"Hoo-Na-Ra":
Zu Gast bei Freunden im Geiste
Hooligans, Nazis und Rassisten
beabsichtigen, die Fußball-Weltmeisterschaft zur Bühne werden zu lassen.
Warnende Zeichen gibt es schon länger.
Von Olaf Meyer
Telepolis, 08.05.2006
Ein szenetypisches Warm-up für das Begleitprogramm der
immer näher rückenden Fußball-Weltmeisterschaft ist längst erfolgt. Am
ersten Advent 2005 hatten sich an einem Grenzstein im Wald nahe dem
brandenburgischen Briesen deutsche und polnische Hooligans verabredet.
In verschiedenen Online-Foren war danach die Rede vom
"Hooligan-Krieg der schlimmsten Art, generalstabsmäßig geplant, äußerst
brutal durchgeführt". Berichten zufolge sind nach der Hooligan-Schlägerei
bei Briesen die Polen als Sieger aus dem Wald gekommen. Nach Darstellung der
Polizei sollte bei der schlagkräftigen Auseinandersetzung die Frage geklärt
werden, "wer bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 das Sagen in der
Internationalen Fußballszene haben wird".
Nach der Massenschlägerei von zirka 100 Beteiligten wurde
durch Ermittlungsbehörden die Identität von 45 deutschen und 53 polnischen
Hooligans festgestellt. Beteiligt an dieser "Drittortauseinandersetzung"
(Ermittler-Jargon) waren die so genannte deutsche Nordost-Fraktion und
Hooligans von Lech Poznan, angeblich in einer Mann-Stärke von fünfzig gegen
fünfzig - Sicherungsposten nicht eingerechnet. Dabei sei unter den
beteiligten Deutschen einer der Schläger identifiziert worden, der bei der
Fußball-Weltmeisterschaft 1998 den französischen Gendarm Daniel Nivel in
Lens zum Invaliden geprügelt hatte.
Die Polizei erklärte nach dem 27. November 2005, ihr seien
in dieser Größenordnung "bislang keine ähnlichen Auseinandersetzungen
bekannt gewesen". Allerdings hält sich in der Hooligan-Szene hartnäckig die
Darstellung, es habe sich bei der Schlägerei im brandenburgischen Wald um
einen Revanchekampf gehandelt. So sollen bereits am 7. Juli 2005 bei Poznan
über 500 polnische und deutsche Hooligans aufeinandergetroffen sein. Schon
damals sei der Sieg der polnischen Seite "unbestreitbar" gewesen.
Die polnischen Hooligans gelten mittlerweile als brutalste
und härteste auf dem europäischen Kontinent. Im Forum der Ultras Deutschland
spricht man gar von der "schlimmsten Hooliganszene" überhaupt. Im so
betitelten polnischen Hooligan-Krieg der letzten Jahre gab es schon mehrere
Todesopfer. Schlagzeilenträchtig lesen sich Berichte, nach denen Hooligans
in Polen zuweilen Polizeistationen belagern, um inhaftierte Kumpane befreien
zu können. Eine detaillierte Hooligan-Erfassung durch polnische Behörden
gibt es bisher nicht. Mit welcher Vehemenz sich die neue polnische Regierung
– eine Koalition aus Nationalkonservativen, Rechtspopulisten und
Rechtsradikalen – letztendlich auch dieser Problematik annimmt, ist derzeit
nur schwer einzuschätzen.
Als einziger WM-Teilnehmer hatte Polen wenige Wochen vor
Turnierbeginn noch keine Fernsehübertragungsrechte erworben. Schätzungen
gehen davon aus, dass gut 300.000 Polen die WM-Spielorte beziehungsweise die
Public-Viewing-Veranstaltungen mit Großbildleinwänden frequentieren werden.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rechnet mit rund 3.000 gewaltbereiten
polnischen Schlachtenbummlern. Von der Dresdner Morgenpost wurden bereits -
unter Berufung auf Polizeikreise - "20.000 polnische Hools im Anmarsch"
vorausgesagt. Am 14. Juni treten in Dortmund die bundesdeutsche und die
polnische Nationalmannschaft in der Vorrunde gegeneinander an. In einem
deutschsprachigen Hooligan-Forum lautet die Antwort auf eine Suche nach
Videobildern vom berüchtigten 1996er Freundschaftsspiel beider Länder mit
damals rechtsextremistischen Ausschreitungen auf den Rängen: "Bald bekommst
Du aktuelle Fernsehausschnitte zu sehen." Bei den Ultras Deutschland heißt
es einfach nur: "Na dann kommt mal!" Fundierte Hooligan-Strukturen gibt es
allerdings nicht nur im östlichen Nachbarland des WM-Gastgebers.
