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Jüdische DPs in Mittel und Oberfranken

Kibuz Nili:
Der Kibbuz auf dem Streicher-Hof

Jüdisches Leben auf dem Gutshof des NSDAP-Gauleiters

von Jim G. Tobias

Nach Kriegsende irrten die wenigen der Vernichtungslager entkommenen Überlebenden der Shoa durch das zerstörte Europa. Die She’erit HaPlejta (hebr. Rest der Geretteten) hatten nur einen Wunsch: Den blutgetränkten Boden so schnell wie möglichst zu verlassen.

Doch wo sollte man hin? Der jüdische Staat war noch nicht gegründet, die britische Mandatsmacht in Palästina verwehrte den Menschen die Einreise nach Erez Israel. Die durch das jahrelange Martyrium in den nationalsozialistischen Lagern an Leib und Seele gequälten Menschen brauchten eine vorübergehende Bleibe.

Im Herbst des Jahres 1945 ordnete die amerikanische Militär-Regierung die Einrichtung jüdischer DP (displaced persons)-Lager für die vom Naziregime entwurzelten, verschleppten und geschundenen Menschen an. Erinnert sei an die bekannten grossen Camps im Süden Deutschlands wie Pocking, Landsberg oder auch Föhrenwald, in denen jeweils ca. 5.000 jüdische Bewohner lebten. Neben diesen grossen Lagern existierten zahlreiche kleine Camps. Eine Besonderheit stellten die kollektiven Trainingskibbuzim dar. Diese befanden sich zumeist auf grossen landwirtschaftlichen Gütern. Die Alliierten beschlagnahmten die Bauernhöfe von ehemals aktiven Nazis und stellten sie den jüdischen Überlebenden zur Verfügung.

Eine dieser Farmen war der Pleikershof. Nur wenige Kilometer vor den Toren Nürnbergs gelegen diente das Anwesen von Dezember 1945 bis zur Jahreswende 1948/49 als DP-Lager. Bis zum Kriegsende war das Gehöft im Besitz des berüchtigten Frankenführers der NSDAP und Herausgebers des antisemitischen Hetzblattes der "Stürmer”.

"Ich kann dieses Gefühl immer noch nicht beschreiben. Wir waren hier auf der Farm von Julius Streicher, es ist unglaublich. Ich als Jude wohnte und arbeitete hier, ... wo vorher dieser Hetzer lebte”. Mit diesen Worten erinnert sich Abraham Mathias an seinen Aufenthalt auf dem Pleikershof. Ausgerechnet im Hause ihres ärgsten Feindes bereiteten sich mehrere hundert jüdische Überlebende des Holocaust auf ihre Ausreise nach Erez Israel vor. Der ehemalige Zwangsarbeiter Abraham Mathias war einer von Ihnen. Er verbrachte im Jahre 1946 sechs Monate auf dem Kibbuz Nili. Nili ist eine Abkürzung und steht für den hebräischen Satz "Nezach Israel lo Jeschaker”, das heißt: Die Ewigkeit des Volkes Israel ist nicht zu verleugnen.


Kibbuzniks mit Streichers Neufundländer "Rasso". Repro: jgt-archiv

Als die DPs den Hof übernahmen, entdeckten sie ein Schild mit der Aufschrift: "Ohne Lösung der Judenfrage gibt es keine Lösung der Weltfrage.” Diese Tafel wurde nicht entfernt. Für die Kibbuzniks war diese Aussage mit der Einrichtung eines eigenen jüdischen Gemeinwesens verbunden. Nur durch die Gründung des Staates Israel konnte die "Judenfrage” im Sinne der She’erit HaPlejta gelöst werden.

