Nadav Eyal
kommentiert in M'ariw den Rücktritt der Likud-Minister und den Auftakt zum
Wahlkampf 2006
Einige Tage lag der politische Apparat still, und alle Augen waren auf
das Hadassa-Krankenhaus in Jerusalem gerichtet. Die Parteien verhielten sich
nicht nur deshalb so pietätvoll, weil sie von dem plötzlichen Verschwinden
Ariel Sharons schockiert waren, sondern vor allem weil sie das Gefühl
hatten, die israelische Öffentlichkeit würde es ihnen übel nehmen, wenn sie
sich zu Zeiten wie diesen mit Politik befassten. Die Politiker begriffen
dies instinktiv (na schön, alle außer Shimon Peres).
Aber diese Gnadenfrist ist nun vorbei, und überhaupt war sie nur
trügerisch. In dem Moment, als Ariel Sharon ins Krankenhaus eingeliefert
wurde, war klar, dass der Wahlkampf 2005 vorbei ist, und nun der Wahlkampf
2006 begonnen hat, der unter völlig anderen Bedingungen stattfinden wird.
Die verschiedenen Mitspieler haben das verstanden und nur auf den Moment
gewartet, an dem die Politiker das vorübergehende nationale Trauma
überwunden haben werden. Inzwischen ist der Damm gebrochen. Benjamin
Netanjahu gab einige schleimige Wahlkampf-Interviews im Zusammenhang mit dem
Gesundheitszustand Sharons, die Rechte griff Kadima wegen der Wahlen in
Ostjerusalem an, bei Kadima sprach man über den seltsamen Gedanken, Sharon
an die Spitze der Liste zu setzen, obwohl er noch nicht wieder bei
Bewusstsein ist und die Avoda stellte ihren Stab für Öffentlichkeitsarbeit
vor und gab bekannt, der Waffenstillstand sei vorbei.
Die gestrige Erklärung Netanjahus, kurz vor Öffnung der Wahlurnen im
Likud, war nur der offizielle Beweis für etwas, das alle schon wissen: Wir
kehren zum Alltag zurück. Netanjahu hat sich in den letzten Tagen über die
Veröffentlichungen geärgert, aus welchen sich entnehmen ließ, der Likud
würde eventuell bis zu den Wahlen in der Regierung bleiben. Er hatte das
Gefühl, als versuchten die Likud-Minister den Zustand Sharons auszunützen,
um sich noch einige Monate in der Regierung zu sichern.
Andererseits wurden die Umfrageergebnisse schlechter. Ehud Olmert, der
bisher ganz furchtbare Noten von der israelischen Öffentlichkeit erhalten
hatte, überholt Netanjahu mit Leichtigkeit, und Kadima galoppiert vorwärts.
Im politischen Apparat hat man das Gefühl, dass die Ergebnisse sowieso schon
feststehen, und dies wird noch von hoffnungsvollen Berichten aus dem
Hadassa-Krankenhaus begleitet. Das bereitet Netanjahu und seinen Leuten
natürlich Sorge, und dieser beschloss, etwas zu untenehmen. Die Anweisung an
die Minister, aus der Regierung auszutreten, erinnert ein wenig an den
Führungsakt von Amir Peretz, der den Ministern seiner Partei seinerzeit
befohlen hat, vor ihm den Brief an den MP zu unterschreiben. Nach der
Erklärung Netanjahus, war es schwierig, eine Reaktion von den Ministern zu
erhalten. Keiner von ihnen wollte den Vorsitzenden kurz vor den
schicksalhaften Wahlen im ZK öffentlich angreifen. Es kann durchaus
angenommen haben, dass Netanjahu genau daraufgesetzt hatte.