlich, dass der Iran jedes Jahr eine Million
neue Arbeitsplätze schaffen muss, allein um die derzeitige
Beschäftigungssituation beizubehalten. Und das, obwohl die iranische
Industrie schwerfällig und ineffektiv ist und fast vollständig von der
Regierung kontrolliert wird.
Der private Sektor ist auf die kleinen Handelzweige und Dienstleistungen
begrenzt, und die von den USA der islamischen Republik seit Mitte der 90er
Jahre auferlegten Sanktionen erschweren die Entwicklung eines
internationalen Handels. Entwicklung und Nuancierung der iranischen
Wirtschaftszweige machen ausländische Investitionen riesiger Größenordnung
notwendig, die den Markt ankurbeln würden. Doch das Risikoniveau schreckt
diese ab und zukünftige Sanktionen könnten diese vollends verhindern.
Dr. Gil Feiler, Generaldirektor der Firma InfoProd, die sich auf die
Wirtschaft im Nahen Osten spezialisiert hat, sagt: "Die Prokopfeinnahmen im
Iran im Jahr 1977 waren die gleichen wie die in Spanien. Zu jener Zeit
förderte der Iran täglich 6 Millionen Tonnen Erdöl. Heute liegt das
Prokopfeinkommen bei einem Drittel des damaligen und die Erdölförderung ging
auf Zweidrittel des Niveaus Ende der 70er Jahre zurück."
Der Mittelstand im Iran hat größtenteils den Preis dafür bezahlt, denn der
hat unter der hohen Inflation gelitten, unter fehlenden Arbeitsplätzen und
unter Gehältern, die immer mehr an Wert verloren. Gemäß offiziellen
Einschätzungen, ist die Lebensqualität im Iran seit der Revolution um etwa
20% gesunken.
Wirtschaftlich ist das iranische Regime gescheitert
Dr. Feiler betont die Ungleichheit bei der Verteilung der Einnahmen und die
größer werdende Kluft zwischen einer reichen Minderheit und einer armen
Mehrheit, unter anderem als Ergebnis der Korruption. Ahmadinedschad hat den
Kampf gegen die Ungleichheit zu einem Mantra in seiner Wahlkampagne gemacht,
obwohl es sehr schwer sein wird, solange die politische Instabilität in der
Region andauert, mehr dagegen zu tun, als weiterhin Slogans über das Thema
Armut zu verbreiten.
Die Hauptindustrien, außer der Erdölförderung, sind die Textil- und
Autoindustrie (in Besitz der Regierung). Neben der Ölindustrie umfasst der
iranische Export auch einen geringen Prozentsatz an Teppichen, Obst und
Pistazien, doch deren Beitrag für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen ist
sehr gering. Reformen im industriellen Sektor, um ihn effektiver zu
gestalten, würden Entlassungen in großem Rahmen notwendig machen, was die
Arbeitslosigkeit noch vergrößern würde.
"Es besteht kein Zweifel daran, dass wirtschaftlich gesehen das iranische
Regime gescheitert ist", so der Ökonom Doron Faskin von der Firma InfoProd.
"Zu Zeiten Hatamis waren zahlreiche Erklärungen über Reformen,
Privatisierung, Förderung des privaten Sektors und der Nuancierung des
iranischen Markts zu hören, auch über die fast vollkommene Fokussierung auf
das Erdöl hinaus. Doch die Dinge sind nicht vorangekommen."
Zudem leidet die iranische Wirtschaft unter einer ganzen Reihe von weiteren
schweren Problemen, wie den hohen Schutzzöllen, einem schleppenden und nicht
konkurrenzfähigen Bankensystem, das zu Zeiten der Revolution verstaatlicht
wurde, obwohl in den letzten Jahren mehrere Privatbanken eröffnet wurden,
sowie einer durchschnittlichen Inflationsrate von 15% in den letzten Jahren.
Das Regime war gezwungen, die Unterstützung der Bevölkerung mit Hilfe eines
weit gefächerten und sehr teuren Subventionssystems für Grundnahrungsmittel
und Energie zu erkaufen, die die Verschwendung und den örtlichen Verbrauch
von Erdöl fördern, sowie Subventionen für Landwirte. Im vergangenen Jahr war
der Iran gezwungen, ein Budget von 3 Milliarden Dollar für die Finanzierung
der weiterhin ansteigenden Kosten der verschiedenen Subventionen zur
Verfügung zu stellen.
Die Karte, die der Iran noch im Ärmel hat, ist die Erdöl- und
Naturgasindustrie, die die Aufmerksamkeit von Staaten wie China, Indien und
Russland auf sich zieht. Obwohl im Grunde auch hier das schwarze Gold
weniger glänzt, als zu erwarten wäre. Der Iran fördert zwar täglich rund 4
Millionen Tonnen Erdöl, im Gegensatz zu Saudi-Arabien, das 9,5 Millionen
Tonnen täglich fördert. Im Irak sind es 2 Millionen und in Kuwait 2,5
Millionen. Doch der örtliche Verbrauch erreicht ca. 1,5 Millionen Tonnen.
Der Iran strebt an, den Ertrag bis zum Jahr 2020 auf 8 Millionen Tonnen zu
erhöhen.
Globes, 14.5.,
www.israel.de
hagalil.com 21-05-2006 |