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MEMRI Special Dispatch – 24. März 2006

Adonis:
Wir brauchen eine neue arabische Kultur und Identität

 

[FORUM]

 

In einem Interview mit Dubai TV setzte sich der 1930 in Damaskus geborene und weltweit renommierte Dichter Adonis (Ali Ahmad Sa'id) für eine Demokratisierung und einen grundlegenden Wandel in der arabischen Welt ein. [1] "Weder Gott, noch Diktatoren oder Interventionen von außen werden unsere Probleme lösen", sagt er und wendet sich auch gegen die Hamas und die Errichtung eines Staates auf der Grundlage der Religion. Die Araber, so Adonis, würden aussterben, wenn sie sich nicht von alten Ideen und Konzepten trennen und sich stattdessen auf ihre Kreativität besinnen würden.

 

Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus einem Interview mit dem syrischen Dichter, das am 11. März auf Dubai TV ausgestrahlt wurde. [2]

 

'Interventionen von außen schaffen keine Demokratie'

 

Adonis: "Worte werden heute wie ein Verbrechen behandelt. Was derzeit in unserer arabischen Gesellschaft passiert – dass das gesprochene Wort als Verbrechen gilt – hat es im Laufe der Geschichte so noch nie gegeben."

 

Moderator: "Das stimmt!"

 

 Adonis: "Worte und Meinungen werden als Verbrechen behandelt. Das ist unfassbar."

 

Moderator: "Für einen Artikel kann man verhaftet werden."

 

Adonis: "Zum Beispiel... [...] Dabei heißt es im Koran, dass Allah seinem ärgsten Feind, dem Satan zuhörte, als Satan es ablehnte, ihm zu gehorchen. Ich denke, Allah wäre in der Lage gewesen wäre, Satan mit einem Schlag zu vernichten, trotzdem hörte er sich an, warum Satan ihm nicht gehorchen wollte. Man sollte doch von den Muslimen heute verlangen können, dass sie eine andere Meinung wenigstens anhören." [...]

 

Moderator: "Wie sollte ihrer Meinung nach eine Demokratisierung [im Nahen Osten] oder die sogenannte 'Greater Middle East'- Initiative aussehen?"

 

Adonis: "Erstens lehne ich jegliche externe Einmischung in arabische Angelegenheiten ab. Wenn die Araber es nicht selbst fertig bringen, eine demokratische Gesellschaft zu errichten, dann können sie auch niemals durch eine Intervention von anderen demokratisch werden.  Wenn wir demokratisch sein wollen, dann müssen wir das schon selbst schaffen. Aber die Vorraussetzungen für eine Demokratie sind in den arabischen Gesellschaft nicht gegeben. Und es kann sie auch so lange nicht geben, bis die Religion auf eine neue und korrekte Weise als persönliche und spirituelle Erfahrung betrachtet wird, die respektiert werden muss. Alle zivilen und zwischenmenschlichen Angelegenheiten hingegen müssen vom Recht und den Menschen selbst geregelt werden."

 

Moderator: "Herr Adonis, was denken sie über die demokratische Entwicklung in Palästina, die jetzt die Hamas an die Regierung gebracht hat."

 

Adonis: "Ich unterstütze sie, aber ich bin gegen jeden Staat, der auf der Grundlage der Religion errichtet wird, auch wenn es durch die Hamas geschieht."

 

Moderator: "Selbst wenn das zur Befreiung von Palästina führen würde?"

 

Adonis: Ja, weil es in solch einem Fall meine Pflicht wäre, diesen religiösen Staat zu bekämpfen." [...]

 

'Wir Araber befinden uns in einer Phase des Erlöschens'

 

Moderator: "Worin sehen Sie die Gründe für die zunehmende Verherrlichung von Diktaturen, wie es manchmal im Namen des Panarabismus und manchmal im Zeichen der Abweisung ausländischer [Einflussnahme] erfolgt? Diese Glorifizierung geht sogar von den Eliten aus, wie man es am Beispiel des Verfahrens gegen Saddam Hussein und an all jenen sehen kann, die ihn unterstützen."

 

Adonis: "Dieses Phänomen ist sehr gefährlich und ich glaube, dass es mit dem Konzept von  ‚Einheit’ zusammenhängt, das sich praktisch und auf politischer Ebene im Konzept des Helden, des Retters oder des Führers widerspiegelt. Dieses Konzept bietet Menschen, die Angst vor Freiheit haben, ein Gefühl von Sicherheit."

 

Moderator: "Weil [Freiheit] Anarchie bedeuten würde?"

 

Adonis: "Nein, weil Freiheit eine große Bürde ist und niemals einfach [zu leben] ist."

