Unsichtbare Umstürzler:
Geschmacklosigkeiten beim Kampf um die Nachfolge
ScharonsBibi Netanjahu, Scharons erbittertster
Gegner, stellt sich nun als dessen aufmerksamer Schüler und legitimer
Nachfolger dar. Peres kämpft um Platz 2 in Kadimah, Zipi Livni designierte
Außenministerin...
Im Umfeld Sharons ist man über Benjamin Netanjahu sehr verärgert. Der
präsentiert sich inzwischen nämlich nicht als der erbittertste Geggner
Sharons, sondern als dessen "legitimer Erbe" und "Fortsetzer des politischen
Wegs Sharons".
Bei soviel Frechheit fällt einem fast das Zitat "razachta vegam
jaraschta" ein. Nadav Eyal kommentiert in M'ariw den plötzlichen Wandel vom
Feind zum "Freund": "Es war nur eine Frage der Zeit, aber jetzt ist es
passiert: Während Ariel Sharon noch immer mit dem Leben kämpft, entwickelt
sich ein Wortgefecht zwischen Benjamin Netanjahu und den Getreuen des
Premiers. Der Hintergrund: Eine Reihe von Interviews, die der
Likud-Vorsitzende gegeben hat, allen voran mit der New York Times.
In einem Artikel in der NY-Times heißt es: "Netanjahu präsentiert sich
nun als Partner Sharons und als sein logischer Erbe".
Im Umfeld Sharons reagiert man entrüstet auf diese Behauptungen
Netanjahus: "Nicht einmal Ehud Olmert hat sich als der Erbe Sharons
dargestellt, Olmert, der wirklich der enge Partner Sharons ist, sagt so
etwas nicht. Wie kann Bibi es sich dann herausnehmen?".
In Jedioth bringt Eitan Amit weitere Zitate Netanjahus aus der NY Times:
"Ariel Sharon ist einer der größten Feldherren Israels und des jüdischen
Volkes. Von Sharon habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich um das Wohl
der Menschen zu kümmern. Es war kein grundlegender Fehler, Gaza zu
verlassen, und das habe ich auch niemals behauptet. Ich sagte nur, es sei
wichtig, wie man Gaza verlässt, damit Hamas nicht behaupten kann, sie hätte
uns besiegt."
Tsipi
Livni, früher Likud, heute Kadimah, Ministerin für Immigranten Absorption
und agierende Ministerin der Justitz
Ähnlich instinktsicher benimmt sich auch Shimon Peres, der Nummer 2
auf der Liste von Kadima sein will. Dies wurde ihm inzwischen auch von Ehud
Olmert zugesichert. Sollte Kadima die Wahlen gewinnen, wird aber auch Zippi
Livni ein hohes Amt erhalten, allem Anschein nach das Außenministerium, das
Peres wohl am allerliebsten gehabt hätte.
Eine hohe Stelle im Umfeld Olmerts sagte gestern, Ariel Sharon habe sich
noch vor seiner Krankheit verpflichtet, Peres den zweiten Listenplatz zu
reservieren. Olmert sagte, er käme dieser Verpflichtung natürlich nach.
Gestern wurde in M'ariw veröffentlicht, dass Peres über ein offizielles,
von einem Anwalt bestätigtes, Abkommen mit Sharon verfügt. In diesem
Abkommen heißt es unter anderem, dass Peres für die wirtschaftlichen
Beziehungen zwischen Israel Jordanien und der PA verantwortlich sein wird.
In dem Abkommen wird auch erwähnt, dass Peres sich aktiv an der Aufstellung
der Kadima-Liste beteiligen wird.
In M'ariw kommentiert dies Ben Caspit kommentiert: "Man muss Shimon Peres
beglückwünschen. Im Moment scheint er der einzige zu sein, der aus der
Krankheit seines "Freundes" Ariel Sharon profitiert. Andere werden auch noch
an die Reihe kommen, aber sie demonstrieren zumindest Geduld. Ein wenig
Selbstachtung. Aber Peres? Ach wo. "Wenn ich jetzt nicht feilsche, wann
dann?" fragte er sich und seine Leute, und er begann zu feilschen.
Ein Durchblättern der Biographie Peres', die gerade jetzt veröffentlicht
wird, zeigt, wie vielseitig und erfolgreich dieser Mann ist. Aber trotzdem
zeigt es sich hier wieder einmal, dass Peres der kleinste große Mann ist,
den man sich vorstellen kann. Trotz seiner gestotterten Erklärungen und der
pathetischen Dementi-Kampagne, die er vorgestern in den verschiedenen
Fernsehstudios abhielt, stellte es sich heraus, dass er zur selben Zeit mit
den Kadima-Chefs zusammen saß und den zweiten Listenplatz forderte. Wenn
möglich, auch das Außenministerium. Ohne sich zu schämen.
Ein unsichtbarer Umstürzler. Gestern wurde hier die Existenz eines
unterzeichneten Abkommens zwischen Peres und MP Sharon enthüllt. Weiter hieß
es, letzten Endes werde Peres sicherlich den zweiten oder dritten Platz
erhalten. Und so geschah es nun auch. Schade, dass Peres nicht begreift,
dass ihm dieses Verhalten, das sich so oft wiederholt, letzten Endes keinen
Nutzen bringt. Was wäre passiert, wenn Peres als erster aufgestanden wäre
und seine Treue zu Kadima erklärt hätte, zum Erbe Sharons, die Hoffnung auf
seine baldige und völlige Genesung, und sich dann auch noch kategorisch
hinter Ehud Olmert gestellt hätte. Das kann man sich zwar kaum vorstellen,
aber versuchen wir's mal.
Er hätte enorme öffentliche Pluspunkte eingesammelt und danach auch den
zweiten oder dritten Platz bekommen. Denn in Kadima weiß man, dass man Peres
auf einen der ersten Plätze braucht. Er braucht nicht betteln. Warum also
musste er sich mit Teer und Federn überziehen, seine Berater quälen, mit der
Kadima-Spitze feilschen und aus der ganzen Sache wie ein armseliger
Hausierer hervorkommen? Denn sonst wäre er nicht Shimon Peres.
Jetzt, neben den Gebeten und guten Wünschen für Arik Sharon, muss auch
allmählich an die Liste gedacht werden. Olmert wird sie zusammen mit vier
der Berater Sharons aufsetzen, die damit schon vor dem Schlaganfall begonnen
hatten. Jetzt werden sie sich auch mit Peres "beraten" müssen. Wenn man ihn
fragt, wird er seine Meinung sagen: Ich muss Nummer 2 sein.
Und deshalb war er Zeit seines Lebens Nummer 2. |