"Israeli Anti-Semitic Cartoon Contest":
Achtung, hier kommt ein Cartoon
Der israelische Zeichner Amitai Sandy will
den antisemitischen Karikaturen-Wettbewerb des Iran ausstechen.
Von Ivo Bozic
Jungle World 8 v.
22.02.2006
Amitai Sandy ist von seiner Arbeit absolut überzeugt. Als
wir ihn das erste Mal in Tel Aviv trafen, gingen wir mit ihm in ein Café am
Strand, und er zeigte uns stolz seine Zeichnungen. Er wohnt in einer kleinen
Seitenstraße zwischen den Wolkenkratzern an der Uferpromenade in einem Haus,
nur wenige Schritte vom Meer entfernt. Er ist ein junger, sympathischer Typ,
gewissenhaft und selbstbewusst – nicht nur in Hinblick auf seine Kunst.
Damals beschlossen wir, dass er und seine Zeichnergruppe Dimona den
Aufenthalt der Jungle-World-Redaktion in Israel illustrieren sollten. Auf
zwei Farbseiten präsentierten wir schließlich das Ergebnis: einen Comicstrip
über uns; über linke deutsche Journalisten bei ihrem ersten gemeinsamen
Israel-Besuch (Jungle World, 27/04).
Lange hatten wir nichts mehr von Amitai gehört, bis letzte
Woche sein Name durchs Internet wogte wie ein mittlerer Tsunami, denn sein
neuestes Projekt sorgt derzeit weltweit für Aufregung. Der Zeichner greift
auf seine Art und Weise in den tobenden Karikaturenstreit ein: Nachdem im
Iran ein Wettbewerb um die antisemitischsten Holocaust-Karikaturen
ausgerufen wurde, initiierte der 29jährige Künstler als Antwort einen
eigenen Wettbewerb: den "Israeli Anti-Semitic Cartoon Contest". Er rief über
das Internet Juden in aller Welt auf, antisemitische Karikaturen
einzusenden. Die besten sollen am 5. März prämiert werden mit Geldpreisen
und "natürlich unserem großartigen Mazzen-Brot, gebacken mit dem Blut
christlicher Kinder". "Wir werden aller Welt zeigen, dass wir die besten,
schärfsten, schlimmsten antijüdischen Cartoons aller Zeiten machen können.
Kein Iraner wird uns auf unserem eigenen Feld schlagen können", heißt es auf
seiner Website.
Seit der Aufruf öffentlich ist, hat er keine ruhige Minute mehr. Hunderte
E-Mails aus allen Ecken der Welt treffen täglich bei ihm ein, auf allen
Weblogs, die von seiner Aktion berichten, reißen die Kommentare nicht mehr
ab. Bereits nach zwei Tagen waren über 100 Karikaturen eingegangen, darunter
einige schlechte, aber auch ein paar sehr gute, wie er sagt. Allerdings sah
er sich genötigt, den Aufruf auf seiner Website zu konkretisieren: "Der
Wettbewerb ist ausschließlich für jüdische Künstler gedacht. Hier geht es
darum, dass Juden Witze über sich selbst machen." Inzwischen hat sich die
US-amerikanische Professorin Deborah E. Lipstadt, deren Prozess gegen den
Holocaust-Leugner David Irving für großes Aufsehen sorgte, bei Amitai
gemeldet und sich für die Jury seines Wettbewerbs beworben: "Wie Sie
vielleicht wissen, habe ich eine Menge Erfahrung im Umgang mit Antisemiten."
Amitai nahm ihr Angebot dankend an.
Fast alle Reaktionen, die ihn erreichen, stammen von Juden und sind positiv.
"Die meisten finden, dass das genau die richtige Antwort auf den Vorstoß des
Iran ist und dass es sie stolz macht, jüdisch zu sein, wenn sie sehen, wie
Juden Feuer mit Humor bekämpfen", erzählt er. In den israelischen Medien
seien die Reaktionen allerdings eher verhalten, nur die Jerusalem Post
veröffentlichte einen größeren Artikel in ihrer Print-Ausgabe, ansonsten
laufe fast alles über das Internet. Das internationale Interesse allerdings
sei enorm. Er habe schon Interviews für das kanadische und das russische
Fernsehen gegeben, für diverse Radiostationen und für Zeitungen aus aller
Welt.
Amitai selbst ist als freier Mitarbeiter bei der israelischen Tageszeitung
Yedioth Ahronoth beschäftigt, die regelmäßig Cartoons von ihm druckt. Die
Kollegen aus der Redaktion haben sich noch nicht zu seinem Wettbewerb
geäußert. "Die haben sich bisher nicht groß dafür interessiert. Vielleicht
wachen sie auf, wenn sie die internationalen Reaktionen mitbekommen", sagt
er.
Sorgen, dass die Cartoons von Antisemiten missbraucht werden, dass sie die
antijüdische und antiisraelische Hetze nur verstärken, hat der Künstler
nicht. Zwar hätten einige diese Befürchtung geäußert, berichtet er, aber er
teile sie nicht: "Diejenigen, die mit dem Hass ihr politisches Geschäft
machen, die machen das auch ganz ohne meine Beihilfe. Jedenfalls werde ich
mich von denen nicht stoppen lassen mit meiner Art, den Humor einzusetzen."
Man merkt, dass er ein wenig stolz darauf ist, dass auch Autoritäten wie die
zentrale israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und das
Simon-Wiesenthal-Center seine Aktion nicht rundweg ablehnen. Aus Yad Vashem
hieß es diplomatisch: "Wir sind nicht sicher, ob das der beste Weg ist." Und
Ephraim Zuroff, Vorsitzender des Simon-Wiesenthal-Centers, habe gesagt, so
Amitai, dass Juden eine lange Tradition der Selbstironie hätten, und selbst
in den KZ habe sie dieser Humor nicht verlassen – wenn er allerdings auch
nicht geholfen habe.
Auf diese humoristische Tradition beruft sich Amitai gerne: "Wir haben in
Archiven und Bibliotheken recherchiert und viele alte jiddische Zeitungen
aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gefunden mit großartigen
selbstironischen Zeichnungen, wo Juden über sich selber lachen. Wir sehen
uns in der langen Tradition des jüdischen Humors."
Die Jungle World kennt diesen Humor – ob er nun ein speziell jüdischer oder
auch nur eine Spezialität von Amitai ist. Der Comic, den er wenige Stunden
vor Redaktionsschluss und unserer Heimreise nach Berlin in unserem Kibbuz
ablieferte, endete mit einer Szene, wie er uns beim Grillfest einen
Holocaustwitz erzählt und sich dabei schlapp lacht, während wir betroffen
die Hände vors Gesicht schlagen. Wir beschlossen damals, die Pointe des
Holocaust-Witzes mit einem "Zensur-Stempel" in Frakturschrift unkenntlich zu
machen. Und erst als wir wieder in Berlin waren, und die gedruckte Ausgabe
in den Händen hielten, fiel uns auf, wie gut Amitai uns getroffen hatte mit
seiner Karikatur. Denn wir waren der Gegenstand seines Witzes und nicht der
Holocaust. So wie jetzt der Gegenstand der antijüdischen Cartoons die
iranischen Mullahs sind. Das müssen die aber erst noch kapieren.
Der Cartoon-Contest im Netz:
www.boomka.org. Der Dimona-Comic aus
der Jungle World findet sich unter "Online Comix" hier:
www.dimonacomix.com.
hagalil.com 26-02-2006 |