Anmerkungen zu einem Interview mit Aleksander Lebl:
"Leider
gibt es auch in Serbien Antisemitismus"
Von Max
Brym
Die "Jüdische
Zeitung" erscheint monatlich in Deutschland und leistet einiges in ihrer
Berichterstattung, um Antisemitismus und Rassismus zu bekämpfen. Dabei hat
das sehr interessante Blatt nicht nur Deutschland im Visier, sondern vor
allem auch die Staaten in Ost- und Südosteuropa. In der aktuellen
Januarausgabe ist ein sehr wichtiges Gespräch mit Aleksander Lebl,
Vorstandsmitglied der "Jüdischen Gemeinschaft Serbiens und Montenegros",
abgedruckt.
Das Gespräch ist mit
der Aussage überschrieben: "Leider gibt es auch in Serbien Antisemitismus".
Direkt wird damit dem alten Belgrader Ammenmärchen widersprochen, dass der
Antisemitismus eine "Spezialität" von anderen Nationen sei. Der
Antisemitismus ist in Serbien nicht neu, sondern ein altes Phänomen.
Im Jahr 1941 zählte
die jüdische Gemeinschaft in Beograd 11.870 Mitglieder. Davon wurden durch
die deutschen Faschisten mit Hilfe ihrer serbischen Helfer 10.500 getötet.
Im Frühjahr 1942 konnte der deutsche SD-Beauftragte für Serbien an das
Reichssicherheitshauptamt in Berlin melden: "Serbien ist judenfrei". Ohne
massenhafte Kollaboration durch das von dem Nedic Regime geleitete Quisling
Regime, wäre dies nicht möglich gewesen. Gegenwärtig erlebt der serbische
Antisemitismus zusammen mit dem antialbanischen Chauvinismus eine neuerliche
Renaissance.
Aktueller Antisemitismus in Serbien
Graffitis - "Jüdische Parasiten raus aus Serbien"-, neonazistische
Organisationen wie - "Nationale Ordnung", Buchpublikationen mit Titeln wie
"Jüdische Verschwörung gegen Serbien" oder "Warum ich Adolf Hitler
bewundere" und ähnliches mehr findet sich allerorten in Serbien. Natürlich
darf die Hetzschrift "Die Protokolle der Weisen von Zion" nicht fehlen. Das
historisch antisemitische Produkt der alten zaristischen Geheimpolizei
Ochrana ist in Belgrader Buchläden ein gefragtes Markenprodukt.
Antisemitische Literatur wird bei allen Kundgebungen der serbischen Rechten,
speziell bei der "Serbischen Radikalen Partei" SRS angeboten.
Der kurzzeitige serbische Philosemitismus der neunziger Jahren ist
weitgehend dem Antisemitismus gewichen. In den neunziger Jahren, als
serbische Faschisten Massaker in Kroatien, Bosnien und Kosova
veranstalteten, besaß der serbische Chauvinismus gleichzeitig die
Unverfrorenheit, "sein Schicksal mit dem der Juden" gleichzusetzen. Nachdem
im Jahr 1999 Kosova geräumt werden mußte, wurde die Niederlage nicht mit dem
albanischen Kampf verbunden (das widerspricht der chauvinistischen
Überheblichkeit in Serbien), sondern es wurde nach gebürtigen Juden in der
US-Administration gefahndet. Die Schlagworte: "Die Juden haben uns verraten"
und die "jüdische Verschwörung gegen Serbien" machten die Runde. Auf der
Basis des antialbanischen Rassismus und dem Amselfeld Mythos wurde die
perfideste und umfassendste Form von Rassismus, der Antisemitismus, in
Serbien reaktiviert. Wie er sich konkret in Serbien ausdrückt, erklärt das
Interview mit Aleksander Lebl in der "Jüdischen Zeitung ausgezeichnet.
Auszüge aus dem Interview
Zur eigenen Person erklärt Aleksander Lebl: "Ich bin als Jude dem Holocaust
entkommen, weil ich rechtzeitig aus Beograd in die italienische
Besatzungszone des okkupierten Jugoslawien geflohen bin, nach Dalmatien.
Später war ich im "Jüdischen Batallion der Partisanen."
Zum aktuellem Antisemitismus in Serbien und Montenegro stellt Lebl fest:
"Wir beobachten alle Erscheinungsformen des Antisemitismus, also ganz
praktisch Graffitis, Vandalismus gegen jüdische Friedhöfe und Gedenktafeln
beispielsweise die Zerstörung des Denkmals in Novi Sad an der Donau, wo die
Ungarn Anfang 1942 rund 800 Juden, Serben und andere erschlugen und sie
unter das Eis des Flusses warfen. Wir beobachten Artikel und Sendungen in
den Medien, auch Publikationen und Bücher mit antisemitischem Inhalt - und
davon gibt es genug. Alles gibt es, was den klassischen Antisemitismus
ausmacht, physische Gewalt ist bislang noch ausgenommen."
Über die Reaktion des serbischen Staates auf den Antisemitismus zeigte
sich Lebl sehr enttäuscht. Er sagte in dem Interview, dass dagegen "fast
nichts unternommen wird". Lebl formulierte: "Wir haben eine Ausweitung der
Strafgesetze verlangt, auch gegen den Hitlerkult, sind aber damit nicht
durchgekommen"
Aleksander Lebl erzählte in dem Gespräch wie serbische Nazis die Adressen
von jüdischen Bürgern im Internet bekannt geben und an öffentlichen Tafeln
und Häuserwänden die Namen "von Juden schreiben würden". Oftmals nennen sich
die serbischen Faschisten "Rassionalisten" um den Zusammenhang zwischen
Rassismus und Nationalismus schon im Namen deutlich zu machen.
Resümee
Gegenwärtig gibt es in Serbien und Montenegro insgesamt zwischen 1.500 und
2.000 Juden. Der serbische Chauvinismus stellt eine konkrete Bedrohung für
diese Menschen dar. Seine Basis ist wilder Nationalismus verbunden mit
sozialer Demagogie. Der serbische Chauvinist ist antialbanischer Rassist,
aber die Niederlagen des serbischen Nationalismus will er in seiner
Überheblichkeit nicht auf die "minderwertigen Albaner" zurückführen. Ergo
benötigt er den umfassenden antisemitischen Wahn, um sein krudes
Gleichgewicht zu bewahren.
Quellen: "Jüdische Zeitung" 01/06,
http://Kosovapress.com,
http://www.Kosova-Aktuell.de: Rubrik Serbien und Rubrik
Geschichte |