In Ruhe studieren:
In einem israelischen Gefängnis
Artikel von Amos Harel, Ha'aretz, 14.04.2006
Übersetzung Daniela Marcus
Junge Palästinenser, die beinahe täglich mit
Messern an Straßensperren in der Westbank festgenommen werden,
wollen in israelische Gefängnisse gebracht werden, um sich dort in
Ruhe auf ihr Examen vorbereiten zu können.
Seit Beginn des Jahres wurden 101 Palästinenser an Straßensperren
verhaftet. Sie alle waren in Besitz eines Messers. Die Homepage
israelischer Siedler mit dem Namen www.yeshanews.com scheint die
einzige zu sein, die diese Vorfälle genau festhält.
Bei Befragungen gaben 35% der Palästinenser zu, sie seien auf dem
Weg gewesen, um jemanden niederzustechen, vor allem israelische
Soldaten an den Straßensperren. Eine Anzahl von Palästinensern wurde
auch in Jerusalem und in Tel Aviv festgenommen.
Seit Jahresbeginn gab es in Israel selbst vier Messerstechereien
dieser Art. Im Februar erstach ein Palästinenser Kineret Ben-Shalom
Hajabi in Petach Tikvah. In Ma’aleh Adumim wurde ein Mann
niedergestochen und schwer verletzt. Zwei weitere Männer wurden an
der Gush-Etzion-Kreuzung durch Messer verletzt.
Obwohl die Sicherheitsinstitutionen keine genauen Zahlen der
vergangenen Jahre präsentieren, ist bekannt, dass diese Vorfälle um
viele Prozent angewachsen sind. Auch das Werfen von Steinen und
Brandbomben hat mit der Rückkehr des "Volksaufstandes" zugenommen.
Diese Entwicklungen sind wahrscheinlich mit der Übergangsphase in
der palästinensischen Autonomiebehörde verbunden. Gegenwärtig
unterlässt die Hamas Terrorakte, doch die Fatah nimmt sie wieder
auf. Während die Frustration, die durch die strikten
Bewegungseinschränkungen der israelischen Armee, die
Wirtschaftskrise und den politischen Status hervorgerufen wird,
wächst, agieren immer mehr Palästinenser, die keiner Organisation
angehören, auf eigene Faust.
Der Anstieg der Verhaftungen kommt auch daher, dass israelische
Soldaten seit dem tödlichen Messerangriff im vergangenen Dezember
auf den Grenzpolizisten Nir Kahana, der an der Straßensperre von
Qalandiyah Dienst tat, wachsamer geworden sind.
Es gibt jedoch auch eine weitere, inoffizielle Erklärung, die von
palästinensischen Quellen, inklusive verhafteter Jugendlicher,
bestätigt wird. Einige der Verhafteten –militärische Quellen
schätzen den Anteil auf 50%- wollten schlichtweg verhaftet werden.
Seit Anfang März wurden sieben Palästinenser mit Messern an der
Salem-Straßensperre auf der "Grünen Linie" an der nordwestlichen
Ausfahrt von Jenin verhaftet. Fünf weitere wurden mit Knallkörpern
bzw. Rohrbomben erwischt. Die Soldaten bekamen den Eindruck, dass
sich die Jugendlichen stellen wollten. An der südlichen Ausfahrt von
Nablus, in Hawara, werden beinahe täglich Jugendliche verhaftet, die
Munition oder Rohrbomben bei sich tragen. In manchen Fällen
versuchen sie nicht einmal, die Waffen zu verstecken.
Das Oberkommando der israelischen Armee sagte gegenüber "Ha'aretz",
die Jugendlichen wollten gefangen genommen und in israelische
Gefängnisse gebracht werden, um dort im Sommer ihr Examen machen zu
können. Denn zu Hause sei das Studieren auf Grund wirtschaftlicher
Einschränkungen und der Notwendigkeit, für den Lebensunterhalt der
Familie mitzusorgen, zu schwierig.
hagalil.com 16-04-2006 |