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Jüdische DPs in Mittel und Oberfranken

Kibbuzim im Landkreis Pegnitz:
In Franken für Israel üben

Ausbildungs-Kibbuzim für mehrere hundert Juden gab es während der Nachkriegszeit im Landkreis Pegnitz

von Jim G. Tobias

Abseits der vielbefahrenen Autobahn nach Berlin, in der Nähe von Pegnitz (Landkreis Bayreuth), gibt es noch ein Eckchen unberührtes ländliches Franken. Hierher verirren sich nur wenige gestresste Grossstädter. Die friedliche Landschaft hat keine touristischen "Highlights” zu bieten. Eingebettet zwischen Feldern und Wiesen liegen kleine bäuerlich geprägte Dörfer wie Prebitz, Voita, Losau oder Windischenlaibach.

Dass diese Ortschaften in der Nachkriegszeit mehrheitlich von Juden bewohnt waren, ist kaum noch im öffentlichen Bewusstsein. Nur noch die ältere Generation kann sich wage erinnern. Für knapp zwei Jahre - zwischen 1946 und Ende 1947 - lebten hier mehre hundert Juden, fünfmal mehr als die Israelitische Kultusgemeinde Bayreuth heute an Mitgliedern zählt.

Unmittelbar nachdem Krieg wurden von den amerikanischen Militärbehörden eine Reihe von Bauernhöfen beschlagnahmt, um auf ihnen landwirtschaftliche Ausbildungszentren für ehemalige jüdische KZ Häftlinge einzurichten. Auf diesen Gütern sollten die Überlebenden der Shoa in Ackerbau und Viehzucht unterrichtet werden, um dann nach Palästina zu fahren und am Aufbau von Erez Israel mitzuwirken.

Bei Recherchen im YIVO-Institute for Jewish Research, New York, stiess ich auf eine Aufstellung des AJDC (American Jewish Joint Distribution Committee) über sogenannte "Hachscharoth” (hebr. Vorbereitung, hier Trainings-Kibbuzim) in der amerikanischen Besatzungszone. Es ist zwar in Fachkreisen bekannt, dass mehrere DP (displaced person)-Lager in Form von Kibbuzim existierten, doch Unterlagen oder sogar noch erhaltene sichtbare Spuren gibt es in Deutschland kaum mehr.

Ausgestattet mit der Lageraufstellung aus dem Institut und einer Landkarte, machte ich mich auf die Suche nach den Relikten der letzten fränkischen "Landjuden". Erkundigungen bei der örtlichen Bevölkerung stiessen anfänglich auf eine Mauer des Schweigens. Erst auf beharrliches Nachfragen konnte der ein oder andere Dorfbewohner sich noch an die Zeit nach dem Krieg erinnern. "Ja, der Nachbarshof war von Juden beschlagnahmt” sagte eine alte Landwirtin.

Der Hinweis eines etwa 30-jährigen Neubürgers brachte schliesslich den entscheidenden Tip. "Im Prebitzer Wirtshaus waren früher Juden untergebracht”, sagte der Dorfbewohner. Er berichte, dass im jetzigen Wohnzimmer des Wirtes an der Decke noch ein "Judenstern” zu erkennen sei. Doch das könne man nur noch erahnen, weil schon mehrere Schichten Farbe das Symbol abdecken würden. Das wäre alles was er wüsste, aber ich solle doch noch den Nachbarn fragen, riet mir der junge Mann.

Schon von weitem sah man an einem Nebengebäude des gegenüberliegenden Gehöftes eine Inschrift. Hebräische Lettern zieren den Türstock eines oberfränkischen Bauernhofs! Das ist der Beweis für die Existenz der früheren jüdischen Bewohner. Die Buchstaben in der ersten Reihen waren deutlich zu entziffern. Mem, Chet, Samech und Nun: Machsan, zu deutsch Magazin oder Lagerraum. Die zweite Zeile ist leider nicht mehr zu entschlüsseln.

