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[haGalil Notausgabe]

 

Westliche Tradition:
Gefühle oder worum es wirklich geht

Von Matthias Fischer

Zu viele Menschen in unserem und den benachbarten Ländern sind der Ansicht, bei dem Karikaturisten-Bashing gehe es vordringlich um die Gefühle frommer Muslime, die zu Recht oder zu Unrecht verletzt worden seien. Dies ist, jedenfalls in dieser Ausschließlichkeit, meiner Ansicht nach ein großes Missverständnis, vor dem auch unsere Politker (-innen) nicht unbedingt gefeit sind. Denn der Bericht von den Gefühlen passt nur allzu gut in unsere westliche Tradition.

Gewiss, daneben zirkuliert gegenwärtig die These, unter anderem vom Spiegel beharrlich vertreten, das Karikaturisten-Bashing habe politisch-soziale Hintergründe, und es werde, wie auch Bundeskanzlerin Merkel und in sehr deutlicher Form US-Außenministerin Rice äußerten, von despotischen Regimes wie denen in Iran und Syrien angefacht, um von deren sozialen und innen- wie außenpolitischen Problemen abzulenken.

Man könnte hinzufügen, es handelte sich bei diesen Regimen um den Versuch, in Voraussicht eines mehr oder minder kalten oder heißen Kriegs um Iran und evtl. Syrien, sich vorab der Unterstützung der muslimischen Massen innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen zu versichern, und gleichzeitig die Entschlossenheit und die Geschlossenheit des Westens zu testen.

All diese Gründe mögen richtig sein, und ich wage zu bezweifeln, dass diese Herausforderung, vor der wir als westliche Gesellschaften stehen, nur eine Ursache hat.

Uneingeschränkten Glauben möchte ich aber, oder gerade deshalb, keiner der genannten Thesen entgegenbringen. Vielmehr möchte ich eine weitere hinzugesellen, die hier im Westen meiner Meinung nach nicht deutlich genug wahrgenommen wird, weil sie so ganz anderen Prämissen folgt als die, auf denen unsere Gesellschaften aufbauen.

Vereinfacht gesprochen möchte ich zu diesem Zweck unterstreichen, dass es eine der vordringlichen Aufgaben des Islam nach seinem eigenen Selbstverständnis ist, ein System von Regeln zu formulieren und gesellschaftlich zu etablieren. Dabei rede ich nicht unbedingt von einer unbarmherzig interpretierten Scharia oder einem talibanesken Gottesstaat, denn die Strenge des Systems ist Auslegungssache. Hier hat der einzelne muslimische Rechtsgelehrte, und damit diejenigen, die aus islamischen Universitäten heraus und als Berater ihre jeweiligen Regierungen tätig sind, durchaus einen Ermessensspielraum. Tatsache aber ist, dass die "Rechtsordnung" des Islam, seine ganze Ethik, auf die gesellschaftliche Sphäre abzielt.

Das macht den Islam so anders als das Christentum, das sich lieber am Feuer "innerer" Wahrheiten erwärmt, und als das Judentum, das diesen Anspruch in seiner Ausdehnung "auf die ganze Welt" oder jedenfalls auf alle Gesellschaften, in denen Juden leben, nicht kennt. Genau dieses ist aber meines Erachtens der Grund, weshalb zahlreiche Menschen in unserem Land Schwierigkeiten haben, jenen "Recht schaffenden" Anspruch des Islam – den er auch in unserem Land erhebt, ja, seiner Natur gemäß erheben muss – überhaupt wahrzunehmen. Er verkörpert nichts desto weniger eines der zentralen Anliegen des Islam.

Mit anderen Worten: Meiner Ansicht nach geht es in dem Karikaturisten-Bashing um nicht weniger als die Einrichtung einer Rechtsordnung, parallel zu unserer eigenen, der am Ende die Oberhand verschafft werden soll. Nicht umsonst werden neben den Autoren und dem Herausgeber der Cartoons vor allem Staaten, deren Vertretungen, Hoheitsabzeichen und unbeteiligte Staatsbürger weltweit angegriffen

Nun werden Rechtsordnungen grundsätzlich auf zwei Arten und Weisen etabliert, nämlich zum einen durch Gewohnheit, also über die Gesellschaft selbst, und zum andern über Institutionen, also durch Parlamente, Regierungen und Konventionen.

