Zahl der rechtsextremen Straftaten wächst:
Mitgliederanstieg bei der Berliner NPD
Von Ralf Fischer
Der Innensenator Dr. Ehrhart Körting (SPD) hat am 05.
April den Verfassungsschutzbericht für das vergangene Jahr vorgelegt. In
diesem werden besonders die aktuellen organisatorische Verschiebung im
extrem rechten Milieu und die anhaltende Gefährdung durch den
transnationalen islamistischen Terrorismus hervorgehoben.
Das Fazit gleich vorweg: Die Gefährdung durch Rechtsextremisten hält trotz
einiger zivilgesellschaftlicher Erfolge an. Zwar sank die Zahl der
Gewalttaten, doch insgesamt musste ein Anwachsen der rechtsextremen
Straftaten von 976 (2004) auf 1551 (2005) verzeichnet werden. Dabei macht
den größten Anstieg Propagandadelikte aus, die sich im Vergleich zum Vorjahr
fast verdoppeln.
Ein weiterer Trend im rechten Milieu wurde im letzten Jahr auch durch die
staatlichen Verbote der Kameradschaften Tor und BASO verstärkt. Die
konventionell strukturierte Kameradschaften verlieren immer mehr an
Bedeutung, und stattdessen entstehen immer mehr rechte autonome
Aktionsgemeinschaften, die bisher vor allem durch "Anti-Antifa"-Aktivitäten
wie die Ausforschung politischer Gegner, Schmierereien und gewaltsame
Auseinandersetzungen auffielen. Zurückgegangen ist auch die Zahl der
subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten.
Doch nicht alle ehemaligen Kameraden machen den neuen rechten Mummenschanz
mit. Einige Aktivisten des Kameradschaftsnetzwerks belebten im letzten Jahr
in Zusammenarbeit mit der NPD deren Jugendorganisation, die Jungen
Nationaldemokraten (JN), neu. Mit einer Demonstration und ihrem
Internetauftritt bekam die JN im Jahre 2005 zwar bisher nur wenig Resonanz
in der Öffentlichkeit. Doch es ist zu erwarten, dass die in der JN
versammelten Kader, sich von ihren bisherigen Tiefschlägen nicht abschrecken
lassen.
Die Rechten in Zahlen
Die Zahl der Rechtsextremisten ist in Berlin leicht gesunken (2005: 2400;
2004: 2435). Die rechten Parteien dagegen konnten nach langjährigen
Mitgliederverlusten wieder leicht zulegen und stellen weiterhin den größten
Anteil des Personenpotenzials. Diese Zunahme geht aber allein auf den
Mitgliederanstieg bei der NPD zurück, so der Verfassungsschutz (VS). Die
Republikaner (REP) stagnierten und die DVU musste wie in den Vorjahren
Verluste hinnehmen. Bei der Bundestagswahl und den Landtagswahlen in
Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen blieben die genannten Parteien
chancenlos.
Die Statistik der "Politisch motivierten Kriminalität – rechts" verzeichnet
im Jahr 2005 einen deutlichen Anstieg von 976 auf 1551 Delikte (59 %). Wie
bereits im Vorjahr sank jedoch die Zahl der darin enthaltenen Gewalttaten
(2005: 52; 2004: 60 Gewalttaten). Allein 20 Gewalttaten entfielen auf den
Bereich der Rechts-Links-Auseinandersetzungen, der damit im Vergleich zum
Vorjahr einen starken Zuwachs zu verzeichnen hatte (2004:13). Der Anstieg
der Straftaten insgesamt ist zu einem großen Teil auf eine Zunahme der
Propagandadelikte zurück zu führen (2005: 1018 gegenüber 2004: 655).
Anhaltende Gefährdung auch durch Islamisten
Dass die Bundesrepublik von islamistisch motiviertem Terrorismus betroffen
sein kann und hier Anschläge geplant und vorbereitet werden, belegen für den
VS nicht zuletzt die in Deutschland geführten Prozesse und Verurteilungen
von Terroristen sowie aufgedeckte Anschlagsvorbereitungen. So hatte zum
Beispiel die Al- Tawhid-Zelle Anschläge auf jüdische Einrichtungen – auch in
Berlin – geplant und vorbereitet. Mitglieder dieser Zelle wurden 2005 vor
dem OLG Düsseödorf verurteilt.
Derzeit sind in Berlin, nach Angaben des Verfassungsschutzes, 3410
Islamisten aktiv. Das sind 220 weniger als im Vorjahr. Im Bereich des nicht
gewaltorientierten Islamismus bildet in Berlin die türkische „Islamische
Gemeinschaft Milli Görüs e.V.“ (IGMG) die größte Gruppe. Der VS beobachtet
zwar bei Teilen der IGMG, sich von der islamistischen Ideologie
freizumachen, doch ob dieser Prozess gelingen wird, bleibt für die
Verfassungsschützer offen. Für sie ist jedenfalls bisher noch keine
Distanzierung von der Ideologie Erbakans erkennbar.
©
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 9.4.2006
hagalil.com 11-04-2006 |