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"Befreites Aufatmen" in Österreich:
Vom "Lernen aus der Geschichte" zur "Friedensmacht" mit Ambitionen

Redebeitrag zum Befreiungsfest am 8. Mai 2006, Schwarzenbergplatz, Wien

Von Alex Gruber, Café Critique

Am 10. April 2006 veröffentlichte "Der Standard" ein Interview mit Bundespräsident Heinz Fischer, welches den kritischen Köpfen der heimischen Gedenkkultur wohl ein anerkennendes Kopfnicken entlockte. Lange Jahre war die österreichische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus durch "kaltes und leeres Vergessen" (Adorno) sowie durch die Formulierung des Mythos vom ersten Opfer gekennzeichnet. In diesem Interview dagegen spitzte das österreichische Staatsoberhaupt eine seit einigen Jahren zu beobachtende Tendenz dermaßen zu, dass sie in der Infragestellung der österreichischen Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 gipfelte.

In dieser würden – so Fischer – "Klischees formuliert, die einer ehrlichen Aufarbeitung dessen, was in Österreich geschehen ist und warum es geschehen ist, jahrzehntelang im Weg gestanden sind." Fischer kritisierte die Entstehung einer "Haltung (…), aus der die Täterrolle vieler Österreicher lange Zeit ausgeklammert wurde" und fügte hinzu: "Es ist eine Errungenschaft der letzten 20 Jahre, dass man sich dazu bekannt hat, der Realität ins Auge zu sehen (…)". Schließlich brachte er mit folgendem Satz die neue Form der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auf den Punkt: "Befreites Aufatmen ist aber erst möglich, wenn man sich mit der Geschichte gründlich auseinandersetzt (…)"

"Befreites Aufatmen" – offener kann man das Bedürfnis nach Überwindung der nationalsozialistischen Vergangenheit wohl kaum aussprechen: Einer Vergangenheit die allein deshalb rationalisiert werden muss – und sei es um den Preis ihrer schuldeinbekennenden Thematisierung – weil sie in den postnazistischen Gesellschaften ein Hindernis für ungebrochene nationale Identifikation darstellt. Einer Vergangenheit, die in diesem Prozess gleichsam eine Transformation erfährt und vom zu Beschweigenden geradezu zum Referenzpunkt kollektiver Sinnstiftung wird.

So tritt neben die bis vor einigen Jahren allein staatstragende Opferthese ein Geschichtsbild, das seinen moralischen Geltungsanspruch gerade aus der vorbehaltlosen Anerkennung der Einzigartigkeit der NS-Verbrechen bezieht. Es kristallisiert sich eine Weltanschauung heraus, die ihre Legitimationsfunktion nicht aus der Relativierung oder dem Verschweigen der Vergangenheit schöpft, sondern ihren moralischen Geltungsanspruch gerade aus der vorbehaltlosen Anerkennung der Einzigartigkeit der Nazi-Verbrechen bezieht. Zeitgenössische nationale Sinnstiftung vollzieht sich heute weniger über Revisionsimus und NS-Nostalgik, wie es der klassische Antifaschismus befürchtet. Sie vollzieht sich vielmehr über Abgrenzung von ebenjenen Phänomenen und im Bekenntnis zur moralischen Verantwortung, die aus der NS-Vergangenheit erwachse. Nachträglich erweisen sich so die linksliberalen Intellektuellen doch noch als die Sieger des Historikerstreits, und ihr Einklagen einer "Vergangenheitsbewältigung" als die durchschlagendere Form postnazistischen kollektiven Identitätsbewußtseins.

Die Weltanschauung, die sich in Heinz Fischers Aussagen reflektiert, verdankt sich jener Sinnstiftung, die Jürgen Habermas bereits zu Zeiten des angesprochenen Historikerstreits zu Papier brachte, als er schrieb, daß sich in Deutschland "eine liberale politische Kultur erst (…) durch Auschwitz, durch die Reflexion auf das Unbegreifliche ausgebildet hat." Noch der Vernichtung von Menschen um ihrer Vernichtung willen soll um jeden Preis Rationalität und Sinn für das nationale Kollektiv abgepresst werden. So werden die ermordeten Jüdinnen und Juden in den Nachfolgegesellschaften des Dritten Reiches abermals zu Objekten degradiert, deren Angedenken aller Welt die demokratische Läuterung ebenjener Gesellschaften beweisen und in weiterer Folge deren neuerliche weltpolitischen Ansprüche legitimieren soll – auch und gerade von den als oppositionell sich selbst Mißverstehenden.

"Befreit aufatmen", das möchte nämlich nicht nur das staatstragende Österreich. Von den offen als antiimperialistisch und antizionistisch sich deklarierenden Gruppen einmal ganz abgesehen, zeigt auch die restliche Linke kaum Interesse an kritischer Gesellschaftstheorie, die Reflexionen über ihre Voraussetzungen und Bedingungen anstellt. Unbelästigt von jenen Störenfrieden, die an die Zumutungen selbstreflexiver Kritik in den postnazistischen Gesellschaften erinnern, will man stattdessen die eigenen Gewissheiten und Ressentiments pflegen, die sich geradezu naturwüchsig gegen die USA und Israel richten. Gerade in diesem naßforschen Auftreten, das sich auf die vermeintlich moralische Position der gezogenen Lehren aus der Vergangenheit beruft, stellt die Linke die Avantgarde der gesellschaftlichen Entwicklung nach 1989 und erst recht nach 9/11 dar.

Diese von der Linken angestoßene, mittlerweile aber gesamtgesellschaftliche Entwicklung ist Manifestation der Herausbildung einer neuen deutsch-europäischen Ideologie. Einer Ideologie, die gerade auf dem Bekenntnis zur nationalsozialistischen Vergangenheit beruht, und die aus diesem Bekenntnis ihren nationalen Mehrwert schöpft. "Nie wieder Krieg!" – dies sei die Lehre, die aus dem Nationalsozialismus zu ziehen sei. Diese Lehre habe Europa – und erst recht natürlich dessen Linke – im Gegensatz zu den USA und zu Israel Ernst genommen. Im Sinne der Menschenrechte und der Vergangenheitsbewältigung seien die postnazistischen Gesellschaften geradezu dazu verpflichtet, sich um Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt zu kümmern: Sie seien aufgrund des erfolgreich absolvierten "Lernens aus der Geschichte" zur "Friedensmacht" geworden und damit zum rechtmäßigen Sachwalter des Erbes der Vernichtung des europäischen Judentums.

Solcherart gelingt noch die Rationalisierung der vollendeten Barbarei, und gerade die Thematisierung der nationalsozialistischen Vergangenheit wird zum Mittel der Aufrechterhaltung des falschen Ganzen. Viel mehr noch: Sie wird zum Mittel des Appeasement mit jenen Kräften, die – wie etwa der iranische Präsident Ahmadi-Nejad – tatkräftig an der Fortsetzung dessen arbeiten, was nur die militärische Kampfkraft der Alliierten 1945 viel zu spät sistieren konnte. Die Thematisierung der Vergangenheit wird zum Instrument im Kampf gegen jene Akteure, die – mit Israel und den USA an ihrer Spitze – sich eben dieser Fortsetzung entgegenstellen.

Alex Gruber ist Koautor des von Stephan Grigat im Freiburger ça ira-Verlag herausgegebenen Bandes "Feindaufklärung und Reeducation. Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus"

http://www.cafecritique.priv.at

hagalil.com 09-05-2006

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