 

Moderator: "Man braucht eine Autoritätsfigur..."

 

Adonis: "Wenn man frei ist, muss man der Realität ins Auge sehen, der Welt als Ganzes. Man muss sich den Problemen der Welt stellen, sich mit allem beschäftigen... Wenn wir aber Sklaven sind, können wir zufrieden sein und man muss sich um nichts kümmern – und genau wie Allah alle unsere Probleme löst, wird auch der Diktator unsere Probleme schon irgendwie lösen. [...]

 

Ich verstehe nicht, was in den arabischen Gesellschaften heute vor sich geht. Ich weiß nicht, wie man die Situation interpretieren soll, aber ich habe folgende These: Wenn ich mir die arabische Welt anschaue, mit all ihren Ressourcen, den Möglichkeiten des Einzelnen, besonders derer, die im Ausland leben – unter ihnen findet man großartige Philosophen, Wissenschaftler, Ingenieure und Ärzte –, dann erkenne ich, das der einzelne Araber nicht weniger intelligent oder genial ist, als jeder andere auf der Welt. Er kann zu etwas besonderem werden - aber nur außerhalb seiner Gesellschaft. Ich sage absolut nichts gegen die einzelnen Araber, sondern nur etwas gegen die Institutionen und die Regime.

 

Wenn ich mir die Araber anschaue, mit all ihren Ressourcen und ihren großartigen Möglichkeiten, und dann vergleiche, was sie im Gegensatz zu anderen im letzten Jahrhundert erreicht haben, dann würde ich sagen, dass wir Araber uns in einer Phase des Erlöschens befinden. Und zwar in dem Sinne, dass wir an weltweit stattfindenden kreativen Prozessen nicht teilhaben."

 

'Wir müssen über eine neue Kultur, über eine neue Gesellschaft nachdenken'

 

Moderator: "Befinden wir uns am Rande des Erlöschens oder sind wir bereits gestorben?"

 

Adonis: "Wir sind bereits gestorben. Nicht zahlenmäßig, wir haben Massen an Menschen, aber ein Volk stirbt, wenn es nicht mehr kreativ ist und seine Umwelt nicht mehr verändern kann. [...] Das große Volk der Sumerer ist ausgestorben, die Griechen und auch die Pharaonen. Und das deutlichste Zeichen für dieses Verlöschen ist, wenn auch wir Intellektuellen nur noch in diesem Rahmen denken."

 

Da liegt unsere wirkliche intellektuelle Krise. Wir treten einer neuen Welt mit Ideen gegenüber, die es nicht mehr gibt, und wir bewegen uns in einem Kontext, der längst überholt ist. Wir müssen uns auf allen Ebenen aus diesem Rahmen lösen und über eine neue arabische Identität, eine neue Kultur und eine neue arabische Gesellschaft nachdenken. [...] Stellen Sie sich die arabischen Gesellschaften ohne westlichen Einfluss vor. Was würde übrig bleiben? Die Muslime..."

 

Moderator: "Was würde denn übrig bleiben?"

 

Adonis: "Nichts. Es würde nichts bleiben, außer der Moschee, der Kirche und dem Geschäftemachen natürlich. [...] Es sind die Muslime selbst - verzeihen Sie mir, wenn ich das so sage -, die mit ihrer allgemein anerkannten Auslegung [der religiösen Texte] heute hauptsächlich für die Zerstörung des Islam verantwortlich sind. Die Kritiker der Muslime hingegen, die Nicht-gläubigen, die Ungläubigen, wie sie genannt werden, sie sind es, die im Islam jene Vitalität bewahren, die ihn an das [heutige] Leben anpassen könnte. Diese Ungläubigen dienen dem Islam mehr  als die Gläubigen."

 

Anmerkungen:

[1] In Qassabin geboren studierte Adonis Philosophie an der Damaskus-Universität und der St. Joseph Universität in Beirut, wo er 1973 seinen Doktortitel erhielt. Nach einer sechsmonatigen Haft wegen politischer Aktivitäten verließ er 1956 Syrien und wanderte in den Libanon aus. 1985 ließ er sich in Paris nieder. Von 1970-1985 war er Professor für arabische Literatur an der libanesischen Universität und seit 1980 unterrichtete er Arabisch an der Sorbonne. Unter anderem gab er das Reformmagazin Mawaqif (Standpunkte) heraus. Heute arbeitet Adonis als Autor und Literaturkritiker

[2] http://www.memritv.org/search.asp?ACT=S9&P1=1076.

THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH INSTITUTE (MEMRI)
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[FORUM]

hagalil.com 27-03-2006

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