Kein Verlass:
Nahost und die internationalen Beobachter
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Es ist kein Verlass auf "internationale Beobachter".
Dennoch wird immer wieder der Ruf nach Beobachtern laut, vor Allem wenn es
darum geht, eine israelische Präsenz auszuschalten oder Israel zum Rückzug
aus besetzten Gebieten zu bewegen. Blauhelme der UNO sitzen im Niemandsland
auf den Golanhöhen und in dem von Israel längst geräumten Südlibanon.
Die TIPH Beobachtertruppe wurde nach dem Massaker des israelischen
Extremisten Baruch Goldstein in Hebron 1996 geschaffen, um Palästinenser vor
Übergriffen israelischer Siedler in der Stadt zu schützen. Als Israel sich
im August von der Grenze zwischen Ägypten und dem palästinensischen
Gazastreifen zurückzog, meldete sich begeistert die EU, Zöllner und
Polizisten als Ersatz für die israelischen Sicherheitsleute schicken zu
können, um so einen Fuß in den Nahen Osten zu setzen.
Doch für die Präsenz dieser Beobachter gibt es keinerlei Garantie. Gerade
wenn ihre Anwesenheit am meisten benötigt wird, nämlich um einen Kriegs-
oder Gewaltausbruch zu verhindern, verschwinden sie ganz schnell und
beschleunigen sogar den Ausbruch der Kampfhandlungen.
Das war schon 1967 so, als der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser den
UNO-Beobachtern befahl, ihre Posten im Sinai, entlang der Grenze zu Israel
zu räumen. Das war damals das letzte eindeutige Zeichen für einen geplanten
Angriff auf Israel. Es folgte der Sechs-Tage-Krieg und die israelische
Besetzung des Sinai, Gazas, des Westjordanlandes und der syrischen
Golanhöhen.
Die TIPH Beobachter in Hebron flüchteten vor einem Monat mit ihren durch
Steinwürfe verbeulten Autos nach Jerusalem, als deren Schützlinge, die
Palästinenser, deren Büros angriffen, als Reaktion auf die in Dänemark
veröffentlichten Muhammad-Karikaturen.
Die amerikanischen und britischen "Beobachter" in Jericho, die gemäß einem
Vertrag zwischen Israel, den USA und Präsident Arafat ihren Dienst als
Gefängniswärter taten, wurden so lange von den Palästinensern
eingeschüchtert, bis sie um ihr Leben fürchten mussten und sich am Mittwoch
zurückzogen. Vor drei Wochen hatten Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und
der designierte Premier der Hamas, Ismail Hanija, beschlossen, den PFLP-Chef
auf freien Fuß zu setzen. Das konnte aber nur geschehen, indem jener Vertrag
mit Israel gebrochen würde und die ausländischen Beobachter verschwänden.
Genau das ist geschehen. Doch rechneten wohl die Palästinenser nicht damit,
dass Israel seit dem Beschluss von Abbas und Hanja das Gefängnis
beobachtete. Der beabsichtigte Abzug der Wächter war Israel wie den
Palästinensern angekündigt worden, nicht aber der genaue Termin. Die
Israelis waren also vorgewarnt und standen in Bereitschaft. So gelang es
ihnen, nur zwanzig Minuten nach dem Abzug der internationalen Beobachter mit
Panzern und Truppen vor dem Gefängnis zu stehen und eine Freilassung der
Inhaftierten zu verhindern.
Und als nun die Palästinenser mit Entführungen und Attacken auf europäische
Einrichtungen im Gazastreifen reagierten, brachten sich die europäischen
Beobachter an der Grenze zu Ägypten erst einmal in Sicherheit. Ihr Sprecher
versicherte zwar, dass alle Reisenden abgefertigt worden seien und dass sie
am nächsten morgen wieder pünktlich zur Arbeit erschienen, dennoch gab es
auch schon kritischere Phasen. Vor einigen Wochen rissen Palästinenser mit
Bulldozern die alten Grenzbefestigungen ein. Tausende konnten ohne jede
Kontrolle mitsamt Waffen von Ägypten in den Gazastreifen wechseln.
Immer wieder erweist sich, dass die angeblichen Garanten für Frieden
keinerlei Garantie bieten und stets als Erste das Feld räumen, sowie eine
Partei in ihnen ein Hindernis für einen Vertragsbruch oder gar einen Krieg
sieht. Angesichts der Vorgänge im Nahen Osten fragt sich, welchen Sinn es
macht, immer wieder internationale Beobachter einzusetzen, wenn im Ernstfall
doch kein Verlass auf sie ist. Dennoch erwartet die internationale
Gemeinschaft immer wieder, vor Allem von Israel, dem Einsatz von
internationalen Beobachtern zuzustimmen und ihnen zu vertrauen.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
hagalil.com 15-03-2006 |