Der Kampf gegen den Antisemitismus:
Fragestunde in Heidelberg
Natürlich ist man aufgeregt, wenn man am Rande einer
Veranstaltung, die den pathetisch anmutenden Titel: USA UND DEUTSCHLAND -
VEREINT IM KAMPF GEGEN DEN ANTISEMITISMUS trägt, Flugblätter verteilt.
Zumal,
wenn die Flugblätter ganz unpathetisch einen
Sachverhalt darstellen, nämlich den, daß der GRÜNEN-Wahlkreisabgeordnete
Fritz Kuhn großmundig im Fernsehen verkündete, daß er und seine Partei sich
dafür einsetzen wollen, daß Programme gegen Rechtsradikalismus und
Antisemitismus stärker gefördert werden, aber dann eben doch nichts konkret
unternehmen will (siehe haGalil) und
Nachfragen diesbezüglich von Wählern seines Wahlkreises ignoriert.
So standen wir also mit unseren Flugblättern vorm
Deutsch-Amerikanischen Institut in Heidelberg und warteten auf Zuhörer des
Vortrags, weil wir diese mittels Flugblatt von diesem Vorgang in Kenntnis
setzen wollten. Trotz der relativ frühen Stunde (der Vortrag sollte um 18.00
Uhr beginnen) kamen recht bald die ersten Zuhörer, und auch die Referenten,
die sich unsere Flyers in die Hand drücken ließen. Eine Frau tat sehr
interessiert - an unserem Flugblatt und „an der Thematik überhaupt“, fand
jedoch dann den Eintrittspreis für die Veranstaltung (6 Euro) maßlos
überteuert und zog wieder ab.
Ein anderer älterer Herr polterte uns entgegen „Gehts hier lang zum
Philosemitismusvortrag?“ deutete in eine unbestimmte Richtung und zog dann
an uns vorbei. Nachdem mehr als sechzig Leute, von denen die meisten die
sechzig auch längst überschritten hatten, an uns vorbeigezogen waren,
packten auch wir unsere Sachen zusammen, um zu hören, was Edward O`Donnell,
der US-Gesandte für Holocaustfragen und Gert Weisskirchen, der
SPD-Abgeordnete des Rhein-Neckar-Wahlkreises und OSZE- Beauftragter für die
Bekämpfung des Antisemitismus zu sagen hatten.
Und das war grob gesagt Folgendes:
- Man stellte fest, daß der Antisemitismus zugenommen
habe, zitierte dabei aus der ein oder anderen Untersuchung und
veranschaulichte es dann mit konkreten Beispielen, wie der letzten
Messerattacke in einer Moskauer Synagoge.
- Man erläuterte die Begriffe des primären und sekundären
Antisemitismus
- und beide Referenten machten in deutsch und englisch
deutlich, daß Antisemitismus eine Gefährdung für die Demokratie sei.
Anschließend wurde die Disskusion eröffnet.
Hier beginnt die Geschichte nun klassisch zu werden.
Natürlich war der erste Kommentar zu dem Vortrag nicht etwa „was man denn
konkret gegen Antisemitismus tun könne“ oder etwa „Mit welchen Mitteln
man was erreichen kann“, sondern - dreimal dürft Ihr raten - genau:
“warum sich die Juden denn über Antisemitismus wundern, wo sie doch in
Israel mit den Palästinensern tun, was sie so tun und da seien sie doch
selbst schuld...“ in etwa und natürlich wurde dieser Kommentar
eingeleitet mit - Ihr dürft jetzt nur noch zweimal raten, weils ja jetzt
einfacher ist - genau, ungefähr so: „Ich bin ein großer Freund der
Juden, habe auch mal einige Zeit in Israel verbracht u.s.w.“.
Eine Dame meldete sich zu Wort und erklärte, wie betroffen sie solche
Worte machen, weil es deutlich macht, daß ein solcher Vortrag nicht
fruchtet, wenn grundlegende Dinge offenbar nicht verstanden wurden.
Ebenso erklärte ein junger Mann, daß er diesen Eingangskommentar für
antisemitisch hält, weil eine unzulässige Vermischung von israelischer
Politik und Juden ganz allgemein stattfände. Daraufhin sah sich der
Veranstalter genötigt die ersten Kommentatoren davor zu schützen, in
eine „antisemitische Ecke“ gestellt zu werden.
So wurde die Diskusion fortgesetzt:
-Eine ältere Gymnasiallehrerin beklagte, daß ihre Schüler häufig mit
Abwehr auf dieses Thema reagierten und fragte um Rat... den ihr keiner
wirklich geben konnte...
-Ein Mann fragte nach finanzieller und ideeller Förderung von
medienpädagogischen Ansätzen zu diesem Thema...
- und wieder ein anderer Mann fragte, wie man denn den sekundären
Antisemitismus bekämpfen wolle, wo Israel doch so eine Siedlungspolitik
betreibe....
Kurz ung gut- bevor ich überhaupt an die Reihe kam war die Veranstaltung
beendet und die Leute zogen ab.
Natürlich ist man aufgeregt, wenn man am Rande einer Veranstaltung, die
den pathetisch anmutenden Titel: USA UND DEUTSCHLAND - VEREINT IM
KAMPF GEGEN DEN ANTISEMITISMUS trägt, Flugblätter verteilt. Aber
natürlich ist man nach einer solchen Veranstaltung noch viel aufgeregter
als vorher, denn man fragt sich, ob die Leute, die sich verbal so
glaubwürdig gegen Antisemitismus engagieren es hinterher auch konkret
tun.
Das bleibt abzuwarten.
Wir jedenfalls bleiben am Ball. aus
heidelberg, die korrespondenten |