Kritischer Samstag:
"Marsch auf Berlin"
Reaktionäre Türken treffen
womöglich am Samstag in der Hauptstadt auf reaktionäre Deutsche
Von Ralf Fischer
Mit einem Massenaufmarsch wollen nationalistische
türkische Vereine und Einzelpersonen am 18. März 2006 an den Tod des
Großwesirs Talat Pascha vor 85 Jahren in Berlin erinnern. Die Berliner
Nationaldemokraten haben dagegen eine Demonstration angemeldet. Der
Polizeipräsident in Berlin hat bisher nur die Demonstration der türkischen
Nationalisten verboten.
Das kommende Wochenende könnte wohl eines der schwierigeren für die Berliner
Polizei in diesem Jahr werden. Am Samstag, dem 18. März, will nicht nur die
antiimperialistische Politsekte Linksruck gegen einen möglichen Irankrieg
durch Kreuzberg und der 'Karneval der Verpeilten' wegen der vermehrten
Neonaziübergriffe durch den Friedrichshain demonstrieren, nein, im Westteil
der Stadt könnten auch türkische und deutsche Nationalisten
aufeinandertreffen.
Anlass für das illustre Stelldichein der Reaktionäre in der City West ist
ein Mord im Jahre 1921. Damals wurde Talat Pascha am Charlottenburger
Steinplatz von einem Armenier ermordet. Der damalige Innenminister des
Osmanischen Reiches, Pascha, gehörte 1915 zu den Organisatoren und
Drahtziehern des Völkermordes an der armenischen Bevölkerung und nicht nur
Adolf Hitler bewunderte ihn dafür.
Trouble unter ehemaligen Bündnispartnern
Die Liste der aktuellen Pascha-Verehrer, die unter dem Motto 'Großes Projekt
2006' antreten, führt der ehemalige Führer der türkischen Zyprioten, Rauf
Denktasch, an. Ebenso mit an Bord der türkischen Kreuzzügler ist ein
ehemaliger Generalstaatsanwalt, vier Abgeordnete des türkischen Parlaments –
davon drei von der regierenden AKP, einschließlich des Vorsitzenden des
Auswärtigen Ausschusses - sowie der Ex-Maoist Dogu Perincek von der so
genannten türkischen Arbeiterpartei.
Im Internet mobilisieren beide Seite mit äußerst radikalen Parolen. Mit dem
Schlachtruf 'Nimm Deine Fahne, komm nach Berlin' rufen die türkischen
Nationalisten ihre Getreuen zum öffentlichkeitswirksamen Großevent nach
Berlin. Auf ihrer Website finden sich wüste Drohungen gegen 'die Europäer'.
Sollten diese ihren 'gewissenlosen' Völkermord-Vorwurf gegen die Türkei
nicht bald unterlassen, dann werden auch ihre Hauptstädte 'in Flammen stehen
wie Paris', ist dort zu lesen.
Die Berliner Landesverband der NPD kontert dies mit einer Demonstration
unter dem Motto: 'Keine Pariser Zustände in Berlin. Berlin ist eine deutsche
Stadt'. In seiner Allmachtsphantasie will der Landesverband der 1% Partei
mit der Demonstration ein 'Ausländerheimführungsgesetz' durchsetzen um so‚
die Machtübernahme unserer abendländischen Kultur durch den Islam’ zu
verhindern. Für dieses Anliegen wollen sie vom S-Bahnhof Westend zum
Richard-Wagner-Platz marschieren.
Vorerst verboten
Die Polizei hat den Aufzug der türkischen Nationalisten am 18. März am
vergangenen Montag verboten, da sie befürchtet, dass es zu Straftaten,
insbesondere der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener kommen wird. Die
Leugnung bzw. Rechtfertigung der Ereignisse von 1915 wird - laut Aussagen
der Polizei - von den Anmeldern betrieben, und daher sei eine
Verbotsverfügung berechtigt.
Gegen dieses Verbot wurden inzwischen beim Verwaltungsgericht Berlin
Rechtsmittel eingelegt. Es bleibt also abzuwarten, ob am Samstag die
versammelten Reaktionäre vom Orient bis zum Okzident sich im Westteil der
Stadt versammeln, oder ob die Neonazis unter sich bleiben...
©
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de - 14.3.2006
hagalil.com 15-03-2006 |