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Reiner Bernstein im Interview:
"Abbas ist Trumpf"

Reiner Bernstein von der Genfer Friedensinitiative glaubt nicht, dass einseitige Maßnahmen Israels der richtige Weg zum Frieden sind.

Interview: Ivo Bozic
Jungle World 11 v. 15.03.2006

Welche Bedeutung haben die Wahlen in Israel für den Friedensprozess?

Nach allen Vorhersagen wird die Kadima-Partei von Erhud Olmert die Wahlen gewinnen. Aber sie wird wohl Koalitionspartner brauchen, um mindestens 61 Sitze in der Knesset zu erreichen. Von daher gibt es verschiedene mögliche Einflüsse auf die künftige Politik.

Die Genfer Initiative ging immer von der PLO als Verhandlungspartner aus. Nun haben wir es mit der Hamas zu tun. Glauben Sie, dass mit dieser palästinensischen Führung überhaupt noch im Sinne Ihrer Initiative verhandelt werden kann?

Die Hamas pendelt momentan zwischen Extremismus und Pragmatismus. Es gibt heftige Flügelkämpfe, und ich bin davon überzeugt, dass sich der pragmatische Flügel schließlich durchsetzen wird. Die meisten Palästinenser haben die Hamas nicht wegen ihres fundamentalistischen Kurses gewählt, sondern weil die bisherige Autonomiebehörde versagt hat.

Baut die Genfer Initiative nun Kontakte zur Hamas auf?

Zuerst müssten jene Palästinenser gefragt werden, die sich zur Genfer Initiative bekennen. Es wäre verfehlt, wenn das israelische Team Sonderkontakte zur Hamas aufnehmen würde, ohne die palästinensischen Partner zu befragen. Zunächst wird man untereinander klären, ob es sinnvoll ist, solche Kontakte aufzunehmen.

Was halten Sie von der Forderung Israels, die Hamas zu isolieren, wenn sie, und so sieht es ja aus, nicht bereit ist, dem Terror abzuschwören?

Wenn Europa oder die Weltbank die finanziellen Mittel an die Autonomiebehörde kürzen oder einstellen sollten, würde man das Wahlvolk der Hamas weiter radikalisieren. Es ist daher eine vernünftige Strategie, wenn die internationale Gemeinschaft die Palästinenser finanziell unterstützt.

Die EU hat der Autonomiebehörde gerade über 120 Millionen Euro überwiesen, um den Kollaps der palästinensischen Verwaltung zu verhindern. Wird dieses Geld nicht auch die Hamas stärken?

Das bleibt abzuwarten. Aber die Mittel, die bisher an die Autonomiebehörde geflossen sind, haben auch nicht dazu beigetragen, dass jene Kräfte gestärkt wurden, die bereit waren, auf einen realistischen Kurs einzuschwenken. Gerade die Europäer müssen sehr darauf achten, dass jene Partner gestärkt werden, die tatsächlich die Anerkennung Israels vorantreiben wollen. Gleichzeitig muss die internationale Gemeinschaft die Israelis dazu drängen, ihren Teil zur Stabilisierung in der Region beizutragen. Auch Israel muss veranlasst werden, seinen Kurs grundlegend zu verändern.

Der Rückzug Israels aus Gaza und dem Westjordanland ist eine solche wichtige Prämisse Ihrer Initiative. Der erfolgte Gaza-Rückzug scheint die militanten Palästinenser jedoch eher ermutigt zu haben. War der Rückzug ein Fehler?

Nach Auffassung der Genfer Initiative wäre es dienlicher und vielversprechender gewesen wäre, wenn Sharon den Rückzug aus dem Gaza-Streifen mit den Palästinensern vereinbart hätte, statt einseitig vorzugehen. Damit die Befürchtung »Gaza zuerst - Gaza zuletzt« nicht eintritt, muss die Genfer Initiative mehr denn je darauf achten, dass künftige Rückzüge aus der Westbank und Kompromisse für Ostjerusalem beidseitig vereinbart werden. Die Westbank und Ostjerusalem sind die territorialen Knackpunkte, Gaza war das nie.

Wie ist Ihre Vorstellung vom Rückzug im Westjordanland? Ist es überhaupt möglich, ganze Städte wie die Siedlung Ariel zu verlegen?

Das wird in der Tat äußerst schwierig sein. Deshalb hat die Genfer Initiative ein Kompensationsangebot vorgelegt, wonach diejenigen Flächen, die Israel annektieren würde, durch israelischen Grund und Boden im Verhältnis von 1:1 entschädigt werden.

