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             Jüdische DPs in Mittel und Oberfranken 
            Die Jüdische Nachkriegsgemeinde: 
            Ausgerechnet in Pottenstein 
            
            
             100 
			Displaced Persons (DPs) gründeten den zionistischen Verein "Achida" 
			und das Fussballteam "Makkabi" 
            von Jim G. Tobias 
            Durch das Aussenlager des Konzentrationslagers 
			Flossenbürg und mehr noch durch die Schwierigkeiten mancher 
			Pottensteiner, diese Zeit aufzuarbeiten und zu bewältigen, ist das 
			Felsenstädtchen in den letzten Jahren immer wieder negativ in die 
			Schlagzeilen geraten. Nun gibt es ein weiters Kapitel bisher 
			unentdeckter Heimatgeschichte.  
             
            Es klingt schier unglaublich: Ausgerechnet in Pottenstein wohnten 
			und arbeiteten nach 1945 für etwa zwei Jahre cirka 100 jüdische DPs 
			(Displaced Persons - zu deutsch: verschleppte, entwurzelte 
			Menschen), die das Martyrium der nationalsozialistischen Lager 
			überlebt hatten. Für kurze Zeit kam es in dem heutigen fränkischen 
			Urlaubsparadies zu einer Wiedergeburt des jüdischen Lebens.
             
            "Warum haben sich Juden in diesem entlegenen Dorf 
			niedergelassen?", wird der ehemalige KZ-Häftling und spätere 
			Pegnitzer Geschäftsmann David Minkowski in dem Artikel "Fun jidiszn 
			lebn in Pottenstein" in der ZeitungUndzer Weg vom 22. Juni 1947 
			zitiert. Das in Bamberg verlegte jiddisch-sprachige Wochenblatt 
			wurde vom "Regionalkomitee der befreiten Juden in der US-Zone" 
			herausgegeben.  
            David Minkowksi gehörte zu den ersten sieben Juden 
			die sich in der fränkischen Kleinstadt ansiedelten. Die Männer waren 
			Ex-Häftlinge des KZ-Aussenlagers Flossenbürg in Pottenstein. Die 
			örtliche US-Militärverwaltung unterstütze die Ansiedlung von 
			jüdischen DPs in der oberfränkischen Region. Beispiele sind die 
			zahlreichen kollektiven Trainigsfarmen (Kibbuzim), die zwischen 
			Pegnitz und Bayreuth eingerichtet wurden. Neben diesen jüdischen 
			Bauernschulen liessen sich einige Überlebende des Holocaust auch in 
			zum Beispiel in Creussen oder Pegnitz nieder. 
             
              
            Bereits im Juni 1945 zählte man 25 Juden in 
			Pottenstein. Einer Statistik des Central Committee of liberated Jews 
			in the US-Zone, Region Bamberg vom 25. August 1946 zufolge gehörten 
			zur Jewish Community Pottenstein 61 Männer, 24 Frauen und zwei 
			Kinder. Bis Anfang 1948 lässt sich anhand von Unterlagen, aus dem 
			amerikanischen YIVO-Institute for Jewish Research , New York eine 
			jüdische Gemeinde nachweisen. Die Menschen waren wahrscheinlich im 
			ehemaligen KZ-Lager in der sogenannten Magerscheune und in einigen 
			beschlagnahmten Wohnungen untergebracht. Das Jüdische Komitee und 
			die Schule befand sich in einem von der Stadt gepachteten Gebäude. 
			Vor dem Krieg lebten keine Juden in der oberfränkischen Kleinstadt. 
            Heute deutet nichts mehr auf das jüdische 
			Pottenstein hin. Die Spuren sind verwischt und viele Zeitzeugen sind 
			längst tot. Dank der im YIVO-Institute archivierten Dokumente ist es 
			jedoch möglich, die Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen.  
            Am Sonntag, dem 11. August 1946 trafen sich die 
			Pottensteiner Juden im Dorfgasthaus und gründeten den zionistischen 
			Verein "Achida". In Referaten wurde über das Ringen des jüdischen 
			Volkes um eine nationale Heimstatt in Palästina informiert. David 
			Rosenberg, ein Vorstandsmitglied der Pottensteiner Gemeinde, rief 
			die Zuhörer auf "im Kampf um den Aufbau Israels" nicht nachzulassen. 
			Das begeisterte Publikum honorierte die Redebeiträge mit dem 
			Absingen der Hatikwa und anderen hebräischen Liedern. Am selben Tag 
			kam es auch zur Gründung des jüdischen Sportclubs. In einer 
			Kurznotiz aus Undzer Wort vom 24. August 1946 heisst es: "Der neu 
			gegründete Sportclub Makkabi Pottenstein bittet alle jüdischen 
			Sportvereine um Kontaktaufnahme. Bitte schreibt an: Jüdisches 
			Komitee Pottenstein." 
            Der Fussballclub Makkabi Pottenstein spielte 
			fortan in der "A-Klasse des Rayon Franken". Die Jidisze Sport 
			Cajtung (JSC) informierte regelmässig über die Aktivitäten der 
			zahlreichen Vereine. In der JSC-Ausgabe vom November 1947 wird 
			berichtet, dass Makkabi die Saison mit einem Mittelplatz beendete. 
			Pottenstein belegte den 6. Rang von insgesamt 12 Teams. Spannend war 
			es jedoch auch noch nach Abschluss der Pflichtspiele an der 
			Tabellenspitze. Die Mannschaften von Hapoel Bayreuth und Makkabi 
			Münchberg teilten sich punktgleich die Führung. Ein Match, das über 
			Meisterschaft und Aufstieg in die "Liga" entscheiden sollte, wurde 
			angeordnet.  
            "Am Schabbes den 15. November fand auf neutralem 
			Boden (leider informiert uns der Korrespondent der JSC nicht über 
			den Ort der Begegnung) das Finalspiel um die Meisterschaft in der 
			Bamberger Region statt". Trotz schlechtem Wetter war das Spiel gut 
			besucht. Viele Fans aus Münchberg und den umliegenden Kibbuzim 
			unterstützten ihre Mannschaft lautstark. Doch der Überlegenheit der 
			Bayreuther hat das Team aus Münchberg nichts entgegenzusetzen. 
			Bereits eine viertel Stunde vor Spielende verliessen die gefrusteten 
			Makkabi-Spieler das Feld. "So blieb es beim verdienten 4 : 2 Sieg 
			von Hapoel Bayreuth, das den technisch besseren Fussball spielte", 
			resümierte die Jidisze Sport Cajtung.
             