In Palästina warteten unfruchtbare Landstriche darauf, in Äcker umgewandelt zu werden; aus Sümpfen sollte urbares Gebiet entstehen. Der Pleikershof war ein ideales Ausbildungscamp. Er umfasste etwa 80 Hektar landwirtschaftliche Fläche und ca. 8 Hektar Weideland. Neben 50 Rindern gehörten auch vier Pferde und ein Pony zum Viehbestand der Farm. Die Einrichtung des Bauernhofes befand sich auf dem letzten Stand der Technik. Es gab elektrische Melkmaschinen, Traktoren und auch Geräte zur Käseherstellung waren vorhanden. Die Voraussetzungen für eine solide Ausbildung waren gegeben. Zwei Landwirte, die schon zu Streichers Zeiten auf dem Hof tätig waren, betreuten und leiteten die Kibbuzniks an. Die Beziehung zu den deutschen Trainern war nach Auskunft der Zeitzeugen "sachlich korrekt”. Es gab keine nennenswerten Probleme, aber über den Arbeitszusammenhang hinaus auch keine Kontakte zu den beiden Deutschen.

Kaum einer der - vorwiegend aus dem Osten stammenden - Juden hatte vor der Shoa Berührung mit Ackerbau und Viehzucht. "Wir haben im Feld und in den Ställen gearbeitet. Ich habe dort gelernt Kühe zu melken. Wir alle haben gearbeitet, um zu lernen. Wir wollten nach Israel um dort Landwirtschaft zu betreiben”, erinnert sich Esther Barkai, die im Warschauer Ghettos kämpfte und das KZ Majdanek nur knapp überlebte.

Chaim Shapiro, den Soldaten der Rote Armee aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreiten, war einer der ersten jüdischen Bewohner des Pleikershofs. Im Dezember 1945 bezog er mit einer kleine Gruppe die Farm. "Wir haben erst einmal Ordnung gemacht” berichtet der mittlerweile 78jährige. Dabei bemerkten die "fränkischen” Kibbuzniks schnell, das ihr neues Zuhause nicht irgendein Gutshof war. Neben einigen Ausgaben des "Stürmers” und ein Buch-Exemplar "Mein Kampf” fanden sie noch allerlei Nazi-Propaganda.

Trotz dieser Erinnerungen an die Vergangenheit war die Stimmung auf dem Pleikershof positiv optimistisch. Konkreter Ausdruck für den Lebenswillen und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft sind acht nachweisbare Eheschließungen und drei Hausgeburten auf dem Kibbuz. "Wir haben weniger zurückgeschaut. Unser Blick war auf die Zukunft gerichtet”, erinnert sich Jacob Hennenberg, der als einer der wenigen nicht nach Palästina sondern in die USA emigrierte. Die grosse Mehrheit wollte jedoch nach Erez Israel, sie fieberte dem Tag der Abreise entgegen.

Nachdem die Chawerim eine kurze landwirtschaftliche Grundausbildung absolviert hatten, machten sich die "Palästinasiedler” auf den Weg. "Von einem Tag auf den anderen waren ganze Gruppen verschwunden”, weiss Jacob Hennenberg zu berichten. Eine legale Einwanderung nach Erez Israel wurde durch die Briten verboten. Doch die "Bricha” (hebr. Flucht), eine jüdische Selbsthilfeorganisation, brachte die Menschen heimlich in italienische Hafenstädte. Dort bestiegen die DPs ihre Schiffe, um endlich ins Gelobte Land zu kommen. Viele hatten jedoch kein Glück. Die Engländer fingen die jüdischen Emigranten ab und sperrten sie erneut in mit Stacheldraht umzäunte Lager auf Zypern. Auch Esther Barkai und Abraham Mathias verbrachten einige Monate in einem britischen Camp. Erst kurz vor Gründung des Staates Israel erreichten sie ihr "Vaterland”.

Israel ist die Heimat aller Juden, sagt Chaim Shapiro der vor 49 Jahren einwanderte, und im Kibbuz Mishmar HaSharon lebt, "aber der Pleikershof war unser Weg zur Heimat, Kibbuz Nili war der Korridor, der nach Israel führte”.

Buchhinweis:

In seinem Buch "Vorübergehende Heimat im Land der Täter – Jüdische DP-Camps in Franken 1945-1949" dokumentiert der Autor ausführlich die damalige Lebenssituation und -wirklichkeit der Juden in den fränkischen "Wartesälen". Der Band kostet 22,80 Euro und kann in jeder Buchhandlung oder beim Verlag bestellt werden (ISBN 3-9806636-3-9).

Nakam":
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hagalil.com 17-03-2006

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