MEMRI Special Dispatch - 4. Januar 2006
"Übertriebene Darstellung":
Die Holocaust-Debatte in den arabischen Medien
Die zuletzt durch die Äußerungen des
iranischen Präsidenten Ahmedinejad wieder entfachte Debatte über die
Rezeption des Holocaust im Nahen und Mittleren Osten setzt sich auch in
den arabischen Medien fort. Dabei werden verschiedene Positionen
formuliert. [1]
Unter anderem heißt es häufig, dass Israel
das Ausmaß des Massenmordes übertreibe, um den Holocaust zur
Rechtfertigung der eigenen Politik gegenüber den Palästinensern zu
instrumentalisieren. In diese Richtung argumentiert etwa ein Kommentar
von Zain Al-Abidin Al-Rukabi aus der Zeitung Al-Sharq Al-Awsat, der auch
von vielen Leserbriefschreibern ausgesprochen positiv aufgenommen wurde.
Ganz anders der Beitrag von Hazem Saghieh in der ebenfalls in London
erscheinenden transarabischen Tageszeitung Al-Hayat: Saghieh kritisiert,
dass selbst Repräsentanten von Regierungen und Parteien in der Region
den Holocaust leugnen. Er nennt dabei den iranischen Präsidenten
Ahmedinejad, den Führer der ägyptischen Muslimbrüder Mahdi 'Akef sowie
den Hamasführer Khaled Mash'al und zeigt sich besorgt über deren
Popularität, die auch in Wahlen zum Ausdruck kommt.
Im Folgenden dokumentieren wir eine
Zusammenfassung des Kommentars Zain Al-Abidin Al-Rukabi sowie Auszüge
aus dem Text von Hazem Saghieh. Beide Artikel erschienen am 24.12.2005:
'Der Holocaust ist zwar eine Tatsache,
wird aber übertrieben dargestellt und von Israel politisch ausgenutzt'
In seinem Kommentar stellt Al-Rukabi
zunächst Holocaustleugner mit Wissenschaftlern auf eine Stufe, die vom
Holocaust als historischer Tatsache ausgehen. In seiner Abwägung
zwischen diesen beiden Positionen, stellt der Autor u.a. das Argument
vor, dem zufolge nicht sechs Millionen Juden hätten getötet werden
können, weil nur drei Millionen in Deutschland gelebt hätten. Außerdem
seien ja nicht nur Juden ermordet worden. Hitler, so Al-Rukabi weiter,
habe die Juden verfolgt, weil er meinte, dass diese "die USA in den
Ersten Weltkrieg gegen Deutschland gezogen" und "hinter der
wirtschaftlichen Katastrophe Anfang der 20er Jahre gestanden haben".
Aber selbst wenn das so stimmen würde, meint Al-Rukabi, seien "Hitlers
Untaten nicht hinnehmbar" - nicht zuletzt, weil "sich ja nicht alle
Juden gegen Deutschland verschworen hatten".
Im Folgenden verurteilt der Autor die
Verbrechen der Nazis an den Juden sowie ihre "blutige Ideologie",
vergleicht dann aber das Naziregime mit der israelischen
Besatzungspolitik: So spricht er von "der Propaganda des rassistischen
Semitentums", das jede Kritik an Israel als Antisemitismus unterbinde
und sich nicht von Hitlers "arischem Rassismus" unterscheide. "Außerdem
sind es gerade diejenigen, weltweit und immer wieder an die an ihnen
begangenen Verbrechen der Nazis erinnern, die selbst so tyrannisch und
feindselig gegen die Palästinensern vorgehen [...]: Von Deir Jassin bis
Jenin peinigt und vernichtet der jüdische und zionistische Fanatismus
die Palästinenser." Und genau wie die von den Nazis verübten Morde und
Folterungen auf einer Philosophie beruhten, würde sich auch der
Fanatismus der Juden und des Zionismus auf eine Philosophie stützen,
erklärt der Autor und kommt zu dem Schluss:
"Der Holocaust [arab.: muhraqa =
Brandopfer] ist eine historische Tatsache. Tatsache ist aber auch, dass
diese Wahrheit von unendlichen vielen Hinzufügungen, Ausschmückungen und
Übertreibungen geprägt ist. Wahr ist auch, dass diese menschliche
Tragödie in übler und rassistischer Weise ausgenutzt und
instrumentalisiert wird." [2]
"Die Holocaustleugnung: Eine Krankheit befällt unsere
Führungen"
"Mahdi 'Akef folgte Khaled Mash'al, der
sich seinerseits Mahmoud Ahmadinejads Leugnung des von den Nazis an den
europäischen Juden begangenen Holocausts angeschlossen hatte. Im
allgemeinen wird der Holocaust nur noch in intellektuell und bei der
Erziehung extrem zurückgebliebenen Milieus geleugnet. Wenn dies jetzt
durch Araber und Muslime geschieht, zeigt sich darin eine neue Ebene der
Holocaustleugnung: Vor dem Hintergrund der Unfähigkeit, irgendeinen
Fortschritt zu erzielen, geht man dazu über, die Geschichte durch Mythen
anzufechten.
