AJC Berlin:
"Die jüdische Gemeinde ist hier, um zu bleiben"
Seit 1998 hat das American Jewish
Committee ein Büro in Berlin. Die Verbindungen zu Deutschland
reichen aber fast hundert Jahre zurück
Von Philipp Gessler
Schon der Gruppe jüdischer Honoratioren, die vor
100 Jahren in New York das American Jewish Committee (AJC) gründete,
lag Deutschland am Herzen - weil die meisten von ihnen deutscher
Abstammung waren. Obwohl Anlass der Gründung der
Menschenrechtsorganisation damals in erster Linie die
judenfeindlichen Pogrome im russischen Zarenreich waren, gab es
schon in den 20er-Jahren im AJC warnende Stimmen, dass die NSDAP in
Deutschland unter Adolf Hitler eine Gefahr für das deutsche Judentum
werden könnte.
Anfang der 30er-Jahre versuchte das AJC, einem Vorgänger des
heutigen Zentralrats der Juden, dem "Central-Verein deutscher
Staatsbürger jüdischen Glaubens", mit einer Spende von 7.500 Dollar
im Kampf gegen die Nazis zu helfen. Und das, obwohl man glaubte,
dass das deutsche Rechtssystem und vor allem rationale Argumente den
Nazis bald den Garaus machen würden. Außerdem gab es auf deutscher
Seite die Besorgnis, dass zu viel offene Hilfe durch jüdische
Organisationen aus dem Ausland die Nazipropaganda von einer
internationalen jüdischen Verschwörung befeuern würde.
Sobald Hitler 1933 an die Macht kam, änderte sich diese Politik -
die Warnungen des AJC vor der Judenpolitik der Nazis wurden
dringender -, obwohl es beim AJC auch da die Befürchtung gab, man
werde in den USA als Kriegstreiber abgestempelt. Mit Kriegsbeginn
1939 engagierte sich das AJC zusammen mit anderen jüdischen
Organisationen für die Rettung verfolgter Juden in Europa. Es
organisierte in den USA Massendemonstrationen, um internationale
Aktionen zur Hilfe der verfolgten Juden zu erreichen. Ansonsten war
das AJC vor allem auf symbolische Gesten angewiesen - etwa den
ersten jüdischen Gottesdienst, den die Organisation mit jüdischen
US-Soldaten noch während des Krieges auf deutschem Boden abhielt:
Das Gebet wurde Ende 1944 im befreiten Aachen gehalten und vom
Rundfunksender NBC ausgestrahlt.
Unmittelbar nach dem Krieg, schon 1945, sandte das AJC seine ersten
Repräsentanten nach Deutschland - vor allem, um den Displaced
Persons, den heimatlosen Holocaust-Überlebenden, zu helfen. Das AJC
zeigte sich erstaunlicherweise immer zuversichtlich, dass eine
"Re-Education" der Deutschen zu demokratischem Denken möglich sei
und dass dies auch die nach dem Krieg weiterhin noch sehr starken
antisemitischen Ressentiments verringern werde. So verabschiedete
das AJC beispielsweise Pläne für einen Wissenschaftleraustausch und
ein Demokratietraining für deutsche Lehrerinnen und Lehrer. Seit
1980 organisierte das AJC mit der Konrad-Adenauer-Stiftung ein
Programm zur Begegnung von (West-)Deutschen mit amerikanischen
Juden.
Obwohl es unmittelbar nach dem Fall der Mauer 1989 im AJC auch
gewisse Befürchtungen gab, dass das wiedervereinigte Deutschland
sich erneut aggressiv gegen seine Nachbarn verhalten könnte, wurde
das Ende des Kalten Krieges doch zuvörderst als Chance begriffen.
Dies fand seinen Ausdruck vor allem darin, dass im Februar 1998 im
Mosse-Palais am Leipziger Platz in Berlin ein AJC-Büro eröffnet
wurde. Seit Anfang 2000 wird es von Deidre Berger geleitet. Sie hat
das AJC in Regierungskreisen wie unter Nichtregierungsorganisationen
noch bekannter gemacht.
Die Fotos an den Wänden des AJC-Büros mit vielen Köpfen der
Bundespolitik zeigen die eine Seite der Aktivitäten: den Kontakt mit
deutschen Politikerinnen und Politikern - "ein Netzwerk von
politischen und diplomatischen Kontakten", wie es das AJC nennt.
Hinzu kommt die Organisation von Konferenzen und Seminaren,
Podiumsdiskussionen, Austauschprogrammen und Expertentreffen: etwa
eine "Task Force Antisemitismus und Erziehung", eine Aktionsgruppe
von Bildungsexperten, die sich alle zwei Monate trifft, ein
Toleranzerziehungsprogramm an Berliner Schulen oder ein
jüdisch-türkischer runder Tisch. Die AJC-Aktivitäten in Deutschland
durchzieht ein US-amerikanischer Grundoptimismus, dass die besten
Zeiten erst noch kommen werden. "Ich sage voraus: Es wird wieder
einen starken jüdischen Einfluss in Deutschland geben", so der erste
AJC-Büroleiter Eugene DuBow, ein würdiger alter Herr, 1998. "Die
jüdische Gemeinde ist hier, um zu bleiben."
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07-05-2006 |