Wegen Leugnung von NS-Verbrechen:
John Gudenus – nicht rechtskräftig – verurteilt
Von Karl Pfeifer
Der ca. 1.95 m hohe Angeklagte macht einen seltsamen
Eindruck. In seinen Kreisen wird er mit "Herr Graf" tituliert, als
Angeklagter im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts mit Herr
Mag. Gudenus angesprochen. Er ist 65, sein Vater soll 1945 abgeschossenen
amerikanischen Piloten geholfen haben, worauf die Todesstrafe stand. Er hat
die Mittelschule in der Schweiz absolviert und die war NS-feindlich. Richter
Walter Stockhammer spricht er mit Herr Hofrat an. John Gudenus hat schon
bessere Zeiten gesehen, er war Oberst im Bundesheer, Abgeordneter im
Nationalrat und im Bundesrat und ist noch immer Herausgeber der
einschlägigen Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit", die auch durch deren zweiten
Herausgeber Dr. Johann Josef Dengler vertreten ist, nur der dritte
Herausgeber und Chefredakteur Andreas Mölzer fehlt. Sonst sah man noch den
Herrn Dipl. Ing.Lüftl, ein Mann der auch eine dezidierte Meinung zum Thema
Gaskammern im Dritten Reich hat und Herrn Dr. Romig, der sich in "Zur Zeit"
oft und gerne über Juden auslässt.
Gudenus hat mit einer Gruppe von ca. 15 Leuten das
ehemalige Konzentrationslager Mauthausen besucht, darunter auch M.A.F, der
erst Mitte April Gast einer Palästinasolidarität- Konferenz in Teheran war
und dort die Islamische Republik in höchsten Tönen gelobt hat, wird in der
Anklageschrift als "der durch antizionistische und Israel-kritische Äußerung
bekannt gewordene Oberrabbiner der "Orthodoxen Wiener Kultusgemeinde"
qualifiziert. In Mauthausen hat sich der "Graf" eine geschmacklose Bemerkung
erlaubt, die ihm strafrechtlich natürlich nicht zu Last gelegt werden kann,
die aber ein Licht auf die Haltung dieses ehemaligen FPÖ-Politikers wirft.
Mag. Gudenus behauptet felsenfest, wenn man kein "Hilfsschüler" sei und er
sei keiner, dann wisse man, dass das Dritte Reich von 1933 bis zum
"Anschluss" Österreichs bestand, dann aber Großdeutsches Reich hieß.
Tatsächlich aber wird das Dritte Reich bis heute allgemein als synonym für
das Naziregime bis 1945 bezeichnet. Diese Äußerungen von John Gudenus werden
später vom Staatsanwalt Karl Schober als Haarspalterei bezeichnet.
Zur Last gelegt werden Gudenus zwei Interviews, die er 2005 dem ORF und dem
"Standard" gegeben hat. Im Gespräch mit Mag. Linsinger vom Standard, meinte
er dass die Gaskammern nicht im Dritten Reich sondern in Polen waren. Um
dies zu bekräftigen beruft sich Gudenus auf ein österreichisches Schulbuch
für die IV Klasse Hauptschule, ein Argument, dass weder vom Gericht, noch
vom Staatsanwalt akzeptiert wird.
Verteidiger Farid Rifaat zitiert ein Urteil des Obersten Gerichtshofes, dass
einem wegen VerbotsG verurteilten Mann, "persönliche Unsicherheit"
zugestand, doch zum Pech der Verteidigung kann auch dieses Argument nicht
ernst genommen werden, denn John Gudenus drängt es förmlich immer wieder
seine Meinung zur Frage der Gaskammern herauszuposaunen. Rifaat wird vom
Staatsanwalt korrigiert, nachdem dieser auch "historische Unsicherheit"
geltend gemacht hat, diese – so Staatsanwalt Schober – wenn sie Gaskammern
betrifft bedeutet Leugnung oder Verharmlosung und wird geahndet.
