Erfolg der Hamas-Bewegung:
Eine neue Komplikation
Leitartikel Ha'aretz, 27.01.2006
Übersetzung Daniela Marcus
Der Erfolg der Hamas-Bewegung bei den Wahlen
für das palästinensische Parlament ist ein Wendepunkt zum
Schlechteren hinsichtlich der komplexen Beziehungen zwischen Israel
und den Palästinensern. Selbst wenn palästinensische Sprecher oft
erklären, die Bevölkerung in den Territorien bevorzuge Hamas, weil
sie genug von der Korruption während der langen Herrschaft der
Fatah-Bewegung habe, gibt es nichts, über das man erleichtert sein
kann.
Die politischen Positionen der Hamas sind seit
Gründung der Bewegung vor 18 Jahren zu Beginn der ersten Intifada
wohl bekannt. Es sind entschiedene Positionen: Nicht-Anerkennung von
Israel und Bevorzugung eines gewalttätigen, kompromisslosen Kampfes
gegen den jüdischen Staat, bis dieser zerstört ist. Diese
Einstellung wurde in der Hamas-Erklärung im Jahr 1988 formuliert und
basiert auf dem religiösen Glauben, dass alle Teile Israels heiliges
moslemisches Land (waqf) sind, weshalb keine Millimeter davon
aufgegeben werden kann. Hamas-Aktivisten sind auch diejenigen, die
die Selbstmordanschläge in die Kampagne gegen Israel eingeführt
haben.
Während sie die Werbetrommeln für die Wahlen
rührten, rückten die Hamasführer nicht von diesen fundamentalen
Positionen ab. Obwohl Sprecher der Bewegung von Zeit zu Zeit in
unklarer Weise Statements voller Widersprüche abgaben, ist es aus
politischer Perspektive klar, dass die Hamas keinerlei Raum für
Verhandlungen mit Israel lässt, die auf dem Terminus der
gegenseitigen Anerkennung zwischen Israel und der palästinensischen
Befreiungsorganisation, wie er in den Oslo-Vereinbarungen formuliert
wurde, basieren.
Auf den ersten Blick sieht es von offizieller
Perspektive so aus, als könne der Vorsitzende der palästinensischen
Autonomiebehörde (PA), Mahmoud Abbas, die Verhandlungen mit Israel
weiterführen. Denn dieser ist auch Leiter der PLO, und formal führt
Israel Verhandlungen mit der PLO und nicht mit der PA. Für diesen
Posten wurde Abbas ebenfalls vor einem Jahr gewählt und er hat drei
weitere Jahre vor sich, bevor seine Amtszeit zu Ende ist. Doch
praktisch gesehen wird er diese Funktion als schwierig erachten,
wenn die Regierung der PA in den Händen von Hamas liegt. Die
ernsthafte Krise innerhalb der palästinensischen Führung wurde auch
gestern im Rücktritt von Premierminister Ahmed Qurei –einem
Fatahmann- sichtbar.
Gemäß der Verfassung der PA ist es Abbas’ Aufgabe,
einem Hamas-Vertreter den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen.
Während der letzten Tage haben Hamas-Sprecher vermieden, klare
Antworten auf die Frage zu liefern, was die Hamas tun wird, wenn sie
aufgefordert wird, die Regierung zu bilden. Viele Menschen in der
Westbank und im Gazastreifen dachten, dass die Hamasführer bezüglich
dieses Themas besorgt sind, denn es ist klar, dass Minister in der
palästinensischen Regierung nicht ohne direkte und dauerhafte
Kontakte mit Israel arbeiten können. Fast alle Lebensbereiche der
3,5 Millionen Bürger in der Westbank und im Gazastreifen sind mit
Israel verbunden, denn die PA funktioniert als autonome Regierung
und nicht als eine unabhängige Rechtspersönlichkeit.
Die finanzielle Existenz der Palästinenser ist
weiterhin von der israelischen Wirtschaft abhängig. Die Strom- und
Wasserversorgung läuft über Israel. Und die Quelle eines bedeutenden
Teils des PA-Budgets liegt im Import und in der Mehrwertsteuer, die
Israel erhebt und dann weitergibt. Die PA bekommt weitere
finanzielle Hilfen von den Vereinigten Staaten und von europäischen
Ländern. Diese werden die Kooperation mit der PA überdenken, wenn
eine Hamas-Regierung gewählt wird.
Deshalb haben die Wahlen die PA an einen
Scheideweg gebracht. Aus ihrer Perspektive ist dies eine politische
Komplikation, und es ist schwer zu sehen, wie sie aus dieser heraus
kommen werden. Auch für Israel ist dies eine neue Komplikation, die
zu den bereits existierenden hinzugefügt wurde.
hagalil.com 29-01-2006 |