Inwieweit beispielsweise das Vorgehen der britischen
Behörden gegen aktenkundig bekannte Hooligans von der Insel Erfolg haben
wird, bleibt abzuwarten. So wurde angekündigt, dass 3.286 Hooligans kurz vor
der Weltmeisterschaft der Reisepass abgenommen werde und diese sich zudem im
Laufe des Turniers wiederholt bei der örtlichen Polizei melden müssten. Wer
allerdings jemals die dreiteilige BBC-Dokumentation "Hooligans – Das
Netzwerk der Gewalt" gesehen hat, weiß um den Unterschied zwischen
postuliertem Anspruch und letztendlicher Realität in der internationalen
staatlichen Auseinandersetzung mit der Hooligan-Szene. Mittlerweile gibt es
Hinweise, dass englische Hooligans auch Reiserouten über Polen in Erwägung
ziehen, um so Einreiseverboten ins WM-Gastgeberland aus dem Weg gehen zu
können.
In bundesdeutschen Gefilden werden im Vorfeld der
Weltmeisterschaft die "Hoo-Na-Ra"-Schlachtrufe auf den Stadien-Rängen und
darüber hinaus nicht gerade leiser. "Hoo-Na-Ra" bedeutet nichts anderes als
"Hooligans-Nazis-Rassisten" und hat als eindeutiges Bekenntnis nicht allein
im Umfeld von Fußball-Ereignissen gewisse Bedeutung erlangt. Das Landesamt
für Verfassungsschutz Sachsen konstatierte bereits im November 2004: "Neben
den Medien Musik und Internet nutzen Rechtsextremisten schon seit einiger
Zeit sportliche Aktivitäten, um Jugendliche anzusprechen und an sich zu
binden. Dabei spielt der Fußball auf Grund der verbreiteten Beliebtheit eine
besondere Rolle".
Ob allerdings ohne das Weltfußball-Turnier im eigenen Land
beispielsweise eine Meldung über Attacken auf einen dunkelhäutigen Fußballer
(Wird die Fußball-Welt zu Gast bei Freunden sein?) ebenso die Öffentlichkeit
erregt hätte, ist zumindest fraglich. Die Affinität von Hooligan- oder
Ultra-Gruppierungen zum Rechtsextremismus – natürlich nicht generell
verallgemeinernd und mit ebenso couragierten Ausnahmen – ist mehrfach
national und international nachgewiesen worden.
Der NPD-Landesverband Sachsen kündigte bereits vor einiger
Zeit "Aktionen zur Fußball-WM" an. So wolle die NPD "vor allem die
Fußballmannschaft des Iran zu ihrem am 21. Juni in Leipzig stattfindenden
Spiel im Freistaat begrüßen". Dabei wollen "die sächsischen
Nationaldemokraten ein bewusstes Zeichen der Solidarität mit einem Volk
setzen, das wohl in nicht allzu ferner Zukunft mit einem brutalen
Militärschlag der USA und ihrer Verbündeten rechnen muss, weil es sich dem
Diktat des angeblich 'freien Westens' nicht unterordnen will". In diesem
Zusammenhang werden länderübergreifende judenfeindliche Kampagnen während
der WM-Tage prognostiziert. Auf einer Demonstration der so genannten Freien
Nationalisten um Christian Worch am 1. Mai 2006 in Leipzig wurde der
kürzlich verstorbene Präsident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, von
Sascha Krolzig mit dem Nachruf "Über Tote nur Gutes – Gut, dass er tot ist!"
bedacht.
Darüber hinaus hat die NPD bereits Demonstrationen in
mehreren WM-Spielorten und in Thüringen (Die neue braune Mitte im Schatten
des Ettersberg) angemeldet. Besondere rechtsradikale Zuwendung soll dabei
augenscheinlich das bereits erwähnte Leipziger Vorrunden-Spiel Iran gegen
Angola erfahren. Hooligans und Rechtsextremisten aller Couleur (Neonazis
entdecken WM) gehen offenbar davon aus, dass während der
Weltmeisterschaftswochen die stark beanspruchte Polizei "ein geschwächter
Gegner sein wird", so jedenfalls die Einschätzung des Verfassungsschutzes.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist sich indes aller national
und international getroffenen Vorkehrungen sicher: "Wer stören will, soll
besser fern bleiben."
© Heise Zeitschriften Verlag
'HOO-NA-RA':
Zu Gast bei Feinden
Dass nicht alle Bewohner dieses Landes gewillt sind, der Welt ein guter
Freund zu sein, zeigen vermehrt die antisemitischen und rassistischen
Vorkommnisse in und außerhalb der Stadien...
hagalil.com 11-05-2006 |