Zum tausendsten Mal muss also offenbar
wiederholt werden, dass die Haltung zum Holocaust nichts mit der Haltung
gegenüber Israel zu tun hat. Jene, die beides miteinander in Verbindung
bringen, sind entweder fanatische Zionisten, die meinen, dass die
Einstellung zum hebräischen Staat automatisch die gleiche ist, wie die
zum Holocaust und umgekehrt; oder es sind Judenfeinde, die glauben, dass
wer den Holocaust anerkennt, gleichzeitig Israel unterstützt [...].
Wie schon gesagt, ist es eigentlich nicht
mehr nötig, noch über diese längst geklärte Frage [die Existenz des
Holocausts] zu diskutieren - auch wenn ein iranischer Offizieller
Ahmadinejads Meinung als "akademischen Standpunkt" bezeichnete und 'Akef
schäbige Quellen von David Irving bis Roger Garaudy benutzt.
Wichtig ist aber, dass die 'Kultur', den
Holocaust zu verleugnen – unter anderem eine Folge von Bildungsmangel –,
sich so ausgebreitet hat, dass sie inzwischen eine dominante Stellung im
öffentlichen arabischen und islamischen Leben einnimmt. Nachdem das
Thema fast zu den Akten gelegt war und sich auf unbedeutende fanatische
und zurückgebliebene Randgruppen zu beschränken schien, fiel aus dem
Iran stark vergifteter Regen auf uns nieder, der von den arabischen
Wüsten begierig aufgesogen wurde.
Nun ist die Angelegenheit [die
Holocaustleugung] nicht mehr nur auf marginale Randgruppen begrenzt.
Schließlich wurde Ahmadinejad bedauernswerter und erschreckender Weise
von Millionen Iranern zum Präsidenten der Republik gewählt. Mash'al
steht für eine Organisation, die sich in den palästinensischen Kommunen
festgesetzt hat und dies auch im Parlament tun könnte, wenn die
Parlamentswahlen denn stattfinden. Damit verstört [die Hamas] die Welt,
die nicht weiß, wie sie eine solche Sackgasse verhindern soll. Und 'Akef
ist der aufsteigende Stern in Ägypten, seit seine Muslimbruderschaft
sich mehr als ein Viertel der Parlamentssitze sichern konnte – unter
gerechteren Bedingungen bei der Wahl hätten sie sogar noch mehr
erreichen können.
Eingeleitet von Schriften des früheren
syrischen Verteidigungsministers Mustafa Tlas sowie einer Reihe von
Verlautbarungen Osama bin Ladens und Ayam Al-Zawahiris, wimmelt es in
den Schriften von Hamas, dem Islamischen Jihad und der Hizbullah nur so
vor ausgiebigen Auszügen aus den 'Protokollen der Weisen von Zion', der
'Jüdischen Gefahr' und ähnlichem Schund, der sich mit mythischen
Visionen über das Märtyrertum mischt [...].
Wir sind also nicht gerade zu beneiden.
Die Krankheit steigt vom Inneren der Gesellschaften zu ihren
Entscheidungsträgern empor. Und es ist kein Zufall, dass die Angehörigen
der Fraktionen, welche das oben skizzierte 'Gedankengut' verbreiten,
auch diejenigen sind, die uns den Weg aus dem dunklen Tunnel von
Besatzung und Ungerechtigkeit in eine hellere und glänzende Zukunft
versprechen. Ebenso wenig ist es Zufall, dass dieser Block eine
anti-moderne Tendenz aufweist [...].
Ohne Zweifel werden diese
rückwärtsgewandten Strömungen ihrer eigenen Sache und ihren Rechten
gegenüber den USA, Europa und Israel sehr schaden. Denn wenn man davon
ausgeht, dass ihr Scheitern bei der Durchsetzung ihrer Rechte dazu
führt, dass sie noch mehr an ihren Mythen festhalten, dann wäre es aus
eben diesem Grund gefährlich, sie zu stärken, indem man ihnen ihre
Rechte gewährt.
Das sollten auch die amerikanischen
Prediger der Demokratie in Betracht ziehen. So ignorant sie auch sein
mögen - sie sollten wissen, wie kränkliche Gesellschaften wählen, wenn
sie es tun."
Anmerkungen:
[1] Siehe dazu unter www.memri.de die
Übersetzungen vom 25.11. und 16.12.2005.
[2] Al-Sharq Al-Awsat, 24.12.2005
[3] Al-Hayat, 24.12.2005. (Die Übersetzung ins Deutsche erfolgte aus der
arabischen und der englischen Fassung des Textes, die in Al-Hayat/engl.
am 26.12.2005 erschien.)
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