Das öffentlich wirksam inszenierte und auf Einschüchterung basierende Karikaturisten-Bashing, dem nicht zuletzt auch haGalil zum Opfer fiel, will eigene Regeln über unsere Gesellschaften etablieren. Den Redakteur der Zeitung Jyllands Posten, von deren politischer Ausrichtung man halten mag, was man will, und die Urheber der Cartoons für vogelfrei zu erklären, also zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt ihrer Bewegungsfreiheit, wenn schon nicht ihres Lebens zu berauben, sind die ersten Auswirkungen dieser neuen Rechtsordnung. Noch wirkt diese parallel zu unseren Justizorganen, und unsere Exekutive entzieht jene Verurteilten, zumindest vorerst, erfolgreich der parallel zu ihr eingerichteten internationalen islamisch-fundamentalistischen Exekutive.

Einen Schritt weiter geht hingegen bereits Sheich Al-Karadhawi, der einem Dispatch von MEMRI, dem in Washingten D.C. angesiedelten Middle East Research Center zufolge in einer am 3. Februar 2006 im katarischen Fernsehen verbreiteten Hasspredigt nicht nur zu heiligem "Zorn" und zum wirtschaftlichen Boykott des Westens, sondern auch zur Ausübung von Druck auf Regierungen aufrief, eine UN-Resolution zum Schutz der Integrität des islamischen Propheten Mohammed zu erwirken. Al-Karadhawi ist, MEMRI zufolge, Führer des Europäischen Rats für Fatwa (Rechtsgutachten / -urteil, M.F.) und (Rechts-) Forschung, Vorsitzender der Internationalen Vereinigung Muslimischer Gelehrter (IAMS) sowie geistiger Mentor zahlreicher weiterer islamistischer Organisationen weltweit, darunter der radikalen ägyptischen Muslim-Bruderschaft.

Al-Karadhawi fasst hier den institutionellen Weg der Etablierung islamischer Regeln ins Auge, der den von ihm beabsichtigten Regeln, so denn beschlossen, höheren Rang als beispielsweise unserem eigenen deutschen Verfassungsrecht einräumen würde.

Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass auch in umgekehrter Richtung versucht wird, unser eigenes westliches Rechtssystem bzw. unsere Grundwerte im islamischen Raum durchzusetzen, etwa in der Form pluralistischer Demokratie oder der Menschenrechte allgemein. Bisweilen werden westliche Bestrebungen in diesem Sinne sogar im Islamischen Recht rezipiert, wie die Fatwa eines somalischen Rates islamischer Rechtsgelehrter, der die Genitalverstümmelungen von Frauen im Oktober 2005 für unislamisch erklärte, oder der Beschluss des Rats der Sunniten ("Jama'at e Ahl e Sunnat") in Großbritannien, welcher nach den blutigen Anschlägen auf Reisende der Londoner Verkehrsbetriebe jegliche Form von Anschlägen als nicht mit dem Islam vereinbar erklärte.

Aufgrund des Fehlens eines einheitlichen Klerus im Islam sind Rechtsgutachten / -urteile jeder Art niemals allgemeingültig. Dem entgegen versuchen aber gerade militante Islamisten und mit ihnen verbündete Regierungen islamischer Staaten den Rechtsanliegen der gewaltbereiten Islamisten zu einer durchschlagenderen Wirkung zu verhelfen, indem sie die muslimische Umma weltweit zu unterstützenden Protesten anstacheln.

Wie immer verhält sich die moderate Mehrheit der Muslime verhältnismäßig eher leise, die Stellungnahme des jordanischen Königs Abdullah während seines Washington-Besuchs und die öffentliche geäußerte Aufforderung zur Mäßigung seitens der Vereinigungen deutscher Muslime stellen weltweit wohl eher Ausnahmen dar. Damit erhält die "Verkündigung" des vorläufig noch parallelen islamischen Rechtssystems – jedes Rachtssystem bedarf der Veröffentlichung im gesprochenen und / oder geschriebenen Wort, um wirksam zu sein – einen mehr oder minder auch von der Mehrheit der Muslime unwidersprochenen Gültigkeitsanspruch.

Meine Ansicht ist es, dass wir der "Recht schaffenden" Komponente des Karikaturisten-Bashings und des Islam an sich unbedingt gewärtig sein sollten, wenn wir in unseren Gesellschaften für den Dialog mit Muslimen arbeiten, oder als Staatsbürger (-innen) und Politiker (-innen) an der Gestaltung, Bewahrung und Weiterentwicklung unserer Gesellschaftsordnung arbeiten.

© 2006 Matthias Fischer


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