Eindrücke aus der deutschen Hauptstadt:
Hoyerswerda in Pankow
In Berlin-Pankow empören sich Bürger
und die NPD darüber, dass eine Moschee errichtet werden soll.
Von Nada Kumrovec
Jungle World
14 v. 05.04.2006
Es ist schwül. Die Vorgartenidylle in Heinersdorf, im
Ostberliner Bezirk Pankow, wird in die dunkleren Farbtöne des frühen Abends
getaucht. Für die Heinersdorfer Bürger das ideale Aufmarschwetter.
Unaufhörlich strömen die Massen heran. In pinke Steppjacken oder beige
Blousons gehüllt, aber auch in den landestypischen Jogginghosen und
Hauspantoffeln geht es an diesem Donnerstag zum Volksfest. Heute heißt das
Fest "Bürgerversammlung".
Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow hat am Donnerstag
voriger Woche eingeladen, um den Bürgern von Heinersdorf die Gelegenheit zu
geben, mit Angehörigen der Ahmaddiyya-Muslim-Gemeinde und Politikern des
Bezirks über den geplanten Neubau einer Moschee in Heinersdorf zu
diskutieren. Die Versammlung wird begleitet von laufenden Fernsehkameras
und einer behelmten Hundertschaft der Polizei.
Bereits am 9. März haben während einer Sitzung des Bauausschusses über 100
Bürger ihre Wut darüber zum Ausdruck gebracht, dass man sie nicht vorab über
die Pläne zum Bau einer Moschee in dem Stadtteil informiert habe. In einem
Flugblatt, das mit "betroffene Bürger" unterzeichnet war und an die 6000
Heinersdorfer verteilt wurde, hieß es, dass die höhere Arbeitslosigkeit
unter den Muslimen "unser Hab und Gut gefährde". Es rief unter dem Titel
"Moschee im Dörfli nee!" zur Teilnahme an der Bürgerversammlung auf.
Bereits auf dem Weg zum Veranstaltungsort, der Turnhalle der Grundschule am
Wasserturm, wird man mit der berüchtigten Berliner Schnauze konfrontiert.
Auf die Frage, was hier eigentlich los sei, reagieren angespannte Rentner
prompt: "Das ist eine Demonstration!" Jugendliche mit gefärbten Haaren
bekennen: "Wir wollen hier keine Ausländer!" Eine halbe Stunde vor dem
angekündigten Beginn der Veranstaltung platzt die Halle aus allen Nähten.
Über 700 Leute sitzen und stehen auf engstem Raum beieinander. Niemand darf
mehr rein. Der sichtlich verängstigte Vorsteher der BVV, Jens Holger
Kirchner von den Grünen, versucht verzweifelt, die völlig aufgebrachten
Leute vor der Halle zu beruhigen: "Ihr Anliegen wird heute live vom RBB
übertragen!" Die Masse klatscht frenetisch, und dann buht sie wieder
kollektiv, schließlich ist er ja einer der Politiker, von denen man sich
nicht auf der Nase herumtanzen lassen will. "Hauptsache, wir sind hier!" und
"Wir lassen uns nicht über den Tisch ziehen!" rufen die Anwesenden. Die
Versuche, den Eingang zu stürmen, sind augenscheinlich nicht dem
Wissensdurst und dem Informationsbedarf geschuldet, sondern dem tief
sitzenden Ressentiment gegen "die da oben" und die Ausländer.
In der Turnhalle kocht derweil die Stimmung schon auf einer höheren Flamme.
Pöbeleien und Attacken wechseln sich ab mit wüsten Beschimpfungen von
Türken, die "Frauen erschießen", und mit Kommentaren von der Art: "Da muss
man mit der Panzerfaust ran!" Die rund 50 anwesenden Neonazis, darunter auch
der Vorsitzende der NPD in Pankow, Jörg Hähnel, lachen sich ins Fäustchen
und halten sich gegenseitig den erhobenen Daumen entgegen. Draußen stehen
sie in einer Gruppe und feixen: "Hast du das gesehen? Die Bürger, ey.
