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Middle East Roundtable /
Edition 4 Volume 1
Jerusalem:
Anfänge einer Lösung
von Gilead Sher und Jonathan Gillis
[ENGLISH]
Die erst vor kurzem getroffene Entscheidung des
geschäftsführenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert, den in Ost-Jerusalem
wohnhaften Palästinensern die Beteiligung an den bevorstehenden Wahlen zu
genehmigen, hat viele überrascht. Von Einigen wurde sie als Zeichen für
einen neuen Pragmatismus von Seiten der israelischen Regierung wahrgenommen.
Die israelische Rechte deutete sie als Anfänge, denen zu wehren wäre und
grub die Phrase: "Sie haben vor, Jerusalem zu teilen" rasch wieder aus.
Ironischerweise ist diese von Olmert selbst geprägt worden und wurde gegen
den ehemaligen Ministerpräsidenten Shimon Peres verwendet, jetzt Mitglied in
Olmerts Partei. Pragmatisch, ja,
aber nicht als Teil eines größeren Pragmatismus in Bezug auf Jerusalem: Über
die reine Aufrechterhaltung des zurzeit bestehenden Status quo hinaus hat es
nach dem Versuch bei den Camp-David-Gesprächen und in den den nachfolgenden
Parametern Clintons keine offizielle politische Linie in Bezug auf
Ost-Jerusalem gegeben, um einen [Status quo] zu präsentieren. Auf der
anderen Seite hat in dem jetzigen politischen Klima keine israelische
Regierung vor, mit der Teilung Jerusalems zu beginnen.
Dennoch verlangt Jerusalem nach dringender Handlung, der
anomale rechtliche Status der palästinensischen Jerusalemer während der
bevorstehenden Wahlen (palästinensische als auch israelische) unterstreicht
diese Notwendigkeit. Das ist auch der Grund, warum sich die Situation seit
Camp David sehr verschlechtert hat. Eine zunehmende Bevölkerung, vor allem
in der Altstadt, unzulängliche Infrastruktur, Versorgung und öffentliche
Dienstleistung (in einigen Vierteln nicht vorhanden), Willkür bei der
Durchführung von Planungs- und Baugesetzen, steigende Armut und steigende
Kriminalität schaffen zusammen eine Situation, die zur Unregierbarkeit
führt. Der Status quo ist nicht mehr
aufrechtzuerhalten. Unzählige Faktoren
haben zur gegenwärtigen Schärfe der Situation beigetragen: juristische
Faktoren (nicht zuletzt die Folgen schlecht geplanter und schlecht
angewandter israelischer Gesetze, die die anomale hybride Form des Status
"Daueraufenthalt" für Ost-Jerusalemer Palästinenser geschaffen haben),
politische Faktoren, historische und demographische Faktoren und natürlich
die seit kurzem aufgetretenen Auswirkungen des Grenzzauns. Keine der
politischen Lösungen, die seit den Camp-David-Gesprächen angeschnitten
worden sind – alles Variationen zu den damaligen Positionen und den
Parametern Clintons – gibt konkrete Antworten auf diese Misere, mit Ausnahme
der Boden-Frage, deren Lösung von der Souveränitätsfrage im weiteren Sinn
abhängig gemacht wird. Aber wenn kein palästinensisches Gemeinwesen zu
erkennen ist, das fähig ist, Kontrolle und Verwaltung über ein
palästinensisches Jerusalem zu übernehmen und kein israelischer politischer
Konsens, der dies wünscht, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass etwas in
dieser Hinsicht passieren wird, in weiter Ferne.
Bis das geschieht, fordert die Zwangslage von Ost-Jerusalem
und die dortige Bevölkerung, dass wir nach praktischen Lösungen auf
elementarster Ebene suchen. Da die vordringlichen Auswirkungen der
derzeitigen Situation auf kommunaler Ebene erfahren werden, macht es auch
Sinn, dass die Parteien damit beginnen, dort nach durchführbaren Lösungen
für diese Probleme zu suchen, indem Behörden geschaffen werden (sowohl
gemischt israelisch-palästinensische als auch getrennte), die die
Verantwortung für Beschlüsse in Bezug auf Planung, Versorgung, öffentliche
Dienstleistungen, Transport und die Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung
übernehmen könnten. Um dies zu
verwirklichen, würden wir die Einrichtung eines Zweistufensystems für die
städtische Verwaltung für das Gebiet Ost-Jerusalem (für das gesamte Gebiet,
nicht nur das innerhalb der Mauern der Altstadt) vorschlagen. Bezirke würden
gebildet werden, jeder mit einem eigenen gewählten Rat und jeder Rat mit
Abgeordneten in einem übergeordneten Rat oder einem Stadtrat. Wie die
Bezirke organisiert sein würden, welche Befugnisse jeder einzelne Bezirk
haben würde, wie diese ausgeübt würden und wie die Kommunikation zwischen
dem übergeordneten Rat oder dem Stadtrat und den vorhandenen Behörden
aufgebaut sein würde, sind Fragen, mit denen man sich gründlicher befassen
müsste als sie hier skizziert werden können. Hier soll das Prinzip, das
hinter dem Vorschlag liegt, vorgestellt werden: Es gilt damit anzufangen,
unter den derzeit herrschenden rechtlichen und politischen Umständen,
rechtlich und praktisch durchführbare Mechanismen zu finden, die wenigstens
einige der dringlichsten Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllen können, die so
weit wie möglich das als Stigma empfundene israelische Souveränitätsrecht
über dieses Gebiet vermeiden, und die den Anfang für eine Vertretung für die
lokale Bevölkerung stellen. Auch sollte
die internationalen Gemeinschaft um Hilfe gebeten werden, um solch einen
Plan zu verwirklichen. Israel hat schon mit einem positiven Prozess zum
Schutz von Ost-Jerusalem begonnen, indem es die Prinzipien der
UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt anwendet
und bestehende Mechanismen der UNESCO einbezieht. Klug angewandt und in
Zusammenarbeit mit einem praktischen Plan für das Gebiet, könnte sich die
UNESCO als wichtiger Partner erweisen beim Angehen der aktuellen Probleme
der Region sowie bei der Sicherstellung nicht kontroversen Schutzes für
Stätten von historischer, kultureller sowie religiöser Bedeutung.
Man wird einwenden, dass nichts von dem oben Erwähnten die
folgenden dringenden Themen zu den Regelungen des endgültigen Status des
Gebietes, die Festlegung von Grenzlinien, die Etablierung von Symbolen
palästinensischer Souveränität im unter palästinensischer Kontrolle
stehenden Gebiet oder die Frage, was mit dem Tempelberg und den anderen
heiligen Stätten gemacht werden soll. Doch schließt das Eine das Andere
nicht aus. Der oben dargestellte Plan würde die Schaffung der ersten
Kooperationsmechanismen erlauben, die in jedem Fall nötig wären, um diese
Übergangslösung zu verwirklichen. *
Gilead Sher war Amtsleiter des Ministerpräsidenten, Koordinator für
politische Richtlinien und Israels Co-Chefunterhändler von 1999-2001. Shers
Buch "Within Reach: the Israeli-Palestinian Peace Negotiations" wurde
kürzlich in englischer Sprache bei Routledge/ Taylor & Francis
veröffentlicht. Jonathan Gillis ist Senior Associate bei Aaronsohn, Sher,
Aboulafia, Amoday and Co., Law Offices und Vorsitzender von "Bizchut", dem
Israelischen Zentrum für Menschenrechte für Menschen mit Behinderung.
Übersetzung: K. Badr, J. Hopf
[ENGLISH]
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