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Rassistischer Diskurs:
"Entweder jüdisch, oder demokratisch"

Plataforma bezeichnet sich selbst als Berliner Migrantenorganisation. Doch unter dem Deckmantel der antirassistischen Arbeit veranstaltet sie Infoabende, bei denen neben würzigem Essen und kostenlosen Filmen die Propaganda gegen Israel zum Programm gehört.

Von Markus Ströhlein

"Themaverfehlung" nennt man einen schülerischen Lapsus, bei dem die in einem Referat oder einem Aufsatz gemachten Äußerungen keinen oder nur noch einen geringfügigen Bezug zum Thema haben. Dann muss die Lehrkraft an den Schüler oder die Schülerin herantreten und ihm oder ihr verklickern, dass die Fragestellung eigentlich eine ganz andere war, was die am Thema vorbei Argumentierenden meist nicht nachvollziehen können.

Der Vortrag, den ein Mann hält, der sich als palästinensischer Journalist vorgestellt hat, findet jedoch nicht in einer Schule statt, sondern im A6-Laden im Zentrum von Berlin-Kreuzberg. Verschiedene linke Gruppen teilen sich die Räumlichkeiten für ihre Treffen und Veranstaltungen. Die Migrantengruppe Plataforma hat zusammen mit dem Berliner Gegeninformationsbüro und der Gruppe Internationale Solidarität Berlin am Donnerstag, dem 9.3.2006, zu einer Veranstaltung eingeladen, bei der es den Angaben der Organisatoren zufolge um die aktuelle Situation im Irak gehen soll.

Den Referenten scheint leider niemand über das Thema des Abends informiert zu haben. Schafft man es, seinen Ausführungen zu folgen, was nicht leicht ist bei den kruden Gedanken- und Zeitsprüngen, die das Referat weniger ordnen denn in Unordnung bringen, dann soll es wohl um die Kolonialgeschichte des arabischen Raums gehen. Nun gut, auch das ist kein uninteressantes Thema. Doch dem Redner geht es nicht um eine historische Analyse, nicht um die Frage nach den Unterschieden zwischen französischer, englischer und osmanischer Kolonialherrschaft zum Beispiel, oder um die Frage, welche im arabischen Raum bestehenden Verhältnisse auf die Verbrechen der Kolonialzeit zurückgeführt werden können und welche nicht. Nein, der Sermon, der mal zwischen 1492 und der Gegenwart, mal zwischen dem Irak und Marokko hin und her springt, gerinnt zu einer schlichten Weltsicht. In ihr gibt es den Westen, der wahlweise als die "Kolonialisten", die "Besatzer", die "Imperialisten" oder auch die "Faschisten" tituliert wird. Und es gibt das arabische Volk. In dieses Kollektiv wird alles eingemeindet. Unterschiede existieren nicht, keine regionalen, keine nationalen, keine religiösen, Individuen erst recht nicht. Es gibt nur das arabische Volk oder "unsere Völker". Manchmal sagt der Referent aber auch einfach nur "wir".

Die vom Redner entworfene Konstellation ist eine zutiefst manichäische: Auf der einen Seite herrscht die Finsternis, auf der anderen das Licht. Der Westen ist böse. Das arabische Volk ist gut. Deshalb leisteten die Leute im Irak gerechtfertigten Widerstand, so der Mann. Dass der irakische "Widerstand" sich durch nichts anderes als Massenmord an Menschen auszeichnet, die er sich zu Feinden halluziniert, bleibt unerwähnt. Eher scheint es, der irakische "Widerstand" solle als Vorbild für eigene Taten dienen, wenn es dem Referenten im Brustton der Überzeugung entfährt: "Die Europäer irren sich, wenn sie glauben, sie kämen ungeschoren davon. Die Geduld der Völker ist am Ende."

Die Europäer können zunächst jedoch aufatmen. Denn der schlimmste Feind der Araber heißt, wie könnte es anders sein, USA, im Vortrag auch schlicht die "Faschisten" oder "Nachfahren von Goebbels und Rommel" genannt. Die Amerikaner hätten den perfiden Plan, mit einer vermeintlichen Neuordnung des Mittleren Ostens den arabischen Raum noch schlimmer zu unterjochen, als sie es ohnehin schon täten. Letztlich ginge es den USA um die "Weltherrschaft". Unter dieser gäbe es dann eine arabische Großkolonie mit der Hauptstadt Jerusalem.