Respekt!" Vor der Versammlung war es der evangelische Pfarrer Kaehler, der
die Stimmung gegen die muslimische Gemeinde angeheizt hatte. Im Saal pöbelt
René Stadtkewitz (CDU), Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, am
lautesten.
Nachdem die Polizei alle Anwesenden gebeten hat, den Saal zu verlassen, weil
die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne, skandiert die Menge
kollektiv: "Wir sind das Volk!" Auch die draußen Stehenden strecken die
rechte Faust und stimmen in den Chor mit ein. Währenddessen eskortiert die
Polizei die Mitglieder der Ahmaddiyya-Gemeinde durch die Menge hindurch in
andere Räume der Schule. Die Leute rufen: "Haut ab! Haut ab!"
"Denen haben wir’s aber gezeigt!" kommentieren die Bürger und verlassen mit
einem zufriedenen Lächeln das Gelände. Diejenigen, die vorgeben, wirklich
diskutieren zu wollen, sind empört über die Politiker und fühlen sich
"verarscht". Kirchner, der für die schlechte Organisation, die niedrigen
Renten und die Toleranz gegenüber Kopftuchmuttis verantwortlich gemacht
wird, erhält in dem Tumult eine Morddrohung. "Da herrschte Lynchstimmung!"
sagt Annabelle Wolf von den Jusos-Nordost entsetzt. Auch Catharina
Schmalstieg von der Mobilen Beratung gegen Rechts ist völlig fassungslos:
"Ich kenne ja die Argumente. Aber so etwas habe ich noch nie erlebt!"
Am Samstag marschieren dann unter dem Motto "Nein zur Moschee" rund 100
Neonazis durch Pankow. Begonnen wird am Bahnhof Wollankstraße, wo früher die
Mauer verlief. "Der Osten wird sich nicht so entwickeln wie der Westen, wo
Lehrer und Polizisten vor den Migranten kapitulieren", verspricht Hähnel
während seiner Rede. Zwar seien die Angriffe der Türken auf Europa in den
Jahren 1529 und 1683 noch erfolgreich zurückgeschlagen worden. Doch ihr
derzeitiger Angriff sei bisher der schwerste: "Heute Kreuzberg! Morgen die
ganze Welt." Der "Migrant" zwinge die Frauen unter das Kopftuch und
entfremde die deutsche Heimat, meint die NPD. Die Forderung könne deswegen
nur noch lauten: "Mehmet, Ali, Mustafa, geht zurück nach Ankara!"
Von den Bürgern, von denen die meisten noch am Donnerstag bekundeten, an der
Demonstration teilnehmen zu wollen, ist nichts zu sehen. Mit den Rechten
will man dann doch nichts zu tun haben, aber mit dem, was "drüben" los ist,
auch nicht. "Das Boot ist voll!" meint ein Bürger am Rande des Aufmarsches.
Zwar sind keine Menschen zu sehen, die klatschen, aber die meisten Anwohner
und Gewerbetreibenden machen auf Nachfrage keinen Hehl aus ihrer
grundsätzlichen Zustimmung zu den Ansichten der Neonazis.
Über die Moschee redet niemand. Alle sprechen nur davon, dass jeder, der
nicht Deutsch lernen wolle, hier nichts zu suchen habe, die
Jugendkriminalität steige, das Stadtbild und die Bevölkerungsstruktur
zerstört werde und die Grundstückspreise sänken. Dass diese in Pankow so
niedrig sind, war übrigens ein Grund dafür, warum es die
Ahmaddiyya-Gemeinde überhaupt in den Osten getrieben hat.
Protest gegen Moschee:
Instrumentalisierte Angst
In der Hoffnung ein paar Prozentpunkte für die kommende Abgeordnetenhauswahl
zu sammeln, mobilisiert die NPD derzeit gegen den geplanten Bau einer
Moschee in Berlin-Pankow. Bisher nur mit mäßigem Erfolg...
hagalil.com 06-04-2006 |