Freilich Rifaat und Gudenus scheinen Kreide gegessen zu haben, im
Gerichtssaal wird diese "schreckliche Zeit" beklagt und nachdem das
inkriminierte ORF-Interview gezeigt, und das Tonband des im Cafe gemachten
Standard-Interviews vorgespielt wird, beantragt Rifaat das Vorführen einer
Erklärung von Lea Rosh, zum Holocaustdenkmal in Berlin, und tatsächlich wird
die Vorführung genehmigt, doch zum Pech des Angeklagten stellt sich heraus,
dass Frau Rosh das heutige Deutschland und das heutige Polen meinte.
Staatsanwalt Schober zerpflückt die Argumentation des Angeklagten. Nie hat
dieser darauf hingewiesen, dass er das "Dritte Reich" lediglich bis zum
"Anschluss" gelten lässt. Auch nicht vor der Untersuchungsrichterin, vor der
er die Aussage verweigert hat. Das gleiche gilt auch von den anderen
Argumenten des Verteidigers. Staatsanwalt Schober verlangt eine – wenn auch
nur symbolische – Bestrafung des Angeklagten, der als Bundesrat Vorbild
wenigstens seiner Gesinnungsgemeinschaft hätte sein sollen, er betont auch,
dass Politikeraussagen nicht getrennt werden können in privat und
öffentlich. Ein Interview ist sowieso immer öffentlich. Laut Staatsanwalt
wäre ein Freispruch "ideologischer Nährboden für Neonazi".
Farid Rifaat wiederholt die Wortklauberei mit III.Reich und Großdeutsches
Reich, spricht von der "jüdischen Abstammung" von Lea Rosh, als ob dies eine
Bedeutung hätte und natürlich auch vom "medialen Druck".
John Gudenus redet den Richter während seines Schlusswortes wieder mit "Herr
Hofrat" an, den Staatanwalt glaubt er belehren zu müssen, weil dieser nichts
zu seinen Gunsten gesagt hätte, obwohl dies auch seine Pflicht gewesen wäre.
Und er weist noch darauf hin, dass er doch 1992 das Silberne Ehrenzeichen
der Stadt Wien und 2000 das große Ehrenzeichen der Republik Österreich aus
den Händen des Herrn Bundespräsidenten empfangen hat.
Danach entlarvt sich John Gudenus als ein älterer Herr, der seine Worte
nicht behalten kann. Er weist auf seine Schulbildung in der Schweiz hin und
dass er die Neutralität befürwortet, dass er gegen die Abfangjäger, gegen
die EU-Verfassung und gegen die EU-Erweiterung gestimmt hat. Vollends
skurril wird es, als dieser pensionierte Oberst des Bundesheeres mitteilt,
er hätte sich schon vor Jahren zum Pazifismus bekehrt, er sei
österreichischer Patriot und ein der Schweiz ausgebildeter
Fundamentaldemokrat, der für die Volksabstimmung eintritt.
Das Gericht hört sich seine Suada, die nichts mit der Sache zu tun hat,
geduldig an.
Nach eineinhalbstündiger Beratung kehren die acht Geschworenen zurück und
geben ihr Urteil bekannt, zum ORF Interview 7 gegen 1: schuldig, zum
Standard-Interview 8 gegen O schuldig. Richter Stockhammer verkündet das
Urteil kurz und bündig, die Unbescholtenheit des Angeklagten wird zur
Strafmilderung, die Wiederholung der Straftat zur Verschärfung des Urteils
herangezogen. Das Urteil lautet ein Jahr Haft bedingt mit dreijähriger
Bewährungsfrist.
Anwalt Farid Rifaat meldet sofort Nichtigkeit und Berufung an und der sonst
so gesprächige Angeklagte stürmt aus dem Saal ohne den Journalisten eine
Wortspende zu geben.
hagalil.com 01-05-2006 |