Roadmap:
Statt Straßenkarte eine Straßenmine
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Zwei Reporter der israelischen Zeitung "Maariv"
veröffentlichten am Montag "Gedankenspiele" aus namentlich nicht genannten
"Kreisen", die dem Premierminister Scharon "nahe stehen". Unter dem Titel
"Statt Straßenkarte eine Straßenmine" spekulierten sie über den "klassischen
Non-Starter", der in Europa als "Friedenplan" bekannten "Wegekarte zum
Frieden" (Roadmap).
Dabei ist dieser Plan ausdrücklich kein Friedensplan, sondern ein enger
Zeitplan für vertrauenstiftende Maßnahmen der Israelis und Palästinenser,
damit Friedensverhandlungen eine Fortsetzung des im Jahr 2000 gestorbenen
Friedensprozess ermöglichen könnten. Ohne auf Details wie Grenzziehung,
Status von Jerusalem oder dem Problem der palästinensischen Flüchtlinge
einzugehen, setzt die Roadmap ein Endziel: die Errichtung eines
palästinensischen Staates neben Israel.
Die Roadmap bräuchte gar nicht mehr aufgekündigt werden, weder von Sharon
noch von den Palästinensern, weil sie sich ohnehin längst erübrigt hat.
Manche hoffen vielleicht noch, dass Israelis wie Palästinenser doch
wenigstens die Vorgaben in der Präambel des internationalen Planes erfüllen
mögen. Doch weder haben die Palästinenser die "Infrastruktur des Terrors"
zerstört, noch hat Israel die von der Regierung nicht-genehmigten
"Siedlungsvorposten" geräumt. Solange nicht einmal dies geschehen ist, kann
keine Seite zu den weiteren "Gesten" verpflichtet werden, wie etwa einer
Räumung von Siedlungen oder einer Aufhebung der Straßensperren. Der in der
Roadmap vorgegebene Zeitplan hat sich spätestens an Sylvester erübrigt. So
sollte bis zum Jahr 2003 ein "provisorischer palästinensischer Staat"
errichtet werden und im Jahr 2005 sollten die niemals aufgenommenen
Friedensverhandlung zur Errichtung des endgültigen Staates führen.
Bekanntlich endete 2005 am Wochenende.
"Man benötigt nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass Scharon Israels
künftige Grenze zieht", sagte vor zwei Monaten die Ministerin Zipi Livni
während einer Tour zum Grenzwall, der zwischen dem Staatsgebiet Israels und
dem Westjordanland entsteht, mitsamt 26 vollgültigen Grenzterminals, wo die
Schilder "Passport-Kontrolle" schon hängen.
Ganz offensichtlich will Scharon die Zielsetzung der Roadmap mit einseitigen
Schritten erfüllen, nämlich die Errichtung eines palästinensischen Staates
jenseits einer Grenze, die freilich Scharon gemäß seinen Interessen und
teilweise mit dem Segen der Amerikaner zieht. Die großen Siedlungsblöcke
werden mit Einverständnis der Amerikaner, seinerzeit sogar von Präsident
Clinton schriftlich festgelegt, bei Israel bleiben und annektiert werden.
Meinungsverschiedenheiten gibt es vor Allem wegen der Stadt Ariel bei
Nablus, oder in Prozenten des Territoriums ausgedrückt: Israel will etwa 14
Prozent des Westjordanlandes, während die Amerikaner nur etwa 8 Prozent
zugestehen wollen.
Im Rahmen des Wahlkampfes wird ohnehin argumentiert, dass Scharon einen
Großteil der verstreuten kleineren Siedlungen aufgeben wolle. Die Rechten
warnen davor, die Linken begründen damit Scharons große Popularität bei den
Umfragen. Wie die Autoren des Artikels selber eingestehen, schweigt sich
Scharon zu seinen Zukunftsplänen aus. Die in "Maariv" angeführten
Vorstellungen hat ohnehin schon vor zwei Monaten Scharons Berater Eyal Arad
öffentlich ausgesprochen, aber als nicht als konkrete Pläne des
Regierungschefs, sondern als mögliche Szenarien.
Es ist kein Geheimnis, dass Scharon kaum Vertrauen in die palästinensische
Führung hat und deshalb keinen ausgehandelten Vertrag anstrebt. Das
derzeitige Chaos in den Palästinensergebieten, der fast völlig Verlust der
Kontrolle in Gaza und Städten im Westjordanland sowie die reale Möglichkeit
eines Wahlsieges der Hamasbewegung, die nicht einmal Israels
Existenzberechtigung anerkennen will, schließt derzeit Verhandlungen ohnehin
aus. © Ulrich W. Sahm / haGalil.com
hagalil.com 04-01-2006 |