Peres bricht das Schweigen:
"Auch Iran kann zerstört werden"
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
"Seid vorsichtig mit euren Drohungen (Israel zerstören
zu wollen), auch Iran kann zerstört werden." Ohne das tabuisierte A-Wort in
den Mund zu nehmen, war klar, was der Vater der israelischen Atomindustrie
meinte. Israels Vizepremierminister Schimon Peres, fast 84 Jahre alt und im
neuen Kabinett Ehud Olmerts für die Förderung von Galiläa und der Negewwüste
verantwortlich, verstieß so gegen ein Redeverbot von Premierminister Ariel
Scharon: Die Minister dürften sich öffentlich nicht zu Irans Atompolitik
äußern.
"Das Faß ist übergelaufen", reagierte der Oberkommandierende der
israelischen Armee, Dan Halutz. Obgleich ihm als Militär nicht zusteht,
Politiker zu kritisieren, sagte er am Montag, dass Peres bis "hart an die
Grenze dessen gegangen sei, was Israel noch nicht zu konkreten Schritten
verpflichte." Halutz forderte, zum Militärpotential Israels Schweigen zu
bewahren.
Das offizielle Israel reagiert seit einem Jahr auf iranische Drohungen mit
eisernem Schweigen. Premierminister Olmert machte eine Ausnahme, indem er
kürzlich gegenüber der Bild-Zeitung den iranischen Präsidenten einen
Psychopaten nannte und ihn so gefährlich einstufte wie Hitler. Doch direkte
militärische Drohungen, etwa einer präventiven Zerstörung der Atomanlagen
oder eines Zweitschlags waren bestenfalls Pressespekulationen, mit
sogenannten "Geheimdienstkreisen" als Quellenangabe.
Weltweites Aufsehen erregte ein Bericht der britischen Sunday Times. Da
hätten israelische Geheimdienstleute über einen Plan nachgedacht, erst Iran
zu bombardieren und dann Bodentruppen per Hubschrauber, über das feindliche
Syrien hinweg, zweitausend Kilometer weit, nach Iran zu verlegen. Selbst ein
Gefreiter der Bundeswehr weiß, dass die Verlegung von großen Kampfverbänden
per Hubschrauber von Berlin nach Palermo auf Sizilien ohne Auftanken und
Pause reiner Quatsch ist. Im gleichen Artikel wurde auch behauptet, dass die
Amerikaner mit ihren 180.000 Truppen im Irak und Flugzeugträgern im
Persischen Golf "unfähig" zu einem Schlag gegen Iran seien, "weil sie nicht
genügend Soldaten zur Verfügung hätten."
Nach Angaben des britischen Forschungszentrums Janes besteht freilich die
gesamte israelische Armee nur aus 170.000 Soldaten. Hinzu kommt, dass
Israels "bunkerbrechende Bomben", aus den USA stammen. Es ist anzunehmen,
dass die Amerikaner ihre eigenen Waffen mindestens ebenso gut bedienen
können wie die Israelis. Erst als Jacques Chirac damit drohte, "Terroristen"
zur Not auch mit Atomwaffen zu bekämpfen und US-Präsident George Bush seine
eigene "militärische Option" auf den Tisch legte, wurde es Still um
Mutmaßungen zu einem israelischen Angriff, bis zu den Äußerungen von Schimon
Peres.
Israels Altpolitiker reagierte auf die Erklärung des iranischen Admirals
Mohammad-Ebrahim Dehqani. Der drohte, nach einem US-Schlag Israel als erstes
angreifen zu wollen. Dehqani behauptete auch, dass das kleine Israel mit
einer Atombombe ausgelöscht werden könne, während die riesige Welt des Islam
"nur beschädigt" würde. Peres dürfte deshalb eher einen israelischen
Zweitschlag gemeint haben.
Israel hat niemals eingestanden, Atomwaffen zu besitzen. Seit dreißig Jahren
betreibt Israel eine Politik der Zweideutigkeit. Zwecks Abschreckung belässt
Israel seine potentiellen Feinde im Glauben, die "ultimative Waffe" zu
besitzen. Diese "Gewissheit" soll Anwar el Sadat davon überzeugt haben, "die
Juden nicht mehr ins Meer werfen" zu können, wie es sein Vorgänger Gamal
Abdel Nasser beabsichtigte. Deshalb habe Sadat mit Israel Frieden
geschlossen. Spätestens seit den Enthüllungen des Atomspions Mordechai
Vanunu, hat Israels Politik der Zweideutigkeit Risse bekommen. Die Welt ist
fest überzeugt, dass Israel zwischen 200 und 300 Nuklearbomben und
entsprechende Trägerwaffen wie Raketen, Flugzeuge und deutsche
Dolfin-U-Boote besitze. |