            Nach einer zeitgenössischen Quelle wird die Zahl 
			der jüdischen Sportclubs in den westlichen Besatzungszonen mit 169 
			Vereinen angeben. Neben Fussball gab es noch organisiertes Boxen, 
			Schach und Tischtennis. Ob auch in Pottenstein alle diese Sportarten 
			ausgeübt wurden, lässt sich nur erahnen. Sicher ist, dass sich die 
			Pottensteiner Juden jeden Abend in ihrem Clubhaus versammelten. 
			Vielleicht wurde dort nach erbitterten Diskussionen über das 
			zukünftige Leben im noch zu schaffenden eigenen Staat zur 
			Entspannung ein Schachturnier gegen den SC Bar Kochbar Regensburg 
			gespielt? 
            Über die zahlreichen jüdischen 
			Nachkriegs-Landgemeinden und Camps liegen kaum Erkenntnisse vor. 
			Eins ist jedoch sicher: Die Überlebenden des Holocaust betrachteten 
			ihre vorübergehende Heimat im Lande der Täter nur als 
			Durchgangsstation. In den "Wartesälen" hatten die an Leib und Seele 
			gequälten Menschen die Möglichkeit wieder zu Kräften zu kommen und 
			sich auf ihr neues Leben in Israel oder Amerika vorzubereiten. 
			
			
			
			 Buchhinweis: 
			
			In seinem Buch "Vorübergehende Heimat 
			im Land der Täter – Jüdische DP-Camps in Franken 1945-1949" 
			dokumentiert der Autor ausführlich die damalige Lebenssituation und 
			-wirklichkeit der Juden in den fränkischen "Wartesälen". Der Band 
			kostet 22,80 Euro und kann in jeder Buchhandlung oder beim 
			Verlag 
			bestellt werden (ISBN 3-9806636-3-9). 
			Nakam": 
			Jüdische Rache an NS-Tätern 
			Rache als Mittel, das den 
			Schmerz zwar nicht aufheben, wohl aber dämpfen und lindern kann. 
			Viele dachten, daß sie nur deshalb die Konzentrationslager überlebt 
			hatten, um Rache für die ermordeten Verwandten zu nehmen. Das Buch 
			von Jim G. Tobias und Peter Zinke berichtet von Juden und Jüdinnen, 
			die diese Gedanken in die Tat umgesetzt haben... 
			 
			Trainingskibbuz Zettlitz: 
			Jüdischer Neubeginn 
			in Oberfranken 
			Im Oktober 1945 wurde in Zettlitz der 
			erste Nachkriegskibbuz in Franken gegründet – Jüdische 
			Dokumentarfilmer bannten das Kibbuzleben auf Zelluloid... 
			 
			Der Strick mit dem Knoten: 
			Das 
			Palmsonntagspogrom 
			Der 25. März 1934 ging als 
			"Blutpalmsonntag" in die Geschichte Gunzenhausens ein; die Vorgänge 
			an diesem Abend blieben als "Palmsonntagspogrom" in schauriger 
			Erinnerung...  |