Anfänglich war der Besitzer des Hofes - ein Mann um die siebzig - weniger auskunftswillig. Er konnte die "ungerechte” Vorgehensweise der Amerikaner, die den Hof beschlagnahmten, immer nocht nicht verstehen. "Von März 1946 bis September 1947 waren wir besetzt”, empörte sich der Bauer und fügte hinzu "und nur weil mein Vater Kreisbauernführer bei den Nazis war”. Der Gutsbesitzer beruhigte sich jedoch rasch wieder und wurde gesprächiger. Nach seiner Erinnerung kamen die Juden zumeist aus Polen oder Russland. Er konnte zwar mit Ihnen reden, aber untereinander sprachen sie so ein "komisch verdrehtes Deutsch” berichtete der Landwirt. Er wusste auch noch wer seinerzeit, mit Unterstützung der amerikanischen Militärpolizei, seinem Vater den Hof "wegnahm”. "Der lebt noch, das war der Gothart, Josef”, sagte der Bauer sichtlich erregt.

Der Vorsitzende der Bayreuther IKG Josef Gothart war für circa zwei Jahre - bis Ende 1947 - als Treuhänder für die beschlagnahmten landwirtschaft-lichen Güter im ehemaligen Bezirk Pegnitz eingesetzt. In einem Gespräch bestätigte Josef Gothart, dass er seinerzeit diese Bauernhöfe verwaltete und öfters bei den Beschlagnahmungen anwesend war. Als Grundlage für die vorübergehende Enteignung galt ein Gesetz der amerikanischen Militärregierung. Die Immobilien von aktiven Nazis mit Funktion sollten den jüdischen Überlebenden als Ausbildungsstätte und Wohnraum zur Verfügung gestellt werden.

Kein Zuverlässigerer konnte für diesen Job gefunden werden. Josef Gothart war aktiver Ghettokämpfer in Warschau, und überlebte mit viel Glück mehrere nationalsozialistische Konzentrationslager. In den Augen der verantwortlichen Militärs eine integere Person, die nicht in Verdacht stand mit den Deutschen zu paktieren. Für den ehemalige Treuhänder - der zeitweise sechs landwirtschaftliche Trainingscamps betreute - ist die Vergangenheit immer noch präsent. Er berichtet, dass die DPs, die überwiegend aus Polen oder Russland stammten, in vielen Bauernhöfen kleine Synagogen einrichteten.

Zumeist waren das nur Betstuben, doch man hatte dort eine Thora eingebracht und so konnten sich die Kibbuzniks zum Gebet versammeln. "In Prebitz hatten wir zwei Kibbuzim”, erinnernt sich Gothart. "Der eine war ein religiöser und hiess: "Kibbuz Dati Bnei Akiba”. Hier lebten die frommen Juden, die bei den Gebeten Teffilin anlegten und Tallit trugen”, sagte der Vorsitzende der israelitischen Kultusgemeinde.

Die UNRRA (United Nation Relief and Rehabilitation Administration) stellte Nahrungsmittel, Kleidung und lebenswichtige Medikamente. Jede Woche kam ein Lastwagen der internationalen Hilfsorganisation und belieferte die Kibbuzim. Aber auch die deutschen Behörden waren zur Unterstützung der DPs verpflichtet.

Alle Bewohner der "Hachscharoth” waren jedoch nur von einem Gedanken beseelt: Endlich nach Erez Israel zu reisen. Doch vorher mussten sie die nötigen Fertigkeiten in Ackerbau und Viehzucht erlernen. Die Jewish Agency schickte Lehrer, die hebräisch unterrichteten, denn niemand konnte Iwrit. Die gemeinsame Umgangssprache war jiddisch. Zusammen mit den ortsansässigen Bauern - und unter Anleitung von jüdischen Vorarbeitern - bestellten die zukünftigen Palästina Siedler die Felder. Wenn eine Gruppe das nötige "Know-how” erworben hatte, machten sich die Mäner und Frauen auf den beschwerlichen Weg. Die "Alija Beth”, die illegale Einwanderung ins damals noch britisch verwaltete Mandatsgebiet, musste unter grosser Geheimhaltung vonstatten gehen. Für Tausende jüdischer Überlebende des Holocaust begann in einer der vielen landwirtschaftlich ausgerichteten DP-Camps der Traum vom eigenen Staat Wirklichkeit zu werden. Die "Chawerim” (hebr. Genossen) der etwa 20 Kibbuzim in der frankischen Region haben gewiss einen grossen Teil zum Aufbau des Landes Israel beigesteuert.

Über diese "Hachscharoth”, liegen kaum gesicherte Erkenntnisse oder gar Publikationen vor. Ein weitgehend unbekanntes Kapitel der deutsch-jüdischen Geschichte wartet darauf, entdeckt zu werden.

hagalil.com 17-03-2006

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