Mit dem Stichwort "Jerusalem" gelangt der Referent dort an, wo es den panarabisch-antiimperialistischen Verschwörungstheoretiker ohnehin magisch hinzieht: bei Israel. Und man merkt es: Dem Thema "Israel" gehört die ganze Leidenschaft des Mannes. Da nichts leidenschaftlicher ist als Hass, gerät das fünfminütige Finale des viertelstündigen Vortrags zu einer Hasstirade. Die fängt bei den Rothschilds und Theodor Herzl an, die "schon vierzig Jahre vor den Nazis das rassistische Denken der Nazis erfunden haben". Und sie endet bei Israel, "diesem zionistischen Gebilde" und "Rassistenstaat".

Fast verwundert es, dass dem Redner nach dem Vortrag nicht der Schaum vor dem Mund steht. Die etwa fünfzig Besucher klatschen brav. Der Sprecher der Gruppe Plataforma tritt nach vorn und dankt für das "interessante Referat, das uns einiges über die Situation in den arabischen Staaten klarer gemacht hat".

Das Einverständnis im Raum ist nicht überraschend. Die Mitveranstalter vom Gegeninformationsbüro und der Gruppe Internationale Solidarität Berlin sind als bekennende Israelhasser bekannt. Die anwesenden Mitglieder einer Friedensinitiative, die jeden Montag eine Mahnwache gegen den Irakkrieg und gegen die "Besatzung in Palästina" am Brandenburger Tor abhält, verstehen unter Frieden nichts anderes als den Krieg gegen Israel. Hier und da tummeln sich im Raum umtriebige palästinensische Auslandsintifadisten. Und in einer Ecke sitzt der Nachwuchs der Maoistentruppe "Revolutionäre Kommunisten". Mitglieder dieser Gruppe stachen auf dem Karneval der Kulturen in Berlin 2004 zwei Männer nieder, weil diese die von den "Revolutionären Kommunisten" bei dem Umzug getragenen T-Shirts mit der Aufschrift "Antizionistische Aktion" lautstark als antisemitisch bezeichnet hatten.

Ein Zuhörer ist jedoch ganz und gar nicht mit dem Gesagten einverstanden. Als die Diskussionsrunde eröffnet wird, fragt er die Veranstalter von Plataforma, warum ein offensichtlich antisemitischer Referent eine Hetzrede halten durfte. Ein Raunen geht durch den Raum. Einige Besucher empören sich lautstark. Ein Bierdeckel fliegt in die Ecke des Querulanten. Würden sich nicht die um ihn herum Sitzenden als seine Begleiter zu erkennen geben, müsste man wohl Angst um seine körperliche Unversehrtheit haben.

Der Sprecher von Plataforma antwortet in verärgertem Ton, dass er keine Lust mehr auf Provokateure habe, die mit dem Pauschalvorwurf des Antisemitismus Veranstaltungen zu sabotieren versuchten.

Aus der Menge erhebt sich ein Mann. Laut bekennt er: "Ich bin Antizionist!" Das hieße natürlich keinesfalls, er habe etwas gegen Juden. Nur die Zionisten hasse er und ihren Staat. Israel sei ein rassistisches Land. Über die Behauptung, Israel sei eine Demokratie, könne er nur lachen. Denn es gebe lediglich zwei Möglichkeiten: "Entweder jüdisch, oder demokratisch."

Und auch der Referent hat noch etwas zu ergänzen. Ob der "Provokateur" überhaupt wisse, was Antisemitismus sei, will er wissen. Da er, der Störer, ohnehin dumm sei, werde er, der Redner, es ihm erklären. Der Vorwurf des Antisemitismus sei ein rassistischer Diskurs, der sich hauptsächlich gegen Araber richte. Die Nazis hätten sechs Millionen Franzosen, Polen, Russen und Angehörige anderer Nationen in Vernichtungslagern umgebracht. "Doch nach dem Krieg hat man den Menschen ihre Nationalität genommen und einfach gesagt: Das waren Juden."

So klingt es, wenn ein Antisemit den Antisemitismus erklärt. Dieser abstoßende Höhepunkt des Abends dürfte jedoch nur ein vorläufiger gewesen sein. Am 30.3.2006 lädt Plataforma zu einer Veranstaltung mit dem Thema "Die Apartheidsmauer in Palästina" ein. Der Termin sei ausdrücklich zum "Tag des Bodens" gewählt worden, wie ein Sprecher der Gruppe Internationale Solidarität Berlin mehrfach betonte. Ganz ungeduldige Antiimperialisten können sich das Warten bis zum "Tag des Bodens" mit der Veranstaltung von Plataforma am 23.3.2006 verkürzen. Das Thema lautet: "Feminismus: ein weißes Thema?"

hagalil.com 12-03-2006

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