Arzt und Gesundheitspolitiker:
Julius Moses Ausstellung in Bonn
Von Dani Nadav
Foto: Privatarchiv Nemitz
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Mit einer Ausstellung von Dokumenten aus seinem Nachlaß
erinnert die Friedrich Ebert Stiftung an das Lebenswerk des
Gesundheitspolitikers und Arztes Dr. Julius Moses, der in Theresienstadt
umgekommen ist.
Julius Moses wurde am 2. Juli 1868 als Sohn des Schneiders
Isidor Moses und seiner Frau Pauline in Posen geboren. 1880 zog Julius nach
Greifswald zu seinem wohlhabenden Onkel Moritz, der ihm schließlich nach
Abschluss des Gymnasiums das Medizin Studium ermöglichte.
Unmittelbar nach Beendigung seines Studiums (1892) zog es
den politisch interessierten jungen Moses in die Hauptstadt Berlin, wo er
sich als Arzt niederließ. Schon damals betreute er die Gesundheit und
Interessen der schwächeren Bevölkerungsschichten. Die neu gegründete
Sozialhygiene vertrat am besten seine eigenen Vorstellungen und Julius Moses
wurde einer ihrer Verfechter. Er sorgte sich auch um das Schicksal der
"Ostjuden", die in großen Scharen damals nach Berlin emigrierten und unter
Diskriminierung zu leiden hatten, auch seitens der jüdische Gemeinde. Der
literarisch geneigte Moses edierte einige Zeitschriften, die ihre
Integrierung in der Gesellschaft forderten, unter Bezug auf ihr reiches
kulturelles Erbe – damals fast vollkommen unbekannt.
Seit 1910 nährte sich Moses allmählich der SPD. Darin half
seine engagierte Agitation für den "Gebärstreik". Der sozialorientierte
Moses meinte, dass arme Frauen weniger Kinder zur Welt bringen sollten als
Protest gegen ihrer schlechten Lebensverhältnisse und deren Diskriminierung
in den strengen Abtreibungsgesetzen. Öfters wurden proletarische Frauen
inhaftiert, weil sie keine legale Abtreibung erhielten. Daran waren Militär
und Regierung nicht interessiert.
Die rege Propaganda gegen den Gebärzwang machte Moses'
Namen erstmals in der Öffentlichkeit bekannt. Als einer der Gründer der USPD
am Ende des ersten Weltkriegs wurde Moses 1920 in den Reichstag gewählt. Bis
1932 konnte er seinen Sitz bewahren. Er gehörte ständig zum linken Flügel
der wiedervereinigte Sozialdemokratie. Mit einem anderen Arzt und
SPD-Mitglied des Reichstags - Alfred Grotjahn, einer der wichtigsten
Sozialhygieniker - versuchte er die Gesetzgebung in ihrem Sinne zu
beeinflussen. So wurde 1927 ein neues Gesetz gegen die Verbreitung von
sozialbedingten Krankheiten wie Tuberkulose eingeführt. Schon vorher
befasste sich Moses mit Versuchen, den noch heute geltenden
Abtreibungsparagraphen 218 zu mildern. Als 1930 in Lübeck aufgrund einer
nicht genügend erprobten Impfungsmethode fast 100 Säuglinge starben
verfasste Moses zum ersten Mal einen Ethik-Kodex zu medizinischen
Versuchsverfahren an Menschen. Darin war der Zwang, alle Versuchpersonen
vollständig über die Risiken des Versuchs zu informieren, vorgesehen.
Seine Vorschläge wurden im von Nazis besetzten Reichstag
nicht mehr bestätigt, aber werden heute als erste Formulierung des
Nürnberger Kodex betrachtet, inklusiv deren bekannte "Informed Consent"
Klausel. Anfang 1932 warnte Moses in seiner Zeitschrift "Der Kassenarzt" vor
der Gefahr, dass gerade der Arzt ein Mörder werden könnte, falls die Nazis
an die Macht kämen und ihre Programme gegen die "Minderwertigen"
durchführen.
Während der NS Herrschaft blieb Moses in Berlin. Er
betrachtete sein Lebenswerk als beendet und wollte seinen emigrierten Kinder
nicht zur Last fallen. Im Juli 1938 verlor er, wie alle anderen jüdischen
Ärzte, seine medizinische Approbation. Noch Schlimmeres folgte. Im Sommer
1942 wurde Julius Moses nach Theresienstadt deportiert. Als alter Mann
konnte er im "Prominenten"-Ghetto nicht lange aushalten. Er erkrankte an
Lungenentzündung und starb am 24. September 1942.
Moses' Nachlaß konnte wenigstens unter einen Kohlen-Vorrat
im Keller seiner früheren Reichstags-Kollegin - Anna Nemitz – versteckt und
gerettet werden. Seitdem (bis zuletzt) verwaltete sein Sohn – Prof. Kurt
Nemitz - bei sich in Bremen den Nachlaß. So wurde das dokumentarische
Fundament zur Forschung und Ausstellung zum Gedächtnis der "Schrittmacher
der sozialdemokratischen Gesundheitspolitik in der Weimarer Republik"
gesichert.
Dr. Daniel Nadav schrieb eine Dissertation über Julius
Moses. Sie erschien als Buch im Bleicher Verlag, Gerlingen 1985.
Die Ausstellung zu Julius Moses ist noch bis 9. März 2006
im Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung, Godesberger Allee 149, 53175 Bonn zu
sehen.
hagalil.com 20-02-2006 |