"Der Islam ist die Lösung":
Die Wahlprogramme von Fatah und Hamas
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Fatah und Hamas, die großen palästinensischen Parteien,
stehen laut Umfragen in der Wählergunst so nahe beieinander, dass kein
klarer Gewinner mehr vorhersehbar ist. Zwei Prozent Vorsprung für die Fatah,
die unter Jassir Arafat vierzig Jahre lang die palästinensischen Geschicke
geleitet hat, bieten keine Siegesgarantie mehr.
Die Hamas-Organisation hingegen, 1987 mit Israels Segen gegründet, um
Opposition zur "terroristischen" PLO zu bieten, hatte sich bei den
Parlamentswahlen 1996 geweigert, dem Wähler zu stellen. Eine Wahlbeteiligung
hätte die Anerkennung Israels bedeutet, zumal die Einrichtung eines
Parlaments als erniedrigender Gnadenakt Israels aufgefasst wurde. Arafat und
die PLO störte das nicht. In Wirklichkeit hätte die Hamas damals etwa 13
Prozent der Stimmen erhalten. Sie wollte ihre wahre Macht diffus halten.
Zwölf Jahre nach Oslo und fünf Jahre nach Ausbruch der Intifada, hat sich
die Existenz einer palästinensischen Autonomie weitgehend verselbstständigt.
Trotz israelischer Einmärsche, Sperren und anderer Restriktionen hat
letztlich Ariel Scharon im August das Zeichen für eine unumkehrbare
palästinensische Unabhängigkeit gesetzt. Israel will sich von den
Palästinensern "abkoppeln".
Das war für die Hamas das Zeichen, nach jahrelanger Unterstützung für die
Ärmsten, Warmküchen, Mutter- und Kindstationen sowie kostenloser
Kindererziehung in Moscheen, ihre Popularität bei den Massen in
Wählerstimmen umzumünzen. Solange die Intifada tobte, erhöhte die Hamas ihre
Popularität durch mörderische Selbstmordattentate in Israel. Mit dem Finger
am Puls der Bevölkerung, hält sich aber die Hamas seit einem Jahr zurück,
weil die Palästinenser der israelischen Gegenmaßnahmen müde geworden sind.
Die Fatah wiederholt in ihrem Wahlprogramm gemäßigte Standpunkte, die den
Osloer Verträgen nicht widersprechen. "Wir verpflichten uns, daran zu
arbeiten, jegliche israelischen Aggression gegen unser Volk zu stoppen",
heißt es da. Der "berechtigte Widerstand" gegen Besatzung, Mauerbau und
"sonstige Praktiken blieb von Terrorvorwürfen fern". Die Fatah will Freiheit
für die Gefangenen, die Bildung eines Rechtsstaates, Toleranz, Werte,
Ankurbelung der Wirtschaft, Schutz der Frauenrechte und vieles mehr, was die
Autonomiebehörde in den vergangenen Jahren freilich nicht geliefert hat. Die
Feindseligkeit gegen Israel, die Selbstmordattentate der Fatah El Aksa
Brigaden werden verschwiegen.
Die Wahlplattform der Hamas ist konkreter, ausführlicher und weniger diffus.
Unter "unseren festen Positionen" heißt es unter Punkt 1: "Der Islam ist
unsere Grundlage und unser Lebensweg." Das Recht der Palästinenser auf das
ganze historische Palästina könne nicht annuliert werden steht unter Punkt
2, während die Fatah sich nur auf die seit 1967 von Israel okkupierten
Gebiete bezieht. Kein Zweifel also, dass die Hamas trotz aller
relativierenden Behauptungen keinen Platz für einen jüdischen Staat Israel
in Palästina vorsieht. Auch der Gewaltverzicht der Hamas scheint nur Taktik
zu sein: "Das palästinensische Volk hat das Recht, mit allen Mitteln,
einschließlich des bewaffneten Widerstandes, seine Rechte wieder zu
erlangen." Offener Antisemitismus liest sich aus der Passage, die
"Widerstand gegen Versuche der Besatzung, Jerusalem zu judaisieren" vorsieht
und der Forderung, "palästinensisch islamische wie christliche Heiligtümer
vor zionistischer Schändung zu bewahren".
Die Hamas erklärt die Sicherheitskooperation mit der "Besatzung" (Israel)
für ein "großes nationales und religiöses Verbrechen". Sie fordert, die
"Täter" zur Verantwortung zu ziehen. So könnten aus Sicht der Hamas fast
alle Spitzenpolitiker "zur Verantwortung" gezogen werden, von Abbas über
Muhammad Dahlan und Dschibril Radschub abwärts. Denn die derzeitige
"Beruhigung" ist nur durch eine Koordination mit den Israelis denkbar. Abbas
hat sogar zweimal Scharon besucht, im Jerusalemer Ministerpräsidentenamt und
in seiner Residenz.
Sogar bei innenpolitischen Themen bezieht die Hamas Position, die
palästinensische Arbeitslose und Investoren eher nachdenklich stimmen
müssten. So fordert die Hamas eine "völlige Trennung von der Wirtschaft und
Währung des zionistischen Gebildes (alias Israel)." Projekte, die gegen die
Moral verstoßen, wie Nachtklubs und Glücksspiele, müssten abgeschafft
werden. Ebenso fordert die Hamas eine Revision der Pariser Verträge (die
wichtigste Grundlage der palästinensischen Wirtschaft) und der
Kooperationsverträge mit den USA und der EU. Zusammen mit einer strikten
Ablehnung der "Normalisierung der Beziehungen mit Israel" wären diese Pläne
kurzfristig eine Katastrophe für die Palästinenser, solange die
Palästinensergebiete von Strom- und Wasserlieferungen, von anderen Waren
ganz zu schweigen, völlig am israelischen Tropf hängen.
"Der Islam ist die Lösung und der Weg für Änderung und Reform", heißt es da
abschließend und zusammenfassend. ©
Ulrich W. Sahm / haGalil.com
hagalil.com 25-01-2006 |