Von Andreas Speit
Bei Bundesligaspielen fallen rechtsextreme Fans mittlerweile seltener
auf. Neonazistische Hooligan-Truppen wie "Standarte 88" aus Bremen sind
Ausnahmen, fremdenfeindliche Pöbeleien im Schwinden. Verstärkt und offen
treten rechte Hooligans jedoch in den unteren Fußball-Ligen auf. "Wir
wissen, mit wem wir es zu tun haben", erklärt Manfred Radtke, Präsident der
"Sportgemeinschaft Dynamo Schwerin".
Auf den Fußballplätzen der Bezirksliga stimmen die Fans nicht nur
rassistische Gesänge an. Über einen längeren Zeitraum beobachtete der
Verein, dass "größere Gruppen gewaltbereiter Fans" zu den Spielen kamen.
"Offensichtlich entdecken sie den Verein als Betätigungsfeld", so Ratdke.
"Deshalb haben wir vor über einem Jahr das Projekt ,Fan statt Hooligan'
entwickelt."
Das Projekt ist allerdings nicht unumstritten. Im vergangenen September
lösten Schwerin-Fans bei der Bezirksklasse-Partie beim FC Schönberg heftige
Auseinandersetzungen aus und werden in der Landeshauptstadt auch jenseits
des Stadions aktiv: So hat Mike Hartwig von der "Landesweiten Opferberatung
für Betroffene rechter Gewalt" beobachtet, wie sie in Schwerin das
alternative Café Subversive angriffen. "Einer der Leiter des Fanprojekts",
so Hartwig, "war dabei als ,seine Jungs' die Inhaber und Gäste erpresst und
bedroht haben."
Gemeint ist Ronny S., der bereits vor drei Jahren wegen versuchten Mordes
und schwerer Brandstiftung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Laut
Spiegel TV hatte S. im August 1992 bei den Krawallen in Rostock-Lichtenhagen
mitgemacht. Und der 31-Jährige sei, berichtete das Fernsehmagazin, nicht der
einzige Dynamo-Fan, der in der Datei "Gewalttäter Sport" erfasst ist.
"Von Beginn an war uns klar, dass einige Personen in der Vergangenheit
straffällig waren", erklärt Radtke und hebt hervor: "Das ist auch genau
unsere Zielgruppe." Andere Vereine, wie Eintracht Schwerin, würden sich
dieser Auseinandersetzung nicht stellen. Radtke ist stolz, dass die Gruppe
auf "mittlerweile 30 Fans" gewachsen ist. Fast täglich kämen sie zum
kürzlich eröffneten Fantreff. Einmal pro Woche spielen sie Fußball, endlich
sei ein Trainer gefunden worden. "Einigen Jungs" habe er unlängst
"Ein-Euro-Jobs" besorgt, sagt Radtke und rechtfertigt, dass S. die Gruppe
mitbetreut: "Auf ihn hört die Truppe."
An eine Unterwanderung durch NPD oder Freie Kameradschaften mag er nicht
glauben. Sechs harte Rechte wären "dabei", räumt er ein, fragt jedoch
zurück: "Sollen wir die ausgrenzen? Müssen wir nicht auf sie zugehen, um
etwas zu bewegen?" Seine Meinung: "Von heut' auf morgen ändert sich deren
Einstellungen natürlich nicht." Eine sozialpädagogische Betreuung, räumt er
jedoch ein, findet nicht statt.
Geduld zeigen auch die Landesbehörden: Im August übergab Innenminister
Gottfried Timm (SPD) 4.800 Euro Fördermittel, bis zu 8.000 sollen noch
fließen. Rund 3.200 Euro davon muss der Verein selbst zusammenbringen. Trotz
der Kritik, die Cornelia Neumann vom "Mobilen Beratungsteam für
demokratische Kultur" auch an dem Konzept übt. Denn: "Der akzeptierende
Ansatz lässt offen, wie ein Umdenken erreicht werden soll." Sie hofft auf
eine Überprüfung, für hilfreich hielte sie eine externe Beratung. "Wir
lassen uns nicht in Misskredit bringen", verkündet dagegen die
Vereins-Website.
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