In dem Genfer Entwurf für ein Friedensabkommen heißt es: "Der Staat Israel ist verantwortlich dafür, die auf palästinensischem Hoheitsgebiet lebenden Israelis außerhalb dieses Gebiets umzusiedeln." Warum sollen eigentlich in einem palästinensischen Staat keine Israelis leben dürfen, während in Israel 1,3 Millionen Palästinenser leben?

Ich glaube nicht, dass die Genfer Initiative den Israelis, die im Staat Palästina bleiben wollen, dieses Recht verweigern möchte. Vielmehr geht das israelische Team davon aus, dass die Siedler nicht unter palästinensischer Souveränität werden leben wollen. Aber Sie haben Recht: Die 1,3 Millionen Araber mit israelischem Pass wollen keinesfalls in einen palästinensischen Staat übersiedeln . Das bedeutet, dass es auf der einen Seite einen ethnisch "reinen" Staat Palästina geben würde, und auf der anderen Seite ein ethnisch "gemischtes" Israel, was im Nahen Osten aber durchaus gängig ist, wenn man etwa an Libanon und Irak denkt.

Die Flüchtlingsfrage nimmt in Ihrer Initiative einen wichtigen Platz ein. Kommen Sie damit der politischen Instrumentalisierung dieses Themas durch die Palästinenser nicht zu sehr entgegen?

Die israelischen "Genfer" können den Palästinensern nicht den Traum von der Rückkehr verbieten. Andererseits haben sie ausgeschlossen, dass es eine massenhafte "Rückführung" von Palästinensern, mittlerweile sind das ja viereinhalb Millionen, nach Israel geben kann. Deswegen gibt es verschiedene Vorschläge, wie das Flüchtlingsproblem gelöst werden könnte, etwa durch die Ansiedlung im neuen Staat Palästina, durch Integration derjenigen, die in den Ländern bleiben wollen, wo sie jetzt leben, durch die Bitte an westliche Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen, und durch die Möglichkeit der Familienzusammenführung in Israel in einem überschaubaren, kleineren Rahmen.

Etwa gleich viele Juden flohen Ende der vierziger Jahre aus den arabischen Ländern nach Is­rael. Muss dieser Umstand nicht berücksichtigt werden, wenn es um die Flüchtlingsfrage geht?

Diese Juden aus arabischen Ländern sind in Israel fest integriert. Dagegen verweigern sich die palästinensischen Flüchtlinge nachdrücklich ihrer Integration in den arabischen Staaten.

Das ist weder die Schuld noch das Problem Israels.

Gewiss nicht. Aber es geht darum, dass das Flüchtlingsproblem nicht auf Kosten des Staates Israel gelöst werden kann, es sei denn, man will diesen Konflikt bis ins Unendliche verlängern. Daran ist auch die Mehrheit der Palästinenser nicht interessiert.

Olmert scheint sich an Sharons Politik zu orientieren, nicht auf Verhandlungsergebnisse zu warten, sondern einseitige Schritte zu unternehmen, so wie im Fall Gaza.

Wenn jemand einseitige Schritte unternimmt, werden die davon Betroffenen die Gelegenheit wahrnehmen, dagegen zu revoltieren. Daher sollte die israelische Politik nach Partnern Ausschau halten, mit denen man die nächsten Schritte bespricht und koordiniert. Das ist im Interesse Israels.

Welche Rolle wird Abbas dabei noch spielen?

Der Sieg der Hamas legt den Israelis nahe, in Zukunft mit Abbas pfleglicher umzugehen und ihm den Rücken zu stärken. Das gilt auch für die internationale Gemeinschaft. Ich denke, sein Gewicht wird in der palästinensischen Gesellschaft auch dann zunehmen, wenn sich die Hamas nicht besinnt.

Abbas als letzte Hoffnung?

Er ist eine Trumpfkarte gegen den Radikalismus und Extremismus. Und eine Trumpfkarte gibt man nicht vorschnell aus der Hand.

Mit der von Israelis und Palästinensern vorgelegten Genfer Friedensinitiative wurde im Dezember 2003 ein Entwurf für eine Vereinbarung im Sinne einer Zwei-Staaten-Lösung präsentiert. Der Münchner Historiker Reiner Bernstein vertritt die Initiative in Deutschland. Von Reiner Bernstein ist zuletzt erschienen: "Von Gaza nach Genf – Die Genfer Friedensinitiative von Israelis und Palästinensern". Wochenschau Verlag, 2006.

hagalil.com